Lungenentzündung: Schwachstelle von Pneumokokken identifiziert

Forscher der Universität Greifswald und des Forschungszentrums Borstel entschlüsseln einen grundlegenden Mechanismus der Zellwandbiosynthese beim wichtigsten bakteriellen Erreger von Lungenentzündungen.

Deutlich verminderte Virulenz der Bakterien ohne Lipoteichonsäure

Forscher der Universität Greifswald und des Forschungszentrums Borstel entschlüsseln einen grundlegenden Mechanismus der Zellwandbiosynthese beim wichtigsten bakteriellen Erreger von Lungenentzündungen. Die Ergebnisse wurden diese Woche in der Fachzeitschrift "Nature Communications" veröffentlicht und stellen einen vielversprechenden Therapieansatz bei der Bekämpfung von Pneumokokken-Infektionen dar.

Nahezu jeder Mensch muss sich im Laufe seines Lebens mit Pneumokokken (Streptococcus pneumo-niae) auseinandersetzen. Dieses Bakterium besitzt die Fähigkeit, die Schleimhäute des oberen Atmungstraktes symptomlos zu kolonisieren und gehört damit zur Normalflora des Menschen. Gefürchtet sind die durch Pneumokokken verursachten schwerwiegenden Infektionen. Zu diesen gehören zum Beispiel die außerhalb des Krankenhauses erworbenen und lebensbedrohlichen Pneumonien oder Sepsis. Hiervon besonders betroffen sind Kinder im Alter von unter fünf Jahren sowie ältere oder immungeschwächte Menschen.

Obwohl Impfstoffe gegen Pneumokokken verfügbar sind, bleibt die Zahl der Neuerkrankungen seit Jahren auf einem stabil hohen Niveau. Dies liegt unter anderem an den derzeit eingesetzten Impfstoffen, die noch nicht gegen alle relevanten Pneumokokken-Stämme schützen. Erschwerend kommt hinzu, dass zunehmend Resistenzen gegen verschiedene Antibiotika auftreten, die eine Behandlung von Infektionen deutlich erschwert. Pneumokokken gehören laut der Weltgesundheitsorganisation WHO derzeit zu den zwölf gefährlichsten Bakterien für die Menschheit.

Um neue und effektive Therapien gegen Pneumokokken-Infektionen zu entwickeln, müssen Schwachstellen des Erregers identifiziert werden, durch die die Virulenz und/oder Lebensfähigkeit des Erregers entscheidend verringert werden kann. Enzyme der Zellwandbiosynthese sind hervorragende Targets für eine antimikrobielle Therapie, da nur Bakterien mit intakter Zellwand überleben und dem Immunsystem entkommen können.

Lipoteichonsäure als Angriffspunkt

In einer gemeinsamen Studie haben nun zwei Wissenschaftlerteams unter der Leitung von Dr. Nicolas Gisch aus der Forschungsgruppe Bioanalytische Chemie vom Forschungszentrum Borstel – Leibniz Lungenzentrum und Prof. Dr. Sven Hammerschmidt, Leiter der Abteilung Molekulare Genetik und Infektionsbiologie der Universität Greifswald, die Lipoteichonsäure-Ligase, ein Schlüsselenzym der Teichonsäure-Biosynthese, als ein solches Zielmolekül identifiziert. Teichonsäuren sind wichtige makromolekulare Zuckerbestandteile der Zellwand Gram-positiver Bakterien und bei Pneumokokken