Rheumatoide Arthritis: Real-World-Vergleich aller zugelassenen ts/bDMARDs

In der Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) kommen heute mehr als ein Dutzend zielgerichtete synthetische und biologische antirheumatische Medikamente (targeted synthetic/biological disease modifying antirheumatic drugs, ts/bDMARDs) zum Einsatz.<sup>1</sup><sup>,</sup><sup>2</sup> Bei der patientenindividuellen Nutzen-Risiko-Abw&auml;gung k&ouml;nnen Behandler*innen nun auch auf Daten der schwedischen Kohortenstudie ARTIS zur&uuml;ckgreifen: Sie liefert einen detaillierten Vergleich der Sicherheitsprofile aller zugelassenen ts/bDMARDs.

In der Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) kommen heute mehr als ein Dutzend zielgerichtete synthetische und biologische antirheumatische Medikamente (targeted synthetic/biological disease modifying antirheumatic drugs, ts/bDMARDs) zum Einsatz.1,2 Die Wahl des geeigneten Arzneimittels basiert idealerweise auf dem Nutzen-Risiko-Verhältnis für die individuellen Patient*innen.1,2 Behandler*innen konnten für diese individuelle Therapieentscheidung jedoch bisher nur auf eine limitierte Studienlage zurückgreifen.1 Randomisiert kontrollierte Studien (RCTs) sind in der Regel ausreichend, um die Wirksamkeit und Nicht-Toxizität eines Medikaments nachzuweisen. Seltene Nebenwirkungen, Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und Langzeiteffekte werden jedoch in der Regel nur in großen, über mehrere Jahre angelegten post-marketing Sicherheitsstudien (PASS) erkennbar.1

Allerdings ist die Mehrheit der PASS-Studien so aufgebaut, dass ein einzelnes Medikament entweder mit nur ein bis zwei Alternativen oder mit allen verfügbaren Therapieoptionen in einer gepoolten Gruppe verglichen wird. In der klinischen Praxis muss die Entscheidung jedoch immer zwischen allen verfügbaren Behandlungsoptionen getroffen werden. Eine schwedische Autor*innengruppe verglich nun in der großen Langzeit-Registerstudie ARTIS die Sicherheit aller für die RA in Schweden zugelassenen ts/bDMARDs miteinander.1

ARTIS: Registerstudie mit mehr als 20.000 RA-Patient*innen

ARTIS (Anti-Rheumatic Therapies in Sweden) ist eine nationale Register-basierte Kohortenstudie, die über einen Zeitraum von 11 Jahren alle Patient*innen mit RA einschloss, die eine Therapie mit b/tsDMARD begannen und im Swedish Rheumatology Quality Register (SRQ) registriert waren – etwa 90 % aller ts/bDMARD-Initiierungen in Schweden.1,3,4 Ziel der Studie war es, die Inzidenzraten der wichtigsten Sicherheitsergebnisse für die einzelnen zugelassenen b/tsDMARDs bei RA zu bewerten, zu vergleichen und dabei auch die neueren Medikamente inklusive Januskinase-Inhibitoren (JAKi) in die Auswertung einzuschließen. Insgesamt wurden zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 31. Dezember 2020 über 20.000 Patient*innen und fast 35.000 Therapieinitiierungen in die Studie einbezogen.1 Eingeschlossen wurden alle während des Studienzeitraumes in Schweden zur Behandlung von RA zugelassenen b/tsDMARDs: Die Tumornekrosefaktor(TNF)-Inhibitoren Adalimumab, Certolizumab Pegol, Etanercept, Golimumab und Infliximab; die anderen bDMARDS Abatacept, Anakinra, Rituximab, Sarilumab, Tocilizumab und die Januskinase-Inhibitoren (JAKi; tsDMARDs) Baricitinib, Tofacitinib und Upadacitinib.1 Die größte Patient*innenkohorte erhielt den TNF-Inhibitor Etanercept und diente in der statistischen Auswertung als Referenz.1

ts/bDMARDs: Unterschiede bei schweren Infektionen und Gesamtsterblichkeit

Die Studie analysierte insgesamt zehn Sicherheitsendpunkte, darunter Behandlungsabbruch aufgrund von Nebenwirkungen, schwerwiegende kardiovaskuläre Ereignisse (major adverse cardiovascular events; MACE), schwerwiegende Infektionen, Herpes zoster-Infektionen, Depressionen, sowie versuchter oder vollendeter Suizid, Hospitalisierungsraten und Gesamtsterblichkeit.1

Bei der Rate unerwünschter Ereignisse, die zum Behandlungsabbruch führten, gab es deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Medikamenten: Pro 1.000 Personenjahren reichten die Raten von 18 Abbrüchen aufgrund unerwünschter Ereignisse bei Rituximab bis 57 bei Sarilumab. Im Vergleich zu Etanercept hatten Abatacept, Infliximab, Golimumab und Certolizumab Pegol eine um 18 % bis 53 % höhere Abbruchrate. Bei Tocilizumab, Rituximab und Baricitinib war die Rate hingegen um 28 % bis 43 % niedriger.

