Was haben wir von AIDS gelernt?

"Was können wir aus der frühen AIDS-Epidemie lernen?" Harold W. Jaffe vom Center for Disease Control and Prevention sprach auf dem CROI über die frühen Jahre der Infektion und welche Schlüsse für die Zukunft man daraus ziehen kann.

Noch 1982 vom Weißen Haus ignoriert

Die 25. Conference on Retroviruses and Opportunistic Infections (CROI) in Boston war Anlass für Harold W. Jaffe, Centers for Disease Control and Prevention, Atlanta, in der ersten Plenarsitzung auf die Entwicklung der Kenntnisse zu AIDS zurückzublicken und kurz auf die daraus gezogenen Lehren einzugehen.

Im Jahr 1981 war Ronald Reagan Präsident der Vereinigten Staaten, und am 5. Juni 1981 erschien in Morbidity and Mortality Weekly Report (MMWR) der Centers for Disease Control and Prevention (CDC) ein Bericht über 5 junge homosexuelle Männer, die in 3 Kliniken in Los Angeles wegen einer Pneumocystis-carinii-Pneumonie behandelt wurden. Alle hatten eine Zytomegalie-Infektion und eine Candida-Infektion der Schleimhaut. Am 3. Juli 1981 wurde dann in MMWR über die zunehmende Zahl von Kaposi-Sarkomen berichtet. Zunächst wurden als Ursachen für diese epidemische Immundefizienz infektiöse Agenzien, Toxine aus der Umgebung und eine Überlastung des Immunsystems vermutet. Auch die Schnüffeldroge Poppers wurde verdächtigt.

Im Dezember 1981 wurde AIDS von den CDC als eigenständige Krankheit anerkannt. Aber bei einer Pressekonferenz des Weißen Hauses am 15. Oktober 1982 antwortete Larry Speakes, der Sprecher des Präsidenten, auf die Frage, welche Reaktion der Präsident auf die Mitteilung der CDS, dass AIDS epidemisch und derzeit mehr als 600 Fälle bekannt seien: "What’s AIDS?" und zog das Thema ins Lächerliche.

Leitlinien basierend auf epidemiologischen Studien

Die CDC beschrieben zwischen Dezember 1982 und Januar 1983 als Risikogruppen für AIDS Transfusionempfänger und Personen mit Hämophilie, Kinder, deren Mütter an AIDS erkrankt waren, Frauen, deren männliche Sexualpartner an AIDS erkrankt waren und intravenös Drogenabhängige. Im März 1983 publizierten CDC, Food and Drug Administration (FDA) und die National Institutes of Health (NIH) die ersten Leitlinien zur Prävention. "Im Rückblick waren diese Empfehlungen völlig korrekt, obwohl sie ausschließlich auf epidemiologischen Studien basierten", so Jaffe.

LAV und HTLV-III = HIV

Schon 2 Monate später im Mai 1983 publizierte die Arbeitsgruppe um Luc Montagnier Befunde zum Lymphadenopathie-Virus (LAV), das sie als Ursache von AIDS vermuteten. Die Forscher um Robert Gallo berichteten im Mai 1984 über das humane T-lymphotrope Retrovirus Typ III (HTLV-III) als Ursache. Im März 1985 stand fest, dass LAV und HTLV-III identisch sind. 1985 wurde von der FDA der erste ELISA-Antikörper-Test zugelassen und im Jahr 1986 wurde der Name Humanes Immunschwächevirus (HIV) etabliert.

Über AIDS in Afrika wurde erstmals aus europäischen Kliniken im Jahr 1983 berichtet. Weitere Berichte direkt aus Afrika folgten.

Die Übertragungswege des HI-Virus waren lange unklar und es kursierten zahlreiche unwahre Behauptungen. Um die Bevölkerung aufzuklären erhielt jeder amerikanische Haushalt im Jahr 1988 die Broschüre "Understanding AIDS".

Hohe Therapiekosten

Vor allem in der Homosexuellen-Szene bildeten sich verschiedene AIDS-Aktivistengruppen, beispielsweise ACT UP im Jahr 1987. Im selben Jahr wurde mit Zidovudin (Retrovir) das erste Therapeutikum zugelassen. Als eine Reaktion auf die AIDS-Epidemie führte die FDA ein Fast-track-Verfahren zur schnelleren Zulassung von Medikamenten für die Behandlung von lebensbedrohlichen oder anderen schweren Erkrankungen ein.

Die hohen Kosten der HIV-Medikation waren allerdings ein Problem, vor allem für Entwicklungsländer. 2003 kündigte Präsident George W. Bush den U.S. President’s Emergency Plan for AIDS Relief (PEPFAR) an, um die AIDS-Epidemie weltweit zu bekämpfen. Weitere Organisationen kamen hinzu, und Mitte 2017 wurden weltweit 20,9 Mio. Personen wegen einer HIV-Infektion behandelt.

Lehren aus der AIDS-Epidemie

"Was können wir aus der frühen AIDS-Epidemie lernen?" fragte Jaffe. Es braucht schlaue Kliniker und Hinweise aus einfachen Studien. Nicht hoch genug kann der Wert von multidisziplinären Teams und des Engagements Betroffener eingeschätzt werden. Außerdem müssen die Ängste der Bevölkerung und von Mitarbeitern im Gesundheitswesen ernst genommen werden.

Jaffe sagte, wir seien von AIDS überrascht worden, aber wir wurden in neuerer Zeit auch von MERS, Chikungunya, Zika, Ebola und Cholera überrascht. Aber teilweise sind wir nach seiner Ansicht heute besser auf solche neuen Infektionen vorbereitet. So wurden im Jahr 2005 von den Mitgliedsstaaten der WHO die International Health Regulation (IHR) verabschiedet, mit denen die internationale Gemeinschaft akuten gesundheitlichen Bedrohungen der Bevölkerung vorbeugen oder auf sie reagieren kann. Allerdings haben bis zum Jahr 2014 erst zwei Drittel der beteiligten Staaten die hierfür erforderlichen Anforderungen erfüllt.

Neue Tools des digitalen Zeitalters wie elektronische Krankenakten und auch soziale Medien machen die Erkennung und auch Überwachung neuer Infektionen leichter. In der heutigen Zeit mit der Unterstellung von Fake News und alternativen Fakten sei allerdings die Frage, ob einer Broschüre wie "Understanding AIDS" geglaubt würde. "Ich weiß es nicht", so Jaffe.

Quelle:
Jaffe HW. The early days of AIDS: Looking back and thinking ahead. 25. CROI, Boston, 5. März 2018, Abstract 12. http://www.croiconference.org/sessions/early-days-aids-looking-back-and-thinking-ahead