Bayern bekommt eine weitere medizinische Fakultät

Gut 30 Jahre ist es her, dass der Freistaat Bayern eine neue medizinische Fakultät gegründet hat. Nun ist es wieder soweit. In Augsburg soll ein kommunales Krankenhaus in eine Universitätsklinik umgewandelt werden – ein Milliardenprojekt.

Gut 30 Jahre ist es her, dass der Freistaat Bayern eine neue medizinische Fakultät gegründet hat. Nun ist es wieder soweit. In Augsburg soll ein kommunales Krankenhaus in eine Universitätsklinik umgewandelt werden – ein Milliardenprojekt.

In Zeiten der Haushaltsdisziplin von Bund und Ländern ist es ein seltener Vorgang: Die bayerische Staatsregierung will Hunderte Millionen Euro in die Hand nehmen und in Augsburg eine vollständig neue medizinische Fakultät aus dem Boden stampfen. Das Konzept dafür stand bei der Tagung des Wissenschaftsrates am Freitag in Kiel auf der Tagesordnung. Eine Zustimmung des bundesweiten Gremiums zu der ungewöhnlichen Fakultätsgründung im Freistaat galt im Vorfeld der Sitzung aber bereits als relativ sicher. Im Detail will sich der Wissenschaftsrat am Montag in Berlin zu dem Projekt äußern.

Bereits in den kommenden Jahren soll die neue Augsburger Universitätsmedizin Schritt für Schritt aufgebaut werden – dies wird nach Schätzungen etwa ein Jahrzehnt dauern. Am Ende sollen etwa 100 Medizinprofessoren rund 1500 Medizinstudenten ausbilden. Ein vergleichbares Projekt gab es in Bayern zuletzt Anfang der 1980er Jahre, als der Freistaat in Regensburg eine neue medizinische Fakultät gründete. Darüber hinaus können Studenten in Bayern auch in Erlangen, Würzburg und an den beiden Münchner Unis Medizin belegen.

Für den Raum Augsburg erfüllt sich damit ein langgehegter Wunsch. Der Landkreis Augsburg und die chronisch klamme Stadt Augsburg wollen durch das Projekt auch die Verantwortung für das Klinikum loswerden. Das Haus mit mehr als 20 Einzelkliniken, 1700 Betten, einer Viertelmillion Patienten pro Jahr und 5500 Mitarbeitern wird bisher von den beiden Kommunen getragen.

Immer wieder hatten die Repräsentanten von Bayerns drittgrößter Stadt in den vergangenen Jahrzehnten in München dafür geworben, das Krankenhaus in ein Universitätsklinikum umzuwandeln. Doch bei der Landesregierung blitzten die Schwaben damit regelmäßig ab. Es gebe kein Bedarf an einer weiteren Medizinuni im Freistaat, hieß es lange.

Dies änderte sich erst 2009, als Ministerpräsident Horst Seehofer bei einem Besuch in Augsburg ins Goldene Buch schrieb: “Die Uni-Klinik kommt!!!” Auch wenn noch die Details zur Übernahme des Großklinikums verhandelt werden müssen, der CSU-Chef versprach vor einem Jahr nochmals: “2018 wird der Freistaat die Trägerschaft des Klinikums übernehmen.” Seehofer spricht von einer “Jahrhundertentscheidung” für die Region.

Schon vor dem Jahr 2018, möglicherweise noch in diesem Jahr, soll nach der Zustimmung des bayerischen Kabinetts die neue medizinische Fakultät formell aus der Taufe gehoben werden. Die 1970 gegründete Augsburger Universität hat grundsätzlich mit solchen Erweiterungen Erfahrung. “Es ist fast jedes Jahrzehnt eine neue Fakultät gegründet worden”, sagt Präsidentin Sabine Doering-Manteuffel. “Wir sind das schon gewohnt.”

Dennoch wird für die Hochschule, die derzeit etwa 20 000 Studenten zählt, die Medizinfakultät eine neue Dimension werden. Die Zahl der Professoren wird von etwa 200 auf 300 wachsen, dazu kommen mehr als 1000 neue Mitarbeiter in Verwaltung, Wissenschaft und Technik. Auf den noch freien Feldern neben dem Klinikum soll ein komplett neuer Campus entstehen. Dafür rechnet der Freistaat allein mit 270 Millionen Euro Baukosten. Danach sind für ein Jahrzehnt noch einmal 70 bis 100 Millionen Euro jährlich für Stellen und Sachmittel eingeplant. Die sechste bayerische Medizinfakultät wird also letztlich ein Milliardenprojekt.

Bislang schon gibt es in Augsburg an der Uni ein Zentrum für Interdisziplinäre Gesundheitsforschung. In der künftigen Fakultät sollen dann die Schwerpunkte “Medical Information Sciences” (Medizin-Informatik) und “Environmental Health Sciences” (Umweltmedizin) geschaffen werden. Einerseits sollen die Wissenschaftler dann Daten, wie sie heutzutage schon von den zahlreichen Gesundheits-Apps auf Handys gesammelt werden, zur Grundlage ihrer Forschung machen. Andererseits soll beispielsweise der Einfluss von Abgasen und Lärm auf Herzkrankheiten oder Demenz ergründet werden.