Telemedizin bei CED: Mehr Lebensqualität, weniger Klinikaufenthalte

Telemedizin kann die Versorgung von Patient*innen vereinfachen. Doch wie wirkt sie sich auf den Behandlungserfolg und die Lebensqualit&auml;t von Patient*innen mit chronisch-entz&uuml;ndlichen Darmerkrankungen (CED) aus? Eine systematische Metaanalyse zeigt nun, dass Telemedizin die Zahl der Krankenhausaufenthalte verringern und die Lebensqualit&auml;t verbessern k&ouml;nnte.<sup>1</sup>

Von elektronischer Patientenakte (ePA) über digitale Gesundheitsanwendungen bis hin zu Big Data und künstlicher Intelligenz (KI) in Diagnostik und Therapie – die Digitalisierung eröffnet ein riesiges Potenzial in der Gesundheitsbranche. Auch die Versorgung von Patient*innen kann sich dadurch in Zukunft nachhaltig verändern. Die Pandemie hat gezeigt, dass eine telemedizinische Versorgung sicher, machbar und kosteneffizient ist.2 Virtuelle Kliniken und eine telemedizinische Versorgung ist vor allem für stabile Patient*innen mit einem gut etablierten Behandlungsplan geeignet.2

Der Begriff Telemedizin ist eine Sammelbezeichnung für medizinische Leistungen an Patient*innen aber auch die Konsultation zwischen Ärzt*innen über die räumliche und/oder zeitliche Distanz mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologie.3 Darunter fallen etwa Telefon- oder Videosprechstunden sowie die Beratung über Messenger, Apps oder E-Mail.

Gerade für Fachgebiete mit schwieriger Versorgungssituation, wie etwa die Gastroenterologie, könnte dies die Anzahl der Patient*innen in den Praxen verringern und Wartezeiten auf einen Termin verkürzen.4 So sind etwa Menschen mit CED häufig auf eine lebenslange Therapie mit regelmäßigen ärztlichen Untersuchungen angewiesen. Ein Teil dieser vor-Ort-Termine könnte bei stabilem und unkompliziertem Krankheitsverlauf aber durch telefonische oder Online-Sprechstunden ersetzt werden und so die Facharztpraxen, aber auch die Patient*innen besonders in strukturschwachen, ländlichen Regionen entlasten.2

Metaanalyse untersucht Auswirkungen von Telemedizin auf den Behandlungserfolg1

Ungeachtet möglicher Vorteile muss eine adäquate medizinische Versorgung jedoch jederzeit garantiert und negative Auswirkungen der Telemedizin auf den Therapiefortschritt ausgeschlossen werden. In einer im Jahr 2022 erschienenen systematischen Metaanalyse wurden nun Studien mit CED-Patient*innen ausgewertet, die eine (ergänzende) telemedizinische Betreuung mit der Standardversorgung hinsichtlich Lebensqualität, Krankheitsaktivität und Remissionsrate verglichen. Die Autor*innen schlossen dafür 17 randomisierte kontrollierte Studien mit insgesamt 2.571 CED-Patient*innen aus dem Zeitraum 2010 bis 2020 in ihre Analyse ein.

Telemedizin definierten die Autor*innen als "Einsatz elektronischer Informations- und Kommunikationstechnologien für die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen, wenn Entfernungen zwischen Patenten und Gesundheitsdienstleistern bestehen", z. B. Internet, Mobiltelefonanwendungen und SMS-Textnachrichten. Die primären Endpunkte der Metaanalyse waren die CED-spezifische Lebensqualität, die Krankheitsaktivität und die Remissionsrate. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem Klinikaufenthalte pro Patient*in, Patient*innenzufriedenheit und Therapieadhärenz. Die CED-spezifische Lebensqualität wurde anhand des IBD-Fragebogens (IBDQ) bewertet, die Krankheitsaktivität anhand des Mayo-Scores, des Walmsley-Index oder des Seo-Index für Colitis ulcerosa (CU) oder Colitis indeterminata (CI) und anhand des Harvey-Bradshaw-Index für Morbus Crohn (MC).

