“Ich habe den Spielort und nicht den Beruf gewechselt”

Im Interview mit esanum erklärt der Allroundkünstler und studierte Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen, warum er die Mind-Body-Medizin für wichtig hält, sich selbst immer noch als Arzt sieht und

Im Interview mit esanum erklärt der Allroundkünstler und studierte Mediziner Dr. Eckart von Hirschhausen, warum er die Mind-Body-Medizin für wichtig hält, sich selbst immer noch als Arzt sieht und wie er in seinem neuen Bühnenprogramm Alternativ- und Schulmedizin verbindet

Dr. Eckart von Hirschhausen ist vermutlich der Arzt mit der größten Fernsehpräsenz in Deutschland. Seine Spezialität: Medizinische Inhalte in humorvoller Art und Weise zu vermitteln und zum Lachen anzureden. Seit über 15 Jahren ist er als Komiker, Autor und Moderator außerordentlich erfolgreich in den Medien und auf allen großen Bühnen Deutschlands unterwegs – aktuell mit seinem Programm „Wunderheiler“. Von Hirschhausen moderiert in der ARD die Wissensshows „Frag doch mal die Maus“ und „Hirschhausens Quiz des Menschen“. Seine Stiftung HUMOR HILFT HEILEN setzt sich für mehr Freude und Lachen in Krankenhäusern ein. Denn „Lachen ist gesund“, betont von Hirschhausen im Interview mit esanum.

esanum: Herr Dr. von Hirschhausen, Sie haben Medizin studiert, sind aber als Komiker, Moderator und Kabarettist unterwegs. Welche Fähigkeiten hat Ihnen das Medizinstudium für Ihre spätere Karriere vermittelt?

von Hirschhausen: Ich habe ja nach meinem Medizinstudium zunächst im Krankenhaus gearbeitet. Damals gewann ich die Erkenntnis, dass man viele Krankheiten, mit denen ich dort konfrontiert wurde, leicht verhindern könnte. An diesem Wendepunkt habe ich mich gefragt, ob ich nicht besser früher ansetze, bevor die Menschen erkranken. Wenn ich heute auf der Bühne stehe und an einem Abend 3.000 Menschen erreiche, dann ist das inhaltlich gar nicht so viel anders, als wenn ich etwas den Patienten in einer Klinik für Psychosomatik erzählen würde. Doch dort müsste ich mit jedem einzeln reden, wofür ich einfach viel zu ungeduldig bin. Und wenn mir heute im Fernsehen Millionen Menschen zuhören, dann hätte ich für den gleichen Effekt in der Klinik sehr viele Jahre gebraucht. Ich habe also neue Verbreitungswege entwickelt, um Menschen klar zu machen: Viele unserer körperlichen und seelischen Probleme haben mit der Lebensführung zu tun, und damit, wie wir mit uns und anderen umgehen.

esanum: Wenn Sie auf die Entwicklungen der modernen Medizin blicken: Welche Innovationen begeistern Sie besonders?

von Hirschhausen: Die Mind-Body-Medizin, die Yoga- und Achtsamkeitsmediation aus der Esoterik-Ecke herausgeholt hat und mit wissenschaftlichen Studien zeigt, wie wirksam eine regelmäßige Pflege von Körper und Geist sind. So wie es heute selbstverständlich ist, sich die Zähne zu putzen, so wird es hoffentlich in der nächsten Generation selbstverständlich sein, etwas für seine seelische Gesundheit zu tun. Ein paar mentale Fäulnisbelege aus den schwer zugänglichen Hirnwindungen zu putzen lohnt sich. Und am einfachsten lernt man die Grundtechniken dazu bereits in der Schule.

esanum: Wie stellen Sie sich einen perfekten Arzt vor?

von Hirschhausen: Kommt sehr darauf an, worum es geht. Die Spaltung der Medizinwelten spiegelt eine Spaltung innerhalb jedes Menschen wieder. Einerseits wollen wir den Medizinmann, der sich umfassend und individuell um alle meine sozialen, seelischen und körperlichen Belange gleichermaßen kümmert. Und wenn es aber ernst wird, soll plötzlich der Superspezialist ran. Man braucht rund zehn Jahre um zu wissen, wie man eine Operation macht. Und weitere zehn Jahre, um zu wissen, wann man sie auch nicht macht. „The Art of Medicine is to do as much nothing as possible!“ Die Kunst der Medizin ist so viel NICHTS zu machen, wie es geht.

esanum: Was ärgert Sie persönlich bei Arztbesuchen?

von Hirschhausen: Dass leider meist mehr geröntgt als geredet wird. Sprache in der Medizin wirkt wie ein Medikament. Ein guter Arzt ist auch immer ein guter Kommunikator. Zuhören, die wichtigen Fragen stellen und dann Klarheit und Hoffnung zu vermitteln, das ist die Kunst. Sprache ist hierfür das entscheidende Werkzeug. Aber da wird in der Ausbildung so getan, als ob das jeder könnte – Unsinn! Auch später bekommen Ärzte leider zu wenig Rückmeldung über ihr Handeln. Das wäre aber sehr wichtig, um zu überprüfen, wie gut oder eben nicht gut ein Arzt behandelt. Nur weil sich keiner beschweren kommt, heißt es nicht, dass alle Fallschirme funktionieren. Deshalb unterstütze ich auch das Bewertungsportal „aerzte-gut-finden.de“, um die guten Ärzte zu belohnen und den weniger engagierten einen Anreiz zu geben. Denn Ärzte sind ja gerne gut!

esanum: Warum haben Sie sich dagegen entschieden, Ihre medizinische Laufbahn weiterzuverfolgen?

von Hirschhausen: Wie kommen Sie darauf, dass ich das nicht mehr tue? Durch meine Stiftung HUMOR HILFT HEILEN habe ich sehr viel Kontakt zu Krankenhäusern. Ich bin zwar aus der täglichen Versorgung und der Routinearbeit als Arzt raus, aber den Kontakt zur Medizin habe ich immer gehalten und werde viel für Kongresse und Vorträge gebucht. An der Uni Gießen habe ich sogar einen Lehrauftrag, einer neuen Generation von Medizinstudenten den Wert von verständlicher Sprache und von Humor in der Kommunikation näher zu bringen. So gesehen, habe ich nie den Beruf gewechselt, sondern nur den Spielort. Bleibt nur noch die Frage: Wann werden die Eintrittskarten zu meinem Programm von der Kasse übernommen?

esanum: Was genau macht Ihre Stiftung HUMOR HILFT HEILEN?

von Hirschhausen: Begonnen haben wir vor fünf Jahren mit der Unterstützung von Clowns in Krankenhäusern. Inzwischen machen wir sehr viel Workshops für Pflegekräfte und Forschung, zum Beispiel. über die Wirkung von Humortrainings nach einem Schlaganfall bei Erwachsenen, oder bei psychosomatischen Herzpatienten oder auch über die Interaktion in der Altenpflege. Auch das Online-Training „glueck-kommt-selten-allein.de“ haben wir mit Professor Tobias Esch bei gestressten Call-Center-Mitarbeitern erfolgreich eingesetzt und hochrangig publiziert. Es tut sich etwas, leider noch außerhalb von öffentlichen Forschungsgeldern. Die positiven Wirkungen des Lachens muss man ernst nehmen, so absurd es klingt. In den letzten Jahren gibt es eine Revolution in den Gesundheitswissenschaften und der Psychologie. Endlich wird nicht nur geschaut, was die Menschen krank macht, sondern auch, was sie gesund hält und vor seelischen Belastungen schützt. Und da sind Humor, seine eigenen Stärken kennen und nutzen sowie stabile Freunde die zentralen Schutzfaktoren. Es freut mich, dass auch Ärzte inzwischen den Wert der Selbstfürsorge und der eigenen Seelenhygiene erkennen, gerade weil die äußeren Umstände viele Idealisten demotivieren. Ich möchte nicht in einem Krankenhaus liegen, wo alle innerlich auf der Flucht sind. Mit vielen kleinen Stellschrauben lässt sich oft eine heilsame Stimmung erzeugen, für alle Beteiligten!

esanum: Ihr aktuelles Bühnenprogamm „Wunderheiler“ versucht zwischen Schul- und Alternativmedizin zu vermitteln, wie geht das?

von Hirschhausen: Ich bringe Humor in eine Debatte, die an einen absurden Glaubenskrieg erinnert. Wir können mehr Magie und mehr Wissenschaft wagen, und es ist kein Widerspruch. Solange die wissenschaftliche Medizin so wenig von der Psychologie der Heilung, dem Wert von Worten und Ritualen weiß und nutzt, werden Patienten zu sehr viel unqualifizierteren Anbietern abwandern. Auf der Bühne fängt mein Pianist an zu schweben, einem Zuschauer entferne ich schamanistisch den Blinddarm und so zeige ich mit Kunststücken, wie schnell wir uns täuschen und warum wir oft Dinge für wirksam halten, die es nicht sind. Und ich erinnere an das Wunder, was jeder von uns ist. Wir bewundern Jesus, dass er in der Lage war, Wasser zu Wein zu verwandeln. Aber ist es nicht mindestens so erstaunlich, dass unser Körper in der Lage ist, über Nacht aus dem ganzen Wein wieder Wasser zu machen?

Foto: Frank Eidel

Interview: Volker Thoms