"Schweiß-Sticker" zur Diagnostik bei cystischer Fibrose

Ein tragbares Hilfsmittel erleichtert die Sammlung und Analyse von Schweiß für die Diagnose der Mukoviszidose.

Ein tragbares Hilfsmittel erleichtert die Sammlung und Analyse von Schweiß für die Diagnose der Mukoviszidose.

Patienten mit Verdacht auf Mukoviszidose werden zunächst durch einen Gentest diagnostiziert. Die endgültige Diagnosesicherung erfordert jedoch als Goldstandard eine quantitative Analyse der Chloridwerte im Schweiß. Die bisherigen Methoden hierfür waren zuweilen umständlich und ineffizient. Wissenschaftler stellen nun eine clevere Entwicklung vor: ein "Klebchen" zur Messung der Chloridkonzentration im Schweiß.1–3

Neuartiger "Aufkleber" könnte frühere und zuverlässigere Diagnosen ermöglichen

Weltweit leben 70.000 Kinder und 100.000 junge Erwachsene mit dieser angeborenen schweren Stoffwechselerkrankung. In Europa sind etwa 50.000 und in Deutschland etwa 8.000 Patienten registriert. Damit ist die cystische Fibrose die häufigste vererbte Stoffwechselerkrankung in Westeuropa. Jährlich werden hierzulande um die 200 Kinder mit der Erkrankung geboren.4,5

Das für die Erkrankung ursächliche mutierte CFTR-Gen (CFTR = Cystic Fibrosis Transmembrane Conductance Regulator) beeinträchtigt den Salzhaushalt und damit die Leitfähigkeit der Zellmembranen. Hierdurch entsteht zäher Schleim, der die Funktion vieler Organe stören kann, zum Beispiel der Bauchspeicheldrüse, der Leber, des Darms, der Fortpflanzungsorgane und – besonders gravierend – der Lunge.
Eine frühzeitige Diagnose ist entscheidend für die Vermeidung schwerer Komplikationen sowie für die Verbesserung des Erkrankungsverlaufs und der Lebensqualität.

Das Sammeln und Analysieren von Schweiß mittels konventioneller Systeme, die am Handgelenk zu tragen sind, und Iontophorese kann eine schlechte Sensitivität aufweisen und wiederholte Tests erfordern, insbesondere bei Säuglingen mit empfindlicher Haut, die dafür oft nicht ausreichend Schweiß produzieren.

Tragbare Technologie schafft Grundlage für die Diagnose von Mukoviszidose außerhalb des klinischen Umfelds

Das neu entwickelte, selbstklebende Mikrofluidiksystem ist nur etwa 1 Millimeter dick, kann aber bis zu 141 Mikroliter Schweiß in einer Reihe von engen Röhrchen aufnehmen.
"Die enge, körpergerechte Kopplung mit der Haut unterstützt eine nahezu perfekte Effizienz bei der Schweißsammlung ohne Leckage", schreiben die Forscher in ihrer Publikation in der Zeitschrift Science Translational Medicine.3

Klinische Validierungsstudien an 51 Patienten mit Mukoviszidose und gesunden Probanden über ein Spektrum von Altersgruppen hinweg (2 Monate bis 51 Jahre) bestätigten die klinische Gleichwertigkeit im Vergleich zu bestehenden Systemen in Bezug auf die Genauigkeit und zeigten eine deutliche Reduzierung der Leckageraten.
Die mithilfe des neuartigen Aufklebers bestimmten Chloridkonzentrationen stimmten sehr gut mit den Ergebnissen des aktuellen klinischen Standardverfahrens für die Schweißsammlung, dem sogenannten Macroduct Sweat Collection System (MSCS), überein.
Zudem sammelte der Aufkleber im Durchschnitt 33% mehr Schweiß. Das MSCS lieferte bei 3 von 51 Teilnehmern zu wenig Schweiß für eine zuverlässige Chloridmessung, während der Aufkleber bei jedem Teilnehmer erfolgreich funktionierte.

Erfassung und Analyse in Echtzeit und mit farbmetrischer Ablesung

Doch damit nicht genug: im Gegensatz zu konventionellen Systemen, bei denen der aufgefangene Schweiß zur Chloridmessung in ein separates Gerät transferiert werden muss, ersannen die Entwickler eine Möglichkeit, die Chloridkonzentration direkt im Aufkleber zu messen. Hierzu fügten sie den Kanälchen des Aufklebers eine Chemikalie hinzu, die mit Chlorid reagiert und eine tiefviolette Farbe erzeugt. Je intensiver die Farbe, desto höher die Chloridkonzentration. Die Farbveränderung lässt sich mittels einer gewöhnlichen Digitalkamera in Echtzeit auswerten, ohne dass eine Schweißentnahme oder externe Analyse erforderlich ist. Die auf diese Weise durchgeführten Chloridmessungen stimmten mit denen überein, die mit dem klinischen Standardinstrument durchgeführt wurden.

Die Einführung des Schweißaufklebers für den klinischen Einsatz erfordert weitere Erprobung in größeren Studien. Die Farbveränderung kann mit einer Smartphone-Kamera abgelesen werden. Dies würde ein Mukoviszidose-Screening zu Hause ermöglichen und so den Zugang verbessern und die Kosten senken.
Ähnliche Systeme befinden sich auch für diverse andere Biomarker im Schweiß in Entwicklung, um andere Erkrankungen zu untersuchen.

Referenzen:
1. “Sweat sticker” for diagnosing cystic fibrosis. National Institutes of Health (NIH) https://www.nih.gov/news-events/nih-research-matters/sweat-sticker-diagnosing-cystic-fibrosis (2021).
2. Basson, M. Sweat sticker for cystic fibrosis. Nature Medicine (2021) doi:10.1038/d41591-021-00024-6.
3. Ray, T. R. et al. Soft, skin-interfaced sweat stickers for cystic fibrosis diagnosis and management. Sci Transl Med 13, (2021).
4. Mukoviszidose (Cystische Fibrose): Das Krankheitsbild. https://www.lungeninformationsdienst.de/krankheiten/mukoviszidose/index.html.
5. CFCH: Cystische Fibrose. http://www.cfch.ch/cystische-fibrose/.