Verbesserte Lebensqualität und weniger Klinikaufenthalte1

In insgesamt 10 der 17 ausgewerteten Studien mit 1.632 Patient*innen wurde die CED-spezifische Lebensqualität (IBDQ) unter telemedizinischer Betreuung und Standard-Versorgung verglichen. Es zeigte sich, dass die Patient*innen von einer verbesserten Lebensqualität unter telemedizinischer Versorgung profitieren konnten: Die IBDQ-Werte waren in der telemedizinischen Gruppe höher als in der Gruppe mit Standardbehandlung (Standard-Mittelwert-Differenz [SMD] 0,18; 95 % KI 0,01 bis 0,34; I2=47; P=0,03). Werden Erwachsene und Jugendliche getrennt voneinander betrachtet, so wiesen die Jugendlichen in der Telemedizin-Gruppe signifikant höhere IBDQ-Werte auf als die Jugendlichen in der Standardbehandlungsgruppe (SMD 0,42; 95 % KI 0,15 bis 0,69; I2=0; P=0,002), während bei den Erwachsenen kein signifikanter Unterschied zwischen den Gruppen festgestellt wurde (SMD 0,11; 95 % KI -0,06 bis 0,28; I2=41; P=0,21).

Ein weiterer Vorteil der Telemedizin ergab sich hinsichtlich der Notwendigkeit stationärer oder ambulanter Behandlungen: In 6 der analysierten Studien mit 1.479 CED-Patient*innen wurde untersucht, ob durch telemedizinische Maßnahmen die Zahl der Klinik- oder Ambulanzbesuche gesenkt werden kann. Die Auswertung ergab, dass die Anzahl der Klinikbesuche pro CED-Patient*in in der Telemedizingruppe signifikant niedriger war als in der Standardbehandlungsgruppe (SMD -0,71, 95 % KI-1,07 bis -0,36; I2=85; P<0,001).

Die Betrachtung der weiteren Endpunkte ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen Telemedizin und Standardbehandlung: Krankheitsaktivität, Remissionsrate, Patient*innenzufriedenheit, psychische Gesundheit und Therapieadhärenz waren in beiden Gruppen vergleichbar.

Somit zeigten sich in keinem der untersuchten Endpunkte negative Auswirkungen einer telemedizinischen Versorgung von CED-Patient*innen. Vielmehr könnten sich durch die unkomplizierte telemedizinische Versorgung sogar Vorteile für die Lebensqualität der Betroffenen ergeben. Weitere kontrollierte randomisierte Studien seien nach Ansicht der Autor*innen jedoch notwendig, um zu ermitteln, welche CED-Patient*innen am meisten von der Telemedizin profitieren würden.

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Referenz

  1. Pang L, et al. Role of Telemedicine in Inflammatory Bowel Disease: Systematic Review and Meta-analysis of Randomized Controlled Trials. J Med Internet Res. 2022 Mar 24;24(3):e28978. doi: 10.2196/28978. PMID: 35323120; PMCID: PMC8990345.
  2. Solitano V, et al. IBD goes home: from telemedicine to self-administered advanced therapies. Expert Opin Biol Ther. 2022;22(1):17-29.
  3. Bundesärztekammer (2015). Telemedizinische Methoden in der Patientenversorgung. Begriffliche Verortung. Online verfügbar: www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/_old-files/downloads/pdf-Ordner/Telemedizin_Telematik/Telemedizin/Telemedizinische_Methoden_in_der_Patientenversorgung_Begriffliche_Verortung.pdf Letzter Zugriff: 03.04.2023.
  4. Martin W. Ärztemangel: Einzelne Fachgebiete stark unter Druck. Dtsch Arztebl Int. 2019;116:2.

Biogen-207073 v1.0 04/2023