Komorbiditäten der Psoriasis: Warum eine genaue Anamnese so wichtig ist

Um Psoriasis-Patient*innen optimal zu versorgen, sind Dermatolog*innen besonders gefordert. Über die Therapie der Entzündungssymptome der Haut hinaus sollten sie auch mögliche Komorbiditäten im Blick haben und diese mit einem Netzwerk an Spezialist*innen interdisziplinär abklären und behandeln.

Patient*innen, die von der chronisch-entzündlichen Erkrankung Psoriasis betroffen sind, leiden häufig darüber hinaus an einer oder mehreren Begleiterkrankungen.1 Metabolische Erkrankungen sind dabei am Häufigsten vertreten, was durch ein enges Zusammenspiel von Stoffwechsel und Entzündungssystem begründet ist.1 So entwickeln Psoriasis-Patient*innen überdurchschnittlich häufig einen Diabetes mellitus – etwa doppelt so hoch könnte das Risiko laut einer Studie im Vergleich zur gesunden Bevölkerung sein.2 Das systemische Entzündungsniveau kann eine diabetogene Stoffwechsellage hervorrufen, häufig begleitet von Störungen des Fett- und Harnsäurestoffwechsels sowie einem deutlich erhöhten Körpergewicht.1 Werden diese Störungen nicht frühzeitig behandelt, kann das in der Folge zu Veränderungen an den Gefäßen, vor allem der Arterien von Herz, Gehirn und Nieren führen. Die Folge sind Herz-Kreislauf- und Gefäßerkrankungen. Aber auch Hypertonie, Uveitis, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) und Depressionen treten im Zusammenhang mit einer Psoriasis vermehrt auf.1

In der Vergangenheit wurde die Psoriasis-Arthritis (PsA) ebenfalls als Begleiterkrankung der Psoriasis betrachtet. Etwa ein Viertel aller Psoriasis-Betroffenen entwickelt im Verlauf der Erkrankung neben den Entzündungssymptomen der Haut Gelenkentzündungen.3 Aufgrund von vergleichbaren Entzündungsmustern an Haut und Knochen sowie dem häufig sehr frühen Auftreten einer (subklinischen) Enthesitis, sieht man die Psoriasis-Arthritis heute als Teil des Krankheitsbildes der Psoriasis (sog. „Schwestererkrankung“) an.4,5 Mehr darüber lesen Sie hier und in der Psoriasis-Informationsbroschüre.

Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen: Häufiger bei Psoriasis

Psoriasis und chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) weisen einige Gemeinsamkeiten auf: Es sind jeweils Erkrankungen der Barrieren unseres Körpers zur Umwelt und auch die Pathogenese der Erkrankungen ähneln sich. Epidemiologisch zeigt sich: Menschen mit Psoriasis leiden häufiger an einer CED als der Bevölkerungsschnitt. Einer 20-jährigen dänischen Kohortenstudie zufolge war das Risiko an einem Morbus Crohn (MC) zu erkranken bei Psoriasis-Patient*innen etwa doppelt so hoch, wie in der nicht erkrankten Vergleichsgruppe.6 Das gleiche Bild, etwas weniger deutlich, ergab sich auch für die Colitis ulcerosa (CU). Umgekehrt ist eine Psoriasis auch eine häufige Erscheinung bei Patient*innen mit Morbus Crohn.7

Eine weitere Interessante Beobachtung der dänischen Kohortenstudie war, dass Psoriasis-Patient*innen, die mit einem Biologikum behandelt wurden, eine deutlich geringere Wahrscheinlichkeit hatten, an einem Morbus Crohn zu erkranken.6 Expert*innen raten heute dazu, bei gleichzeitigem Auftreten einer Psoriasis und einer CED einen Therapieansatz zu wählen, der sich idealerweise positiv auf beide Erkrankungen auswirkt. Die Tumornekrosefaktor (TNF)-Inhibitoren Adalimumab8 und Infliximab9 beispielsweise, aber auch der Interleukin (IL)-12 und IL-23-Inhibitor Ustekinumab10 können zur Behandlung von Psoriasis, Psoriasis-Arthritis wie auch von MC und CU eingesetzt werden. Auf der anderen Seite sollte darauf geachtet werden, keine paradoxen Reaktionen durch die Verwendung antientzündlicher Therapien hervorzurufen. So besteht zum Beispiel bei der Anwendung von IL-17-Inhibitoren zur Behandlung der Psoriasis das Risiko einer Verschlechterung einer CED.11

Unterschätzte Begleiterkrankung: Depression

Über einen langen Zeitraum wurden depressive Erkrankungen bei Psoriasis-Betroffenen als Folge der psychischen Krankheitslast gesehen. In einer großen Datenanalyse haben Forscher*innen nun genetische Risikofaktoren zu Autoimmunerkrankungen und Depression miteinander verglichen und untersucht, ob diese auch prädiktiv für die jeweils andere Krankheit sind.12 Sie haben dabei herausgefunden, dass Menschen mit Psoriasis nicht nur ein deutlich erhöhtes Risiko haben, eine Depression zu entwickeln, sondern auch, dass genetische Risikofaktoren für eine Depression bei Menschen mit Psoriasis verbreiteter waren. Schon 2016 waren Wissenschaftler*innen in den USA zu ähnlichen Ergebnissen gekommen: Bei US-amerikanischen Soldat*innen beobachteten sie signifikante Hinweise auf eine genetische Pleiotropie zwischen einer post-traumatischen Belastungsstörung und einer Psoriasis.13

Rechtzeitig erkannt, sind Verläufe positiv zu beeinflussen

Komorbiditäten können mit einem ungünstigen Verlauf der Erkrankung korrelieren. Entstehung und Fortschreiten einer oder mehrerer Begleiterkrankungen lassen sich dagegen positiv beeinflussen, wenn sie rechtzeitig erkannt und behandelt werden. Oft haben Patient*innen einen langen Leidensweg hinter sich, bevor sie die richtige Diagnose erhalten. Mit hochauflösendem Ultraschall ist aber beispielsweise eine beginnende Enthesitis frühzeitig nachweisbar, auch wenn zunächst noch keine Beschwerden vorhanden sind.4

Umso wichtiger ist es, dass Dermatolog*innen Betroffene interdisziplinär versorgen und sich frühzeitig mit Fachärzt*innen anderer Disziplinen austauschen. Eine frühe und korrekte Diagnostik ist die Grundlage für eine Therapie zum frühestmöglichen Zeitpunkt, die den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen kann, um die physische und psychische Krankheitslast der Patient*innen von Anfang an zu minimieren.11

Auch eine intensivierte Aufklärung Betroffener ist überaus sinnvoll, denn sie trägt dazu bei, die Diagnoserate zu erhöhen und einen nachhaltigen Therapieerfolg zu gewährleisten. Fundierte Informationsangebote des Care+ Patient*innenservice mit der Website meincareplus.de, der Care+ App sowie eine passende Psoriasis-Informationsbroschüre können Sie als behandelnde Ärzt*innen dabei unterstützen.


Quellen

  1. Körber A. Komorbiditäten der Psoriasis. Haut. 2013;01/2013. Link: https://www.der-niedergelassene-arzt.de/fileadmin/user_upload/zeitschriften/haut/Artikel-pdfs/2013/2013_1/HAUT_1-13_CME_Koerber.pdf. (letzter Zugriff: 20.04.2022)
  2. Khalid U et al. Psoriasis and new-onset diabetes: a Danish nationwide cohort study. Diabetes Care. 2013;36(8):2402-2407. doi:10.2337/dc12-2330
  3. Lloyd P et al. Psoriatic arthritis: an update. Arthritis. 2012;2012:176298. doi:10.1155/2012/176298
  4. Gutierrez M et al. Subclinical entheseal involvement in patients with psoriasis: an ultrasound study. Semin Arthritis Rheum. 2011;40(5):407-412. doi:10.1016/j.semarthrit.2010.05.009
  5. Kaeley GS et a. Enthesitis: A hallmark of psoriatic arthritis. Semin Arthritis Rheum. 2018;48(1):35-43. doi:10.1016/j.semarthrit.2017.12.008
  6. Egeberg A et al. Incidence and Risk of Inflammatory Bowel Disease in Patients with Psoriasis-A Nationwide 20-Year Cohort Study. J Invest Dermatol. 2019;139(2):316-323. doi:10.1016/j.jid.2018.07.029
  7. Sturm et al. Aktualisierte S3-Leitlinie „Diagnostik und Therapie des Morbus Crohn“ der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). August 2021. AWMF-Registernr. 021-004
  8. Fachinformation ImraldiTM. Stand Juli 2021.
  9. Fachinformation FlixabiTM. Stand Dezember 2021.
  10. Fachinformation Stelara®. Stand November 2021.
  11. Nast A et al. S3-Leitlinie: Therapie der Psoriasis vulgaris. 2021. AWMF-Register-Nr.: 013-001
  12. Glanville KP et al. Investigating Pleiotropy Between Depression and Autoimmune Diseases Using the UK Biobank. Biol Psychiatry Glob Open Sci. 2021;1(1):48-58. doi:10.1016/j.bpsgos.2021.03.002
  13. Stein MB et al. Genome-wide Association Studies of Posttraumatic Stress Disorder in 2 Cohorts of US Army Soldiers. JAMA Psychiatry. 2016;73(7):695-704. doi:10.1001/jamapsychiatry.2016.0350

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