Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie und atypisches HUS

Charakteristisch für die PNH und das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) ist eine Thrombozytopenie. Im Gegensatz zur Immunthrombozytopenie (ITP) oder zum Von-Willebrand-Syndrom drohen bei PNH und aHUS und auch bei der thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) aber keine Blutungen, sondern Thrombosen.

Ein Fall für den C5-Antikörper Eculizumab

Charakteristisch für die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie (PNH) und das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) ist eine Thrombozytopenie. Im Gegensatz zur Immunthrombozytopenie (ITP) oder zum Von-Willebrand-Syndrom drohen bei PNH und aHUS und auch bei der lebensbedrohlichen thrombotisch –thrombozytopenische Purpura (TTP) aber keine Blutungen, sondern Thrombosen.

Wie die seltene aber schwerwiegende PNH und das aHUS sich differentialdiagnostisch abgrenzen und mit dem C5-Antikörper Eculizumab wirksam therapieren lassen, war das Thema eines Satelliten-Symposiums auf der GTH in Wien.

Thrombozytopenien können sowohl Thrombosen als auch Blutungen verursachen, erklärte PD Dr. Florian Langer, Hämatologe am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Bei einer Thrombozytenzahl < 100 x 109 /l liegt eine klinisch relevante Thrombozytopenie vor.

Sowohl eine verminderte Plättchenproduktion als auch eine gesteigerte Plättchendestruktion können Thrombozytopenien verursachen. Liegt eine Thrombozytopenie vor, muss man die zugrunde liegende Pathophysiologie kennen, denn nur die ermöglicht eine Diagnose mit entsprechender Therapie, betont Langer.

„Die paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie ist das Chamäleon der Inneren Medizin“, stellte Dr. Britta Höchsmann vom Institut für Klinische Transfusionsmedizin und Immungenetik in Ulm, fest. Nicht nur, dass die PNH sehr selten ist (ihre Prävalenz liegt bei 5,5 bis 15,9 auf 1.000.000), auch die Symptome und der Verlauf sind sehr variabel. Erschwerend kommt hinzu, dass der Name „Paroxysmale Nächtliche Hämoglobinurie“ irreführend ist: Denn eine Hämoglobinurie liegt bei dieser Erkrankung nur bei einem Drittel der Patienten vor, die Hämolyse ist oft chronisch und besteht auch tagsüber. Meist tritt die PNH zwischen dem 25. Und dem 45. Lebensjahr auf, das Verhältnis Männer-Frauen ist ausgeglichen.

Am Fall einer Patientin zeigte Höchsmann auf, wie schwierig die PNH zu diagnostizieren ist. Eine weibliche Patientin im Alter von 50 Jahren, stellte sich mit einer beidseitigen Lungenarterienembolie im November 2011 in der Klinik vor. Sie wies abdominelle Schmerzen auf, Dyspnoe (o.p.B: Antiphosopholipid, Lupusantikoagulanz, Protein C und S, ATIII). Die Thrombozyten lagen bei 100 G/l, der KM-Befund war nicht wegweisend. Die Patientin erhielt eine orale Antikoagulation mit Marcumar. Im März 2012 ereignete sich ein Leberversagen bei Budd-Chiari-Syndrom (Quick 17%), sie erhielt Fondaparinux.

Im Juni 2012 wurde eine Hämoglobinurie festgestellt (Leuko 5,0 G/l, Hb 9,6 g/dl, Thrombo 47 G/l; keine morphologischen Auffälligkeiten, Reti 182 G/l, LDH 1253 U/l). Die Durchflusszytometrie ergab eine GPI-Defizienz: Reti 60%, Ery 23%, Granulo 80%, Mono 80%. Die Diagnose lautete paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie.

