Neue Therapieoptionen für die axiale Spondyloarthritis?

Professor Denis Poddubnyy im Interview zu neuen Entwicklungen bei der Behandlung von AS.

Professor Denis Poddubnyy im Interview zu neuen Entwicklungen bei der Behandlung von AS

Prof. Denis Poddubnyy ist Leiter der Rheumatologie an der Charité – Universitätsmedizin Berlin. Sein besonderes Interesse gilt den entzündlichen Wirbelsäulenerkrankungen, den axialen Spondyloarthrididen (AS). In einem Interview beantwortet er Fragen zu neuen Entwicklungen in diesem Bereich, die auf dem EULAR diskutiert wurden.  

esanum: Herr Prof. Poddubnyy, was gab es Neues auf dem EULAR 2017 zum Thema der axialen Spondyloarthritis?

Prof. Denis Poddubnyy  - Leiter der Rheumatologie an der Charité 

Poddubnyy: Im Gegensatz zu früheren Jahren hörte man diesmal wenig Bahnbrechendes in Bezug auf die Therapie. Es bleibt beim Alten: TNF-α-Blockade und Interleukin-17-Blockade. Dennoch gab es einige Neuigkeiten für die Feinjustierung der Therapieprinzipien. Die Treat-to-Target-Empfehlungen wurden vor kurzem aktualisiert. Wie vor fünf Jahren bleibt das Hauptziel für die Therapie der Spondyloarthrididen die Remission. Doch geklärt wurde, wie man Remission definiert: ASDAS ist heute das bevorzugte Instrument zur Abschätzung der Krankheitsaktivität und zur Beurteilung des Therapieansprechens.

Unterschiedliche Meinungen in der Treat-to-Target-Gruppe gab es zu den Messverfahren für die Psoriasis-Arthritis. Die Diskussion drehte sich um DAPSA (Disease Activity in Psoriatic Arthritis Score) versus MDA (minimal disease activity). Bei DAPSA kann man die Krankheitsaktivität im Laufe der Therapie besser beurteilen, während man beim MDA nur eine „ja“- oder „nein“-Antwort erhält auf die Frage, ob MDA erreicht ist oder nicht.

esanum: Wo liegt Ihre persönliche Priorität?

Poddubnyy: Wir arbeiten in unserer Abteilung mit DAPSA. Ich halte es für ein gutes Instrument, das sich im alltäglichen Gebrauch bewährt hat.

esanum: Welche Medikamente setzen Sie bei der axialen Spondyloarthritis ein und ab wann behandeln Sie mit bDMARDs?

Poddubnyy: In meiner Praxis gebe ich leitliniengerecht zunächst ein NSAR; beim unzureichenden Ansprechen versuche ich ein anderes NSAR. Wenn auch dann die Krankheitsaktivität nach ASDAS noch 2,1 beträgt, setzen wir die Therapie mit TNF-α-Hemmern bzw. einem IL-17-Hemmer ein. Diese Medikamente funktionieren wunderbar um die Entzündung zurückzudrängen und eine Remission bzw. niedrige Krankheitsaktivität zu erreichen. Doch es gibt keine guten Daten, die zeigen, dass sie auch eine Hemmung der radiografischen Progression herbeiführen.

esanum: Warum kann ein Wirkstoff, der die Entzündung hemmt, nicht auch die radiografische Progression aufhalten?

Poddubnyy: Für die rheumatoide Arthritis ist das richtig, denn da bedeutet radiografische Progression eine Gelenkdestruktion unmittelbar infolge einer Entzündung. Doch bei der AS geht es um Knochenneubildungen. Und obwohl ich überzeugt bin, dass keine Knochenneubildung ohne vorangegangene Entzündung stattfinden kann, gibt es keine Möglichkeit, die bereits begonnene Knochenneubildung mit den vorhandenen Mitteln zu hemmen. Zumindest war das bisher so.

esanum: Letztes Jahr wurde auf dem EULAR und dem ACR eine neue Studie vorgestellt, die zur Hoffnung Anlass gab, dass der IL-17-Hemmer Secukinumab Knochenneubildungen verhindern könnte. Haben sich diese Hoffnungen erfüllt?

Poddubnyy: In dieser unkontrollierten Studie, die 2016 präsentiert wurde, zeigten nur 20 % der Patienten nach zwei Jahren eine radiologische Progression. In früheren Untersuchungen zu den TNF-Blockern war das noch bei fast der Hälfte der Fall gewesen. Man hat sich gefragt, woher diese Unterschiede kommen. Einerseits kann es tatsächlich der Effekt der IL-17-Blockade auf die Knochenneubildung gewesen sein. Andererseits kann es auch am geringeren Schweregrad der in die Studie eingeschlossenen Patienten liegen. Dass die AS heute milder verläuft (zumindest im Rahmen von klinischen Studien) als noch vor 15 Jahren, bestätigte auch eine Untersuchung, die Desirée van der Hejide diesmal auf dem EULAR vorgelegt hat. Ihre 2-Jahresdaten zeigen, dass nur ein Viertel der Patienten unter Therapie mit dem TNF-Inhibitor Certolizumab pegol eine radiografische Progression aufweist.

Dieser Bereich bleibt spannend und ich glaube, die Frage nach den krankheitsmodifizierenden Auswirkungen der Interleukin-17-Blockade werden wir nur in einer Head-to-Head-Studie klären können. Eine solche Vergleichsstudie mit Secukinumab und einem TNF-Blocker ist bereits in Planung. 

esanum: Sind neue Möglichkeiten in Sicht, um die Knochenneubildung bei der Spondyloarthritis aufzuhalten?

Poddubnyy: Adrian Ciurea aus Zürich konnte zum ersten Mal zeigen, dass eine nahezu vollständige Hemmung der Entzündung, also das Erreichen einer Remission, tatsächlich mit einer Verlangsamung der radiografischen Progression verbunden ist. Jene Patienten aus einer Schweizer Kohorte, die unter TNF-α-Blockern einen ASDAS unter 1,3 erreichten, hatten wesentlich weniger Knochenneubildungen als Patienten, die über 1,3 oder gar 2,1 lagen. Es wurde aber auch gezeigt, dass man ausreichend lange behandeln muss (vier Jahre oder länger), bis dieser Effekt eintritt. Ich vermute, dass dies auf alle effektiven antientzündlichen Medikamente, die früh im Laufe der Erkrankung eingesetzt werden, zutrifft.

esanum: Während dieser Zeit schreitet die Knochenneubildung jedoch fort?

esanum: Ja, aber die gute Nachricht ist: Sie ist nicht immer klinisch relevant. Der Patient wird meist gar nichts von solchen Knochenneubildungen merken. Und wenn man die radiografische Progression stoppen kann, bleibt die Funktion der Wirbelsäule meist ganz gut erhalten. Komplette Versteifungen wie früher sehen wir heute selten. Das hat den Nebeneffekt, dass sich orthopädische Chirurgen schon beklagen, kaum mehr Aufrichtungsoperationen durchführen zu können. Aber das ist für mich ein Hinweis, dass durch frühzeitige Intervention und wirkungsvollen Therapien die Versteifung der Wirbelsäule tatsächlich aufgehalten wird.

esanum: Seit einiger Zeit wird intensiv an den Januskinasen geforscht. Sehen sie eine Relevanz dieser Wirkstoffgruppe für die axiale Spondyloarthritis?

Poddubnyy: Das ist total spannend! Tofacitinb hatte in einer Phase-II-Studie eine recht gute Wirksamkeit für die AS gezeigt. Aus einem Grund, der für mich nicht nachvollziehbar ist, werden keine weiteren Studien mit Tofacitinib für diese Indikation durchgeführt. Das gibt anderen Januskinasehemmern die Chance, sich im Bereich der axialen Spondyloarthritis zu etablieren. Innerhalb der nächsten zwei Jahre werden wir hoffentlich die Frage endgültig beantworten können, ob die Januskinasehemmer bei Morbus Bechterew effektiv sind. Das wäre sehr wichtig, denn im Gegensatz zur RA oder zur PsA haben wir für die AS keine zugelassenen Optionen mehr, wenn die TNF-α-Hemmung oder die IL-17-Blockade ausgeschöpft sind.

esanum: Herr Professor Poddubnyy, besten Dank für das Gespräch!

Weitere Informationen zum Thema finden Sie auf unserer Rheumatologie Fachbereichsseite.