Von-Willebrand-Faktor: mehr als Träger von Faktor VIII

Der Von-Willebrand-Faktor ist ein Trägerprotein des Blutgerinnungsfaktors VIII und fängt Thrombozyten an Stellen mit Gefäßschäden ein. Seine Größe und Funktion werden dabei durch die Metalloproteinase ADAMTS13 reguliert. Ein ADAMTS13-Mangel kann zur lebensbedrohlichen Erkrankung thrombotische thrombozytopenische Purpura führen.

VWF offenbar von der Darmmikrobiota beeinflusst

Der Von-Willebrand-Faktor (VWF) ist ein Trägerprotein des Blutgerinnungsfaktors VIII und fängt Thrombozyten an Stellen mit Gefäßschäden ein. Es erfährt Konformationswechsel innerhalb der A1-Domäne und durch die Entfaltung der A2-Domäne. Seine Größe und Funktion werden dabei durch die Metalloproteinase ADAMTS13 reguliert. Ein ADAMTS13-Mangel kann deshalb zur lebensbedrohlichen Erkrankung thrombotische thrombozytopenische Purpura (TTP) führen.

Dass VWF ist aber mehr als nur ein Träger von Faktor VIII ist, das stellte Prof. Dr. Anne Goodeve, vom Department of Infection, Immunity & Cardiovascular Disease der University of Sheffield in einem State-of-the-Art Symposium auf der GTH in Wien heraus. Sie identifizierte in ihrem Vortrag drei wesentliche Strukturelemente, welche die Entfaltung der A2-Domäne steuern.

Die in den Weibel-Palade-Körperchen gespeicherten heterogenen oder auch übergroßen VWF, werden konstitutiv oder auch bei Bedarf freigesetzt Bei der Interaktion mit VWF erfährt ADAMTS13 einen Konformationswechsel, was seine Aktivität gegenüber dem Substrat erhöht. ADAMTS13 reduziert dann die Größe und blutstillende Funktion der VWF durch kontrollierte Spaltung.

VWF erkennt und bindet Kollagen, das durch Gefäßverletzungen exponiert wurde, über seine A3-Domäne. Dadurch setzt es sich an der Wunde fest, und die durch den Blutfluss neu entstehenden Scherkräfte führen dann zu einer Entfaltung in der A1-Domäne, die eine offenbaren eine Thrombozyteneinfang-Stelle offenbaren und so eine primäre Blutstillung und die Bildung eines ersten Thrombozyten-Plugs ermöglicht.

Weil die A2-Domäne über keine Domänen-umfassenden, stabilisierenden Disulfidbindungen verfügt, ist auch sie Scherkräften ausgesetzt. Dabei wurden prinzipiell drei strukturelle Elemente identifiziert, welche die A2-Domänen-Entfaltung kontrollieren.

Stabilisierende Strukturmerkmale der Von-Willebrand-Faktor-A2-Domäne

In seiner gefalteten Form bleibt die spaltbare Stelle der A2-Domäne verborgen. Der Konformationswechsel hängt von drei spezialisierten strukturellen Elementen ab:

Die Scherkräfte des fließenden Blutes lassen die Stabilität der A2-Domäne nach und nach verloren geht. Dabei wurden A2 Entfaltungsereignisse  bei auftretenden Kräften von 20 Piconewton (pN) & ein weiteres zwischen 50 pN und 120 pN beobachtet. Letzten Endes folgt dann eine vollständige Entfaltung des VWF.

Konformationsaktivierung von ADAMTS13 durch VWF

Bei der Öffnung des VWF-Dimers werden die Kationen-abhängigen Bindungen zwischen den D4-Domänen dissoziiert. Auch ADAMTS13 ist erst in voller Länge (nicht aber in seiner verkürzten MDTCS-Variante) und bei einem pH-Wert von 6 am aktivsten. Und dabei helfen die D4-Domänen des VWF, die an die beiden CUB-Domainen sowie an die TSP-8 Domäne von ADAMTS13 andocken, so das Enzym öffnen und so seine ansonsten kryptische Exosite 3 exponieren.

Die Entfaltung von VWF A2 offenbart ebenfalls kryptische Exosites, welche die Bindungsaffinität zwischen ADAMTS13 und VWF schrittweise erhöhen:

Proteolysehemmende Faktoren

Die Kristallstruktur der VWF A2-Domäne weist eine Disulfid-Bindung zwischen benachbarten Cys1669 & Cys1670 am C-Terminus der alpha6-Helix auf. Es bildet sich ein 8-gliedriger Ring, der das Rückgrat des Proteins in eine ungewöhnliche Konformation zwingt. Diese Disulfidbindung interagiert direkt mit dem hydrophoben Kern der Domäne, was darauf hindeutet, dass sie die Konformation stabilisiert.

Die A2-Domäne entfaltet sich progressiv von ihrem C-Terminus aus: von der alpha6-Helix über die beta6 zur alpha5-Helix. Die vicinale Disulfidbindung beeinflusst dabei primär die initiale Entkopplung der Alpha6-Helix und moduliert direkt die Exposition der hochaffinen ADAMTS13-Bindungsstelle. Ohne diese vicinalen Cysteine würde sich die VWF A2 Domäne wesentlich leichter entfalten und die Proteolyse deutlich schneller ablaufen.

Zusammensetzung der Darmflora beeinflusst die Blutgerinnung

Dass die Mikrobiota über die Synthese des Von Willebrand-Faktors und die VWF-Plasmaspiegel offenbar Einfluss auf die Thrombenbildung nimmt, das berichtete Prof. Dr. Christoph Reinhardt, Mainz. Die Rolle der Darmmikrobiota für die Physiologie und bei der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist bekannt. Wie sie auch Thrombosen beeinflussen können, ist bislang kaum definiert.

Um diese Muster zu untersuchen, etablierten Reinhardt et al. eine Kolonie von keimfreien Mäusen. In gnotobiotischen Mausmodellen im Thrombosecenter in Mainz werden dazu keimfreie Tiere, die ohne Kontakt zu Mikroorganismen geboren wurden, mit bekannten Mischungen oder „Cocktails“ von Darmbakterien besiedelt.

Versuch mit keimfreien Mäusen mit LDLR-Mangel

Träger eines LDLR-Mangels haben von Geburt an LDL-Cholesterolspiegel bis zu 1200 mg/ dl. Die LDLR-defizienten Tiere zeigten eine reduzierte Leukozyten-Ablagerung und Thrombogenität in Plaques der Karotisarterie. In einer anderen Serie konnten die Forscher zeigen, dass keimfreie Mäuse mit einem Mangel an Toll-like-Rezeptor 2 (TLR-2) bei einer Verletzung der Halsschlagader ein reduziertes Thrombuswachstum gegenüber Kontrollmäusen ohne diese TLR-2-Defizienz aufweisen. Keimfreie TLR2-/- und Wildtyp-Mäuse waren im Thrombuswachstum nicht zu unterscheiden, doch die Besiedlung mit Mikrobiota stellte einen signifikanten Unterschied zwischen den Genotypen wieder her.

Die Darmmikrobiota regulierte zwei kritische Faktoren, die das Thrombuswachstum in TLR2-/- Mäusen bestimmen und die Reinhardt et al. identifizieren konnten: einen reduzierten Von Willebrand Faktor-Plasmaspiegel sowie eine reduzierte VWF-Synthese speziell in den Endothelzellen der Leber. Die Folge: eine verringerte Plättchenablagerung an der verletzten Halsschlagader. Für den Effekt reichten um 50% reduzierte VWF-Plasmalevel bereits aus. Offenbar also wirkt die Darmmikrobiota auf die hepatische VWF-Synthese, die VWF-Plasmaspiegel und beeinflusst darüber die Thrombozytenablagerung an der arteriellen Verletzungsstelle.

Quelle:
State-of-the-Art: Von Willebrand factor revisited, 21. Februar 2018, GTH Wien.