Neurologische Besonderheiten der Hashimoto-Thyreoditis

Die Hashimoto-Thyreoditis zählt zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen des Menschen. Die Forschungsgruppe um Bladowska hat mittels Magnetresonanzspektroskopie den Hirnmetabolismus von Personen mit einer Hashimoto-Thyreoditis und gesunden Probanden miteinander verglichen.

Reduzierte Reflexe und Parästhesien bei Hashimoto-Thyreoditis

Die Hashimoto-Thyreoditis zählt zu den häufigsten Autoimmunerkrankungen des Menschen. Die Forschungsgruppe um Bladowska hat mittels Magnetresonanzspektroskopie den Hirnmetabolismus von Personen mit einer Hashimoto-Thyreoditis und gesunden Probanden miteinander verglichen. In einem weiteren Schritt, wurde untersucht in welchem Zusammenhang die so detektierten metabolischen Auffälligkeiten der Hirnstrukturen mit den T3-, T4- und TSH-Werten sowie den Autoantikörpern anti-TG (Antithyreoglobulin) und anti-TPO (Antikörper gegen thyreoidale Peroxidase) stehen.1

Die neurologische Untersuchung der Studienteilnehmerinnen und Studienteilnehmer führt zu folgendem Ergebnis: Bei 87% der Personen zeigten sich keine neurologischen Auffälligkeiten. Lediglich bei 13% zeigten sich milde Symptome bei Mitbeteiligung des peripheren Nervensystems, wie distal betonte Parästhesien der Beine und reduzierte Knie- und Knöchelreflexe. Mit dem Mini-Mental-Status-Test, dem Uhren-Zeichen-Test und dem Symbol-Digit-Modalities-Test war keine kognitive Einschränkungen bei den Studienteilnehmer*innen mit Hashimoto-Thyreoditis messbar gewesen.1

Die Single-Voxel- Spektroskopie lüftet metabolische Geheimnisse

Die Magnetresonanzspektroskopie ist eine in-vivo-Messmethode zur Bestimmung von Metaboliten-Konzentrationen im zu untersuchenden Körpergewebe. Die Forschungsgruppe um Bladowska hat in ihrer Studie die Single-Voxel- Spektroskopie verwendet. Mit dieser Methode kann ein Spektrum aus einem genau definierten Volumen erstellt werden. Dieses genau definierte Volumen wird auch als Voxel bezeichnet. Bei der Single-Voxel-Spektroskopie wird das Voxel auf Übersichtsbildern positioniert bevor es zur Messung kommen kann. Bladowska et al. haben die Voxel in der linksseitigen parietalen Weißen Substanz und im posterioren Gyrus cinguli platziert. Bestimmt wurden die Ratio von N-Acetylaspartat/Kreatinin, Cholin/Kreatinin und Myo-Inositol/Kreatinin. Das Volumen des Voxel betrug 8cm3.Die Messzeit für einen Voxel lag bei 3 Minuten und 45 Sekunden. 1

Der Hirnmetabolismus von Personen mit Hashimoto-Thyreoditis zeigt einige Besonderheiten

Verglichen mit der Kontrollgruppe zeigte sich eine statistisch signifikante Reduktion der Ratio von N-Acetylaspartat/Kreatinin in der linksseitigen parietalen Weißen Substanz sowie im posterioren Gyrus cinguli bei Personen mit Hashimoto-Thyreoditis. Dieses Ergebnis korrelierte positiv mit der Serumkonzentration des freien Trijodthyronins (fT3). Im Bereich des posterioren Gyrus cinguli zeigte sich eine negative Korrelation zwischen der Ratio Cholin/Kreatinin und dem freien Thyroxin (fT4) Level im Serum.1 Die Forschungsgruppe kam zu dem Schluss, dass die MR-Spektroskopie einen geeigneten und sensitiven Biomarker für frühe Veränderungen des Hirnmetabolismus bei Hashimoto-Thyreoditis darstellt. Die Studienergebnisse lassen vermuten, dass es einen biologischen Zusammenhang zwischen der reduzierten neuronalen Funktion und der Schilddrüsendysfunktion bei Hashimoto-Thyreoditis gibt.1

Hashimoto-Enzephalopathie

Bei der Hashimoto-Enzephalopathie handelt es sich um eine seltene Störung der Hirnfunktion, die mit einer Hashimoto-Thyreoditis assoziiert sein kann. Die Prävalenz liegt bei 2,1/100.000 Einwohnern. Eine autoimmune Genese wird vermutet. Noch ist unklar, ob und welche Rolle die gegen die Schilddrüse gerichteten Antikörper spielen. Da diese Tatsache noch nicht geklärt ist, bevorzugen es manche Wissenschaftler*innen, die Hashimoto-Enzephalopathie auch als Steroid-responsive Enzephalopathie bei Autoimmunthyreoditis (SREAT) zu bezeichnen. Bei Vorliegen einer Hashimoto-Enzephalopathie können die betroffenen Personen unter Desorientierung leiden sowie eine Beeinträchtigung der Kognition, der Aufmerksamkeit, des Bewusstseins und des Schlaf-Wach-Rhythmus aufweisen. Beschrieben wurde auch das Auftreten von Epilepsie, Überspanntheit, zerebraler Ischämie, Psychose, Fatigue, Tremor, Myoklonien, Ataxie und Dysarthrie. Die betroffenen Personen können auch durch eine emotionale Instabilität, eine Angststörung und einen sozialen Rückzug auffallen. Im Verlauf können sich Halluzinationen und Demenz dazugesellen. Es gibt unterschiedliche Verlaufsformen der Hashimoto-Enzephalopathie. So wird zwischen einer langsam progressiven und einer schubförmigen Hashimoto-Enzephalopathie unterschieden. Depression kann ein initiales Zeichen der progressiven Hashimoto-Enzephalopathie sein. Es müssen nicht zwangsläufig alle der vorhin beschriebenen Symptome auftreten. Ein großer Teil der Personen mit Hashimoto-Enzephalopathie ist euthyreot. Serologisch sind oft hohe Konzentrationen an antithyreoidalen Autoantikörpern nachweisbar. Im Liquor können bestimmte Proteine erhöht sein. Im Elektroenzephalogramm (EEG) sind Veränderungen der Gehirnaktivität und eine Verlangsamung der Hintergrundaktivität erkennbar. Im Fall einer Epilepsie, kann auch diese mittels EEG nachgewiesen werden. Therapeutisch kommen bei der Hashimoto-Enzephalopathie Kortikosteroide zum Einsatz. Die Dosierung ist abhängig vom Patient*innenalter, der Medikamentenverträglichkeit, dem Allgemeinzustand sowie von Vorerkrankungen. Die Therapiedauer befindet sich im Bereich zwischen einigen Monaten und 2 Jahren.  Bei fehlendem Therapieansprechen ist eine immunsuppressive Therapie mit Azathioprin oder Cyclophosphamid sowie eine Plasmapherese möglich.2-6

Anfang letzten Jahres hat die Forschungsgruppe um Simone Matozzi verschiedene diagnostische Kriterien untersucht, um ihre Relevanz für eine Prognose zum Therapieansprechen auf Kortikosteroide zu prüfen. An dieser Studie nahmen insgesamt 24 Personen teil. 14 dieser Personen waren Frauen. Das mediane Alter lag bei 48 Jahren. Jeweils 29% dieser Personen litten unter einer psychiatrischen Symptomatik und an einer Enzephalopathie. 25% der Patient*innen erlitten eine "NORSE-like" Encephalitis. NORSE steht für "New onset refractory status epilepticus". Dies ist eine Encephalitis mit einem refraktären Status epilepticus. Bei 17% zeigte sich eine limbische Enzephalitis. Ein kompletter Therapieerfolg durch Kortikosteroide war lediglich bei 31,6% Patient*innen möglich gewesen. Die Forschungsgruppe konnte zeigen, dass die Antikörper gegen die thyreoidale Peroxidase (TPO) nicht pathognomonisch für die Hashimoto-Enzephalopathie sind. Die anti-TPO-Konzentration war zwischen der Gruppe mit Hashimoto-Enzephalopathie (8,1%) und der Kontrollgruppe (8,2%) vergleichbar gewesen. Auch die Antikörper gegen die NH2-a-Enolase scheinen für die Diagnostik einer Hashimoto-Enzephalopathie nicht ausschlaggebend zu sein.7 Aktuell besteht noch großer Forschungsbedarf, um die Pathogenese der Hashimoto-Enzephalopathie gänzlich zu verstehen.

Referenzen:
1. Bladowska J. et al. (2019).  The metabolic alterations within the normal appearing brain in patients with Hashimoto’s thyroiditis are correlated with hormonal changes. Metab Brain Dis 34, 53–60 (2019). 
2. https://rarediseases.org/rare-diseases/hashimoto-encephalopathy/
3. De Holanda N. C. et al. (2011). Hashimoto’s encephalopathy: systemic review of the literature and an additional case. J Neuropsychiatry Clin Neurosci. 2011;23;384-390.
4. Endres D. et al. (2016). Steroid response encephalopathy associated with autoimmune thyroiditis (SREAT) presenting as major depression. BMC Psychiatry. 2016;16:184.
5. Taylor S. E. et al. (2003). Hashimoto’s encephalopathy. Lancet. 2003; 361:1912-1913.
6. Zhou J. Y. et al. (2017). Hashimoto encephalopathy: literature review. Acta Neurol Scand. 2017 Mar;135(3):285-290. 
7. Mattozzi S. et al. (2020). Hashimoto encephalopathy in the 21st century. Neurology. 2020 Jan 14;94(2):e217-e224.