Insiderin gesteht im Fall von millionenschwerem Pflegebetrug

Durchbruch im Prozess um systematischen Pflegebetrug: Eine Angeklagte hat die Vorwürfe vor Gericht weitgehend gestanden. Zuvor hatte sie mit dem Gericht ihre Strafe absprechen können.

Durchbruch im Prozess um systematischen Pflegebetrug

Im Prozess um millionenschweren systematischen Betrug in der ambulanten Pflege hat eine Angeklagte als Kronzeugin ein Geständnis abgelegt. Zuvor hatte die 41-Jährige ihre Strafe mit dem Gericht abgesprochen. Im Gegenzug für ihr Geständnis, sollte es sich als umfassend und wahr erweisen, hatte ihr der Vorsitzende Richter eine Strafe von höchstens drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis zugesagt. Die Ex-Geschäftsführerin eines ambulanten Pflegedienstes berichtete daraufhin am Mittwoch über die illegalen Praktiken.

Bei der Pflege von Patienten sollen die neun Angeklagten in großem Stil mit falschen Abrechnungen mindestens 8,5 Millionen Euro ergaunert haben. Ihnen wird gewerbs- und bandenmäßiger Betrug vorgeworfen, der mit bis zu zehn Jahren Gefängnis bestraft werden kann. Die meisten der Beschuldigten stammen aus Russland und der Ukraine.

Auf dem Papier sei sie zwar die alleinige Eigentümerin und Geschäftsführerin eines Pflegedienstes gewesen, tatsächlich hätten ihr aber nur 40 Prozent gehört, berichtete die Kronzeugin. Weil sie dennoch allein in Vorleistung habe treten müssen, sei sie rasch mit 90.000 Euro verschuldet gewesen. Auf legale Weise sei der Dienst aber nicht aus den roten Zahlen gekommen. Es sei zu Streitigkeiten gekommen.

"Ich saß voll in den Schulden", sagte sie. Schließlich hätten ihr die anderen Gesellschafter vorgeschrieben, wie sie abrechnen soll: Eine Gruppe Patienten sei von da an nicht mehr so oft aufgesucht worden wie angegeben. Die Patienten und Mitarbeiter hätten mitgespielt, dafür aber die Hand aufgehalten und Schwarzgeld kassiert.

So seien teure Kompressionsstrümpfe und tägliche Medikamentengabe abgerechnet worden, tatsächlich sei nur der Blutdruck gemessen worden. Viele Patienten seien im Spätdienst und an den Wochenenden gar nicht mehr aufgesucht worden.

Dafür seien nun die Ausgaben für Schwarzgeld aus dem Ruder gelaufen. "So konnte es nicht mehr weitergehen. Ich war pleite", sagte die Angeklagte. Als sich das Finanzamt zu einer Betriebsprüfung ankündigte, habe auch noch der Steuerberater sein Mandat gekündigt: Bei den eingereichten Belegen handele es sich um Scheinrechnungen von Scheinfirmen. Er werde dabei nicht helfen, habe er ihr gesagt.

Dank eines neuen Miteigentümers habe sie die Prüfung dennoch überstanden. Bei einer Qualitätsprüfung habe ihr Dienst sogar die Note "sehr gut" bekommen. "Die Prüferin war sehr zufrieden."

Ende 2013 seien dann die Strohmänner hinter den Scheinfirmen wegen Drogenhandels verhaftet worden. Es sei erneut zum Streit gekommen. "Ich hatte die Jahresabschlüsse unterschrieben, sollte für die Machenschaften geradestehen, wollte aber aussteigen. Es war mir zu viel." Schließlich habe sie aber weitergemacht und eine Krankentransportfirma gefunden, mit deren Hilfe unauffälligere Scheinrechnungen für das Schwarzgeld erstellt wurden.

Mit den übrigen acht Angeklagten gelang keine Vereinbarung. Das Gericht hatte Bewährungs- und Haftstrafen bis über fünf Jahre Gefängnis im Gegenzug für Geständnisse angeboten. Bundesweit stehen 230 ambulante Pflegedienste unter Verdacht, betrügerisch abgerechnet zu haben. Nach einer früheren Schätzung des Bundeskriminalamts (BKA) könnten den Sozialkassen mindestens eine Milliarde Euro Schaden pro Jahr entstanden sein.