COPD-Patient mit Hypertonie: Welche Blutdruckmittel sind geeignet?

Was ist die häufigste Komorbidität bei COPD-Patienten? Wenn Sie jetzt auf die Hypertonie getippt haben, liegen Sie richtig.

COPD-Patient mit Hypertonie: Welche Blutdruckmittel sind geeignet?

Was ist die häufigste Komorbidität bei COPD-Patienten? Wenn Sie jetzt auf die Hypertonie getippt haben, liegen Sie richtig. Nach internationaler Zählung rangiert der Bluthochdruck mit 28% vor Diabetes mellitus (14%) und ischämischer Herzkrankheit (10%). Da stellt sich die Frage: Ist die Hypertonie anders zu behandeln, wenn gleichzeitig eine COPD vorliegt? Welche Antihypertensiva kommen in Betracht und welche nicht?

ESH-Update 2016

Eine aktuelle Antwort darauf gibt die europäische Fachgesellschaft für Hypertonie (European Society of Hypertension, ESC). Zwischen 2000 und 2016 hat sie 63 wissenschaftliche Newsletter zum Update für das Hypertonie-Management publiziert. Die Nummer 62 widmet sich der Bluthochdruck-Behandlung bei COPD-Patienten. Das Update wurde auch beim ESH-Jahreskongress 2016 vorgestellt.

Der pathophysiologische Zusammenhang zwischen COPD und Hypertonie liegt auf der Hand: Die bronchiale Obstruktion führt zur Hypoxie, die die Bildung freier Radikale und eine endotheliale Dysfunktion fördert und damit auch die Entstehung des Bluthochdrucks begünstigt. Zudem können die üblicherweise inhalierten Wirkstoffe – Anticholinergika, Beta-2-Agonisten und Kortikosteroide – Herzfrequenz und Blutdruck beeinflussen. Damit ist ein Gefahrenpotenzial in Richtung Angina pectoris und Herzinfarkt gegeben.

Die COPD ist als eigenständiger Risikofaktor für die KHK bekannt. Das Risiko für ein kardiovaskuläres Ereignis ist für komorbide Patienten um das Zwei- bis Dreifache erhöht. Für die COPD und die Hypertonie gibt es jeweils eine eigene Leitlinie, nicht aber für die Komorbidität. Was ist also für die therapeutische Praxis zu beachten?

Welches Blutdruckmittel ist am effektivsten?

Wie zu erwarten hat die COPD Auswirkungen auf die richtige Wahl der antihypertensiven Medikation, die ja bei der Mehrheit der Patienten eine Kombination verschiedener Wirkstoffe erfordert. Zum einen können manche Blutdruckmittel die Situation von Atemwegen und Lunge ungünstig beeinflussen. Zum anderen sind Wechselwirkungen zwischen den COPD- und Hypertonie-Therapeutika zu beachten.

Welches Blutdruckmittel am effektivsten ist, lässt sich bisher nicht bestimmen. Dazu mangelt es an RCT-gestützter Evidenz. Kardioselektive Betablocker können die kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität von Hypertonikern mit COPD senken. Dieses Ergebnis entsprechender Meta-Analysen betonen die ESC-Autoren gleich vorneweg.

Diuretika:

Normalerweise gelten sie bei der antihypertensiven Therapie als ein idealer Kombinationspartner für RAS-Blocker. Nicht so bei COPD-Patienten. Bei ihnen wird der allgemeine Gebrauch von Diuretika zur Blutdrucksenkung nicht unbedingt empfohlen. Es besteht die Gefahr, dass sie die hypokaliämischen Effekte von Betamimetika und Steroiden verstärken und damit das arrhythmogene Risiko erhöhen.

Thiazide, sonst gerne bei Hypertonikern verschrieben, haben mehrere ungünstige Effekte: Sie verschlimmern eine metabolische Alkalose bei hypoventilierten Patienten, erhöhen den Hämatokrit und verschlechtern die Schleimbildung, wodurch das Abhusten erschwert wird.

Dank ihres entwässernden Effekts senken Diuretika andererseits das Risiko für eine erneute stationäre Einweisung bei Herzinsuffizienz, einer häufigen Komplikation sowohl der COPD als auch des Bluthochdrucks. In bestimmten Situationen, etwa bei einer Stauungsinsuffizienz, sind sie auch bei COPD-Patienten unverzichtbar. Außerdem können Diuretika das vaskuläre Remodeling in der Lunge inhibieren. Unter Acetazolamid wurde eine verbesserte Ventilation bei obstruktiver Atemwegserkrankung beobachtet, bei Indapamid neben der Blutdrucksenkung auch eine verbesserte Lungenfunktion.

Furosemid können Sie bei hypervolämischen Patienten einsetzen und bei solchen mit schwerer chronischer Nephropathie (eGFR < 30 ml/min/m2). Auch ohne vorhandene Studienergebnisse kann man für kaliumsparende Diuretika wie Amilorid und Triamteren oder Aldosteron-Antagonisten (Spironolacton) einen potenziellen Nutzen vermuten: Sie können die durch Thiazide verursachte Hypokaliämie antagonisieren.

Betablocker:

Da knüpfen wir jetzt an unseren letzten Beitrag an. Betablocker können, wie bei der Herzinsuffizienz, auch beim Bluthochdruck trotz obstruktiver Atemwegserkrankung durchaus indiziert sein. Das gilt für die „kardioselektiven“ ß1-Blocker und solche mit zusätzlicher Wirkung, wie z.B. Celiprolol mit seiner leichten Beta-2-Affinität und Nebivolol, das die Freisetzung von Stickstoffmonoxid in den Endothelzellen stimuliert.

Die selektiven Betablocker führen zu einer Aufregulation der Beta-2-Rezeptoren und verstärken damit, im Gegensatz zu unselektiven Betablockern, die bronchodilatierende Wirkung der inhalativen Beta-2-Agonisten. Wie Studien zeigen, korrelieren die selektiven Betablocker nicht nur mit erhöhten Überlebenschancen, sondern auch mit verminderten Exazerbationsraten, ungeachtet der Schwere der Atemwegsobstruktion. Bei kardial dekompensierten Patienten erwiesen sie sich sogar als einziger signifikanter Prognosefaktor für die Mortalität. Bekommen COPD-Patienten mit Herzinfarkt nach ihrer Entlassung Betablocker verordnet, wirkt sich das positiv auf ihre Gesamtsterblichkeit aus.

Kalziumantagonisten:

Diese Wirkstoffgruppe ist bei COPD-Patienten grundsätzlich indiziert. Kalziumantagonisten entspannen die glatte Muskulatur in den Bronchien und bremsen den FEV1-Abfall. Sie potenzieren die medikamentöse Bronchodilatation durch Beta-2-Agonisten und reduzieren die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität. Einen Nachteil gibt es aber auch: Es kann zu einem verschlechterten Perfusion-Ventilations-Quotient und damit zu verstärkter Hypoxie kommen. Deshalb sollten Sie die Sauerstoffsättigung beim Einsatz von Kalziumantagonisten überwachen.

RAS-Blocker:

Ihr Einsatz ist sinnvoll, da hypoxämische Zustände die Aktivität des Renin-Angiotensin-Systems (RAS) erhöhen. Neben der kardiovaskulären Risikominderung ist für ACE-Hemmer auch eine niedrigere Rate an COPD-induzierten Hospitalisationen nachgewiesen. Sie können den hypokaliämischen Effekt von Beta-2-Agonisten reduzieren.

Allerdings können ACE-Hemmer bekanntlich einen quälenden Hustenreiz auslösen. Nachteilig ist auch ihre Tendenz zur Verschlimmerung oder sogar Induzierung von Asthma-Zuständen. Die erhöhte Verfügbarkeit von Bradykinin (Husten) und Substanz P (Bronchokonstriktion) wird für dieses unerwünschte Profil verantwortlich gemacht. Dadurch ergeben sich Vorteile für AT1-Antagonisten, die praktisch keinen Hustenreiz und nur sehr selten  ein angioneurotisches Ödem verursachen.

Alphablocker:

Alpha-1-Rezeptorblocker werden von COPD-Patienten gut vertragen und beeinflussen ihre Atemwegsfunktion nicht. Prazosin kann teilweise Kaltluft-bedingte Bronchokonstriktionen verhindern. Alpha-2-Rezeptorblocker sind bei Hypertonikern mit COPD dagegen nicht zu empfehlen, da sie Histamin-induzierte Bronchospasmen verstärken.

Alpha- und Betarezeptorenblocker:

Labetalol verändert den Atemwegswiderstand nicht, während Carvedilol eventuell Bronchospasmen verstärkt. Bei COPD-Patienten mit Herzinsuffizienz wurde jedoch unter diesem unselektiven Betablocker, der zusätzlich auch α1-Adrenozeptoren blockiert, keine Verschlechterung der Lungenfunktion beobachtet.

Last not least der Hinweis zu Urapidil und Moxonidin: In Anbetracht ihres Wirkprofils scheint der Einsatz dieser Substanzen bei COPD-Patienten problemlos möglich und potenziell nützlich zu sein.

Fazit für die Praxis:

 Referenz:

Farsang C et al. Treatment of Hypertension in Patients With Chronic Obstructive Pulmonary Disease (COPD). European Society of Hypertension – Scientific Newsletters: Update on Hypertension Management. 2016;17:nr.62.