Bei schweren Nebenwirkungen zeigten sich insgesamt nur wenige Unterschiede. Die Raten von schwerwiegenden kardiovaskulären Ereignissen (MACE), einschließlich akutem Koronarsyndrom, Schlaganfall und tödlichen kardiovaskulären Ereignissen, waren bei den meisten ts/bDMARDs ähnlich. Unterschiede traten jedoch bei der Gesamtrate schwerwiegender Infektionen auf: Diese war mit Infliximab und Rituximab etwa 30 % höher als bei Etanercept. Noch drastischere Unterschiede zeigten sich bei schweren Herpes zoster-Infektionen: Bei den JAKi Baricitinib und Tofacitinib war die Infektionsrate etwa viermal höher im Vergleich zu Etanercept (HR 3,82 (95 %-KI 2,05–7,09) und 4,00 (1,59–10,06)).

Unterschiede waren auch bei der Gesamtsterblichkeit erkennbar: Während die Sterblichkeitsrate zwischen den verschiedenen TNF-Inhibitoren ähnlich war, war sie bei anderen bDMARDs um etwa 30 % bis 40 % höher als unter Etanercept. Die numerisch höchste HR wurde jedoch für den JAKi Baricitinib festgestellt (HR 2,27 (95 % KI 1,51–3,40)). Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung war die Sterblichkeit bei RA-Patient*innen, die ein ts/bDMARD erhielten, insgesamt um etwa ein Drittel höher. Bei den anderen Endpunkten zeigte sich kein signifikanter Unterschied zwischen den verschiedenen ts/bDMARDs.

Individuelle Patientensituation beachten

Nach Einschätzung der Autor*innen sei es wichtig zu berücksichtigen, dass die Unterschiede in den Sicherheitsergebnissen der Medikamente teilweise auf die unterschiedlichen Ausgangs-Charakteristika der Patient*innen zurückzuführen sein könnten, die sie für bestimmte Therapieoptionen qualifizieren oder ausschließen. Mithilfe statistischer Methoden wurde versucht, diesen Unterschieden und dem dadurch entstehenden Bias Rechnung zu tragen. In jedem Fall müssten die Ergebnisse immer im Kontext der individuellen Patientensituation betrachtet werden, da die Wirksamkeit und Verträglichkeit von Medikamenten von Person zu Person variieren können.

Dennoch könnten die Ergebnisse der Studie Ärzt*innen helfen, fundierte Entscheidungen über die Auswahl der am besten geeigneten Behandlungsoption für ihre Patient*innen zu treffen und das Risiko von Nebenwirkungen abzuwägen. Daten eines Arzneimittelregisters wie ARTIS spielten demnach eine entscheidende Rolle in der Bewertung des Sicherheitsprofils der verschiedenen Medikamente zur Behandlung von RA und tragen dazu bei, eine individuelle Nutzen-Risiko-Abwägung zu ermöglichen.

Referenz

  1. Frisell T et al.; ARTIS Study group. Safety of biological and targeted synthetic disease-modifying antirheumatic drugs for rheumatoid arthritis as used in clinical practice: results from the ARTIS programme. Ann Rheum Dis. 2023 May;82(5):601-610.
  2. Smolen JS et al. EULAR recommendations for the management of rheumatoid arthritis with synthetic and biological disease-modifying antirheumatic drugs: 2022 update. Ann Rheum Dis. 2023 Jan;82(1):3-18.
  3. Eriksson JK et al. The Swedish Rheumatology Quality Register: optimisation of rheumatic disease assessments using register-enriched data. Clin Exp Rheumatol. 2014 Sep-Oct;32(5 Suppl 85):S-147-9.
  4. Wadström H et al.; ARTIS Study Group. How good is the coverage and how accurate are exposure data in the Swedish Biologics Register (ARTIS)? Scand J Rheumatol. 2015;44(1):22-8.

Biogen-217643 v1.0 08/2023