Atypisches Hämolytisch-Urämisches Syndrom

Das atypische hämolytisch-urämische Syndrom (aHUS) ist eine thrombotische Mikroangiopathie, die durch den Symptomkomplex Thrombozytopenie, hämolytische Anämie und akutes Nierenversagen charakterisiert ist.

Es ist abzugrenzen vom typischen HUS (EHEC-HUS, STEC-HUS), welches bevorzugt im Kindesalter auftritt und durch Bakterientoxine (Shigatoxin) bei Infektionen, v.a. mit enterohämorrhagischen E. coli (EHEC), Shigellen oder Salmonellen verursacht wird.

Das atypische HUS tritt in etwa 10% der HUS-Fälle auf und hat eine schlechtere Prognose als das typische HUS. Die Ursache des aHUS ist ein genetischer Defekt in der Komplementregulation. Allerdings können nur bei 60–70 % der Patienten Mutationen und genetische Polymorphismen in Komplementgenen nachgewiesen werden.

Die genetischen Veränderungen betreffen sowohl die Komplementregulatoren Faktor H, Faktor I, Membrankofaktorprotein und Thrombomodulin, als auch die Komponenten der zentralen C3-Konvertase C3 und Faktor B. Sie gehen mit einer chronisch unkontrollierten Aktivierung des Komplementsystems einher.

Kinder, Jugendliche und Erwachsene können gleichermaßen an aHUS erkranken. Die Erkrankung wird häufig durch einen komplementverstärkenden Faktor wie zum Beispiel Infektionen, Durchfall, Impfungen, Organtransplantationen, Verletzungen, Operative Eingriffe, Bluthochdruck, Schwangerschaft, Entbindung, Knochenmarks- oder Stammzelltransplantationen, Immunsuppressiva und andere Medikamente, Krebserkrankungen, Kokainkonsum sowie systemischer Lupus erythematodes (SLE) ausgelöst.

Unbehandelt führt bei etwa 50 Prozent der Patienten aHUS in kürzester Zeit zu einem terminalen Nierenversagen mit Dialysepflichtigkeit oder Tod. Eine wichtige Differentialdiagnose zum typischen und atypischen HUS stellt die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura (TTP) dar, die durch eine schwere Defizienz (<5%) der von-Willebrand-Faktor spaltenden Protease ADAMTS-13 verursacht wird.

Therapeutisch sollte bei Vorliegen eines aHUS das Medikament Eculizumab gegeben werden, ein monoklonaler Antikörper gegen den Komplementfaktor C5. Bis zum Ausschluss einer TTP kann auch Plasmapherese durchgeführt werden.