Charité arbeitet eigene Rolle in NS-Zeit auf

Berliner Charité beleuchtet eigene dunkle Vergangenheit: In der NS-Zeit beteiligten sich viele Mediziner an der NS-Vernichtungspolitik. Die Charité geht jetzt ihrer eigenen Geschichte zwischen 1933 und 1945 nach.

Berliner Charité beleuchtet eigene dunkle Vergangenheit

In der NS-Zeit beteiligten sich viele Mediziner an der NS-Vernichtungspolitik. Die Berliner Charité geht jetzt ihrer eigenen Geschichte zwischen 1933 und 1945 nach.

Sie waren Mediziner - und Täter: Viele Ärzte in Deutschland waren in das nationalsozialistische Ausgrenzungs- und Vernichtungssystem verwickelt. Ob bei Experimenten an Patienten, der Ausgrenzung von Kranken oder der Verfolgung jüdischer Ärzte - auch leitende Mitarbeiter der Charité und der Berliner Universität haben ihre Institute und Kliniken in den Dienst der NS-Medizin gestellt, wie der Vorstandsvorsitzende des Klinikums, Karl Max Einhäupl, am Donnerstag sagte. In einer neuen Ausstellung geht die Charité ihrer eigenen Geschichte zwischen 1933 und 1945 nach.

Mit Einzelschicksalen berichtet die Dauerausstellung im Haus der Psychiatrischen und Nervenklinik auf sieben Stationen, wie die Charité zum Handlanger der nationalsozialistischen Medizin wurde und dabei ethische und moralische Grenzen überschritt. Dokumentiert wird unter anderem die Verfolgung jüdischer Studenten und Ärzte sowie die Experimente an Patienten.

Professoren wie Werner Catel (1894-1981), der als Kinderarzt am nationalsozialistischen Mordprogramm für "unwertes Leben" beteiligt war, oder der Pathologe Berthold Ostertag (1895-1975), der an Embryos forschte, entschieden über ihre Patienten auf der Grundlage des "rassischen Konzepts" der Nazis. Catel, Autor eines auch nach 1945 benutzten Standardwerks zur Ausbildung von Kinderkrankenschwestern, konnte nach dem Krieg unbehelligt weiterarbeiten.

Die Ausstellung zitiert den amerikanisch-österreichischen Psychiater Leo Alexander (1905-1985), der an der Seite des US-Anklägers an den Nürnberger Ärzteprozessen beteiligt war. Am Anfang sei bei den Ärzten eine feine Verschiebung ihrer Grundeinstellung zum Leben gestanden. Von den chronisch Kranken hätten sie die Grenzen immer weitergezogen.

Die Ausstellung solle dazu beitragen, über die Gefährdungen der modernen Medizin nachzudenken, sagte Einhäupl. Mediziner seien ständig mit Grenzüberschreitungen in der Wissenschaft konfrontiert. Sie müssten aber immer wieder in einen Dialog treten, wo diese Grenzen nicht überschritten werden dürften, heute etwa in Fragen der Genmanipulation oder der Sterbehilfe.