Hebammen sehen ihre Existenz durch teure Haftpflicht bedroht

Eine Geburt ist mit Risiken verbunden. Dagegen müssen sich Hebammen absichern. Doch diese Haftpflicht wird immer teurer. Das bringt Hebammen in Not, sagt ihr Verband – und warnt vor den Folgen für Schwangere und junge Mütter.

Eine Geburt ist mit Risiken verbunden. Dagegen müssen sich Hebammen absichern. Doch diese Haftpflicht wird immer teurer. Das bringt Hebammen in Not, sagt ihr Verband – und warnt vor den Folgen für Schwangere und junge Mütter.

Hebammen sehen sich von steigenden Haftpflichtprämien zunehmend in ihrer Existenz bedroht. Der nach langem Streit erzielte höhere Ausgleich für freiberufliche Hebammen mit Geburtshilfe ist für den Deutschen Hebammenverband nur ein Tropfen auf den heißen Stein. “Die Prämien werden weiter steigen”, sagte Präsidentin Martina Klenk der Deutschen Presse-Agentur in Karlsruhe. Die nächste Erhöhung kommt am Freitag (1. Juli). Notwendig ist aus Sicht des Verbandes eine “grundsätzliche Lösung”, die alle in der Geburtshilfe Tätigen einschließt, auch Gynäkologen.

“Wir brauchen eine Lösung über die gesetzliche Unfallversicherung, in die alle einzahlen und aus der Geschädigte Geld bekommen, oder einen steuerfinanzierten Haftungsfonds, aus dem Geschädigte im Notfall Geld bekommen”, betonte Klenk.

Versicherungsprämien steigen weiter

Am Freitag steigt die Versicherungsprämie von derzeit 6274 auf 6843 Euro im Jahr, 2017 soll sie dem Verband zufolge gar auf 7639 Euro erhöht werden. Allein von der Prämie ab Juli müssten Hebammen mindestens 1954 Euro selbst stemmen – trotz des mit den Kassen ausgehandelten Sicherstellungszuschlags, nach dem die Hebammen einen Teil des Geldes wieder zurückbekommen sollen.

“Das ist keine Lösung”, sagte Klenk – nicht nur vor dem Hintergrund, dass der Ausgleich verspätet und nur unter bestimmten Bedingungen ausbezahlt werde. Denn die Prämien werden nach ihrer Prognose immer weiter steigen. “Und das nicht, weil wir schlampig arbeiten oder mehr Fehler machen. Durch die medizinischen Möglichkeiten leben Menschen mit Geburtsfehler länger.”

Wenige, aber dafür sehr teure Schäden in der Geburtshilfe

In der Geburtshilfe entstehen verhältnismäßig wenig Schäden, dafür aber sehr große. Nach Angaben des Verbandes der Deutschen Versicherer GDV machen Schäden mit mehr als 100 000 Euro Leistungsumfang bei Hebammen mehr als 90 Prozent des gesamten Schadenvolumens aus. Ist ein Kind durch einen Geburtsfehler schwer geschädigt, leistet der Versicherer im Schnitt laut GDV heute 2,6 Millionen Euro. Von 2003 bis 2012 seien die Ausgaben für schwere Geburtsschäden um fast 80 Prozent gestiegen.

Weil Hebammen sich die laufenden Kostensteigerungen nicht mehr leisten könnten, geben sie Klenk zufolge seit Jahren “reihenweise” die risikoreiche Geburtshilfe auf – mit Folgen für Schwangere und junge Mütter. “Es droht eine dramatische Unterversorgung in der Geburtshilfe und in der Wochenbettbetreuung.”

“Wir haben schon jetzt massive Versorgungsengpässe in Kliniken, die mit freiberuflichen Beleghebammen arbeiten, bei Hausgeburten und in Geburtshäusern”, sagte Klenk. “In Großstädten wie auf dem Land.” So habe erst vor kurzem das Geburtshaus Fulda geschlossen. Eine Reihe von Geburtshäusern biete nur noch Schwangerenvorsorge, Wochenbettbetreuung und Rückbildungsgymnastik an. “Frauen müssen für eine Geburt schon jetzt teils lange Wege in Kauf nehmen.”

1991 gab es in Deutschland nach Angaben von Klenk noch 1186 Kliniken mit Geburtshilfe, 2010 waren es noch 807 und 2014 nur noch 725. Dies habe mit den Finanznöten der Kliniken zu tun, aber auch damit, dass es schlicht zu wenig Hebammen gebe. Sechs Hebammen, die für einen Schichtbetrieb nötig seien, gebe es oft nicht.

Ob freiberuflich oder in der Klinik angestellt – der Hebammenverband mit seinen rund 19 500 Mitgliedern klagt schon lange über schwierige Arbeitsbedingungen. “Wir werden trotz der hohen Verantwortung unangemessen bezahlt”, sagte Klenk. Auf Effizienz wollen sich Hebammen nicht trimmen lassen: “Eine Geburt braucht Zeit. Das geht nicht mit Effizienz, sonst produziert man Risiken.”