Check-up 35 wird zu Check-up 18

Bereits 18- bis 35-Jährige können künftig die Gesundheitsuntersuchung absolvieren. Der gemeinsame Bundesausschuss G-BA beschließt eine Verlängerung des Untersuchungsintervalls auf drei Jahre.

Was tun gegen die deutsche Vorsorgefaulheit?

Bereits 18- bis 35-Jährige können künftig die Gesundheitsuntersuchung absolvieren. Der gemeinsame Bundesausschuss G-BA beschließt eine Verlängerung des Untersuchungsintervalls auf drei Jahre.

Künftig soll die Gesundheitsuntersuchung Check-up 35 bereits einmalig jungen Erwachsenen zwischen 18 und 35 Jahren zur Verfügung stehen. Im Gegenzug wird das Untersuchungsintervall von zwei auf drei Jahre verlängert. So hat es der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf einer Sitzung im Juli beschlossen. Die geänderte Regelung würde vor allem Hausärzte und Internisten in Deutschland betreffen, da diese für viele Patienten erster Anlaufpunkt für den Check-up sind.

Die Ausweitung auf die Gruppe der 18- bis 35-Jährigen erfolgt dem G-BA-Beschluss zufolge, um nach dem Übertritt in die Erwachsenenmedizin – der Transition – gegebenenfalls neu aufgetretene Erkrankungen oder auch gesundheitliche Risiken und Belastungen erkennen zu können. Labortechnische Blutuntersuchungen sind bei dieser Altersgruppe nur bei entsprechendem Risikoprofil vorgesehen. Eine Urinuntersuchung ist nicht geplant. Etwa 14,5 Millionen Gesundheitsuntersuchungen fanden der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zufolge im Jahr 2014 in Deutschland statt.

Auch inhaltlich ändert sich der Schwerpunkt des Check-ups. Anamnese und Beratung sollen stärker in den Vordergrund rücken. Der explizite Hinweis auf Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes und Nierenerkrankungen kommt in dem neuen Beschlussdokument nicht mehr vor. Weiterhin sollen die Ärzte bei Versicherten ab Vollendung des 35ten Lebensjahres eine körperliche Untersuchung, eine Blutdruckmessung, eine Urinuntersuchung sowie eine Bestimmung der Blutzucker- und Cholesterinwerte vornehmen. Künftig solle allerdings ein vollständiges Lipidprofil erstellt werden – inklusive Gesamtcholesterin, LDL- und HDL-Cholesterin sowie Triglyceriden. Die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) hatte in einem Positionspapier eine Ausweitung gefordert.

Risiken von onkologische Erkrankungen

Die untersuchenden Mediziner sollen die Patienten künftig auch zu bestehenden familiären Vorbelastungen und Risiken für onkologische Erkrankungen wie Brustkrebs, malignes Melanom und Darmkrebs befragen. Mit Risk-Charts sollen kardiovaskuläre Risiken systematisch erfasst werden, wenn dies aus ärztlicher Sicht angezeigt ist. Auch der Impfstatus solle geprüft und zu einer Nachimpfung motiviert werden. Insgesamt soll der Arzt in Zukunft stärker auf Gesundheitsrisiken wie Adipositas, Bewegungsmangel, Alkoholmissbrauch, Nikotinabusus und dauerhafte emotionale Belastungsfaktoren hinweisen sowie den Patienten Möglichkeiten vorstellen, diesen präventiv entgegenzuwirken.

Professor Tilman Sauerbruch, Vorsitzender der Arbeitsgruppe IQWiG/G-BA der DGIM und ehemaliger Leiter der Medizinischen Klinik I am Universitätsklinikum Bonn, bemängelt an dem neuen Beschluss, dass der G-BA beschlossen habe, den "Harnstreifentest" beizubehalten und keine zusätzliche Kreatinin-Bestimmung im Serum vorsehe. "Das ist nicht konsequent. Nur die Kombination aus Urin- und Serum-Untersuchung erlaubt eine klare Diagnose und Klassifizierung klinisch nicht auffälliger Nierenerkrankungen. Auch hat die DGIM für eine strukturierte Anamnese und Befund-Erfassung plädiert. Damit wäre es auch möglich, mit größerer Sicherheit Hinweise auf häufige, aber seltenere gut behandelbarer Erkrankungen zu bekommen, um nach ihnen dann gezielt zu suchen."

Insgesamt plädiert Sauerbruch für die Beibehaltung der Gesundheitsuntersuchung, da sie für den Aufbau und Erhalt einer vertrauensvollen Arzt-Patienten-Beziehung förderlich sei. "Der Gesundheits-Check zu Beginn des Erwachsenenalters erlaubt auch die frühere Abklärung von Tabak-Konsum, Fehlernährung oder Bewegungsmangel. Die deutsche Leitlinie empfiehlt die Untersuchung auf eine familiäre Hypercholesterinämie (LDL-Cholesterin) bei der U9-Untersuchung. Der vorgezogene Check, der ja auch ein Lipidprofil enthält, ermöglicht solche Patienten mit einer familiären Belastung zu detektieren", erklärt Sauerbruch. Hinter der Verlängerung des Untersuchungsintervalls vermutet er unter anderem Kostengründe als Motiv. In Ländern wie Österreich, den USA und Kanada beginnen breit angesetzte Gesundheitsuntersuchungen ebenfalls meist ab 18 Jahren.

Sinnvoll oder nicht?

Der Gesundheitscheck genießt den Ruf, insbesondere von älteren Menschen mit guter Bildung und denjenigen wahrgenommen zu werden, die sowieso auf ihre Gesundheit achten, indem sie Sport treiben und sich bewusst ernähren. Eine dänische Studie hatte bereits 2012 ergeben, dass unspezifische Check-ups keinen Einfluss auf die Sterberaten bei Krebs oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen hätten. Sinnvoller seien gezielte Untersuchungen wie zum Beispiel die Krebsvorsorge beim Frauenarzt.

Problem: Die Vorsorgebereitschaft in Deutschland ist insgesamt nicht besonders ausgeprägt. Aktuelle Zahlen der Techniker Krankenkasse (TK) zeigen zwar, dass mehr als 58 Prozent der über 20-jährigen Frauen sich 2017 bei ihrem Gynäkologen auf Krebs durchchecken ließen. Doch besonders Männer in Deutschland präsentieren sich als Vorsorgemuffel. So hätten beispielsweise nur 27 Prozent der Männer über 45 die von den Krankenkassen bezahlte jährliche Krebsfrüherkennung für Prostatakrebs in Anspruch genommen. "Das ist eine Entwicklung, die bereits seit Jahren anhält", erklärt Mathias Brunner, TK-Experte für ambulante Leistungen. "Allerdings haben auch die Frauen in Punkto Krebsfrüherkennung in den letzten drei Jahren nachgelassen."

In Kraft tritt der Beschluss des G-BA nach Prüfung im Bundesgesundheitsministerium und Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Danach bleiben dem Bewertungsausschuss sechs Monate, um die Vergütung festzulegen, bevor Patienten Anspruch auf die überarbeitete Untersuchung haben. Zwischen Anfang und Mitte 2019 könnten Durchführung und Abrechnung des geänderten Check-ups damit möglich sein.

Abrechnungshinweis: Die Abrechnung der Gesundheitsuntersuchung erfolgt bisher nach EBM-Nr. 01732 und wird mit 32,28 Euro vergütet. Ärzte müssen die Ergebnisse des Check-ups nicht mehr auf dem Formular 30 ("Berichtsvordruck Gesundheitsuntersuchung") dokumentieren. Die Dokumentation erfolgt ausschließlich in der Patientenakte.