Charakteristisch für die PNH sind eine intravasale Hämolyse, eine Thrombophilie mit der Neigung zu Thrombosen in typischer und atypischer Lokalisation sowie eine Zytopenie, die in ihrer Ausprägungsform von einer milden, subklinischen Zytopenie bis hin zu einer schweren Panzytopenie (aplastischer Anämie) reichen kann. Ursache der PNH ist eine erworbene somatische Mutation im PIG-A-Gen auf der Ebene der pluripotenten hämatopoetischen Stammzelle des Knochenmarks. Die Mortalität von PNH-Patienten ist hoch: Ohne spezifische Therapie sterben bis zu 35% der Patienten innerhalb von fünf Jahren trotz bester supportiver Therapie, die Ursachen sind thromboembolische Ereignisse (bei einem Drittel der Patienten) und Niereninsuffizienz (nicht ursächlich). Dabei ist ein großer PNH-Klon (> 50% GPI-defiziente Granulozyten) mit einem signifikant höheren Thromboserisiko assoziiert (Hall et al. Blood, 2003).

Das TE-Risiko bei der PNH ist abhängig von LDH und klinischen Symptomen. Das TE-Risiko bei Patienten mit LDH ≥ 1,5 x ULN war 7-fach größer als bei Patienten mit LDH < 1,5 x ULN (Lee et al. Int. J Hematology, 2013). Fatigue, Bauchschmerzen, Dysphagie, erektile Dysfunktion und arterielle Hypertonie treten häufig auf.

TEs können bei der PNH venös und arteriell lokalisiert sein und treten auch unter Antikoagulation auf. Eine TE kann das Erstsymptom einer PNH sein. Zwar ist die PNH-Prävalenz gering, TEs infolge einer PNH sind aber ein relevantes Mortalitätsrisiko. Denn eine VTE ist bei PNH 62-mal wahrscheinlicher als bei der Allgemeinbevölkerung.

Differenzialdiagnostisch sollte deshalb unbedingt LDH geprüft werden und auch eine mikroskopische Untersuchung erfolgen. Werden Fragmentozyten im Rahmen einer thrombotischen Mikroangiopathie entdeckt, ist das ein hämatologischer Notfall. Bei einer unauffälligen Morphologie sollte zur PNH-Diagnostik - eine Durchfluss-zytometrie aus peripherem Blut - erfolgen.

Beim Auftreten eines TE sollte dringend bei folgenden Kriterien in Richtung einer PNH gesucht werden:
- Hämolysezeichen
- Atypische Lokalisation (Sinusvenenthrombose, Budd-Chiari-Syndrom, intraabdominale Venen, dermale Thrombose)
- Zytopenie
- Kein Ansprechen auf Antikoagulation

Die einzige kurative Therapie für eine PNH ist eine allogene SZT. Doch diese weist eine hohe therapieassoziierte Mortalität auf. Als Meilenstein in der Behandlung der PNH darf deshalb die Einführung des C5-Antikörpers Soliris® (Eculizumab, Hersteller: Alexion)) 2007 betrachtet werden.

Es handelt sich dabei um eine komplementmodulierende Therapie, die die PNH-Erythrozyten vor der komplementvermittelten Hämolyse schützt.

Die oben erwähnte Patientin wird seit August 2012 erfolgreich damit behandelt. Seitdem traten keine TEs mehr auf, die Gefäße wurden rekanalisiert. Die Patientin weist keine abdominellen Schmerzkrisen mehr auf und keine Hämoglobinurie. Eine Dyspnoe zeigt sich nur bei Belastung und die Fatigue ist deutlich reduziert.

Dass auch Patienten mit einem atypischen hämolytisch-urämischen Syndrom (aHUS) von Eculizumab profitieren, führte Dr. Ralph Wendt, Oberarzt der Nephrologie am Klinikum St. Georg in Leipzig in seinem Vortrag aus.

Sowohl das HUS als auch die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) weisen eine (Verbrauchs)Thrombozytopenie, Hämolyse sowie Mikroangiopathien mit Okklusion kleinster Gefäße durch Thromben auf.

Charakteristisch für das HUS ist eine ausgeprägte Nierenbeteiligung, für die TTP wiederum eher eine schwere Thrombozytopenie. Das HUS tritt gehäuft im Kindesalter im Anschluss an eine EHEC-Gastroenteritis auf, vermittelt durch das Shiga-Toxin. Diese Variante des HUS wird auch Shiga-Toxin-E.coli-assoziertes HUS - abgekürzt STEC-HUS - genannt. Zeigt sich eine Thrombotische Mikroangiopathie kommen grundsätzlich das STEC-HUS, die TTP und das aHUS infrage.

Das aHUS ist eine sehr seltene Erkrankung. Man geht davon aus, dass pathologische Mutationen und Risikopolymorphismen in Genen, die für Proteine des Komplementsystems kodieren, hierfür ursächlich eine entscheidende Rolle spielen.

Mutationen in Genen für Faktor H, Faktor I und MCP führen am häufigsten zu einer Überaktivität des Komplementsystems und in der Folge zur Entwicklung eines aHUS.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene können gleichermaßen an aHUS erkranken. Bei etwa 50 Prozent der Patienten führt aHUS in kürzester Zeit zu einem akuten Nierenversagen mit ggf. fortdauernder Dialysepflicht. Doch das aHUS ist mehr als eine renale Krankheit, betont Wendt.

Zu einer Nierenbeeinträchtigung kommen kardiovaskulär diverse Thrombi (an verschiedenen Stellen lokalisiert) hinzu, Kardiomyopathie und Herzstillstand können auftreten. Gastrointestinal zeigen sich Diarrhoe, Erbrechen, Pankreatitis und Milzvenenverschluss und neurologisch können sich Krampfanfälle, akute disseminierte Enzephalomyelitis, Schlaganfall, TIAs, Gesichtsparalysen und Kopfschmerzen zeigen.

TTP, STEC-HUS und aHUS sicher zu unterscheiden ist eine Herausforderung. Magen-Darm-Störungen, Krampfanfälle und Verwirrtheit können Indikatoren für aHUS sowie STEC-HUS sein. Ein negativer Shiga-Toxin-Test grenzt wiederum aHUS vom STEC-HUS ab. Eine klinische Unterscheidung zwischen TTP und aHUS ist durch die Thrombozytenzahl und das Ausmaß der Nierenbeteiligung gegebenenfalls möglich: > 30.000 mm³ und S-Kreatininwerte von >150-200 µmol /l schließen die Diagnose einer schweren ADAMTS13-Defizienz - und damit eine TTP - nahezu aus.

Trotz bereits familiär bedingter, genetischer Prädisposition kommt es oft erst im Erwachsenenalter zum Auftreten eines aHUS. Häufige Auslöser können u.a. akute Infekte, Schwangerschaften, Knochenmarks- oder Stammzelltransplantationen, immunsuppresive und andere Medikamente, Krebserkrankungen, Kokainkonsum sowie systemischer Lupus erythematodes (SLE) sein.

Historisch wurde die TMA aufgrund von fehlender kausaler Therapie mit Plasmainfusionen und Plasmapherese therapiert. Seit 2011 ist Soliris® (Eculizumab) als aktuell einzige Behandlungsoption zur aHUS-Therapie zugelassen. Die Behandlung hat zu einer deutlichen Besserung der Nierenfunktion geführt, oft mit Wegfall der akuten Dialysepflicht. Der monoklonale Antikörper war bei einem breiten Patientenkollektiv wirksam, u.a. bei Patienten mit akut progredienter TMA die auf Plasmapherese nicht angesprochen hatten oder Patienten mit lange bestehendem aHUS und chronischer Nierenerkrankung (Legendre et al. NEJM, 2013).

Dosiert wird bei erwachsenen aHUS-Patienten wie folgt:

Quelle:
Satellite Symposium – Alexion: 12:30 - 14:00 Raum: Schubert 4,5, GTH Wien, 20. Bis 23. Februar 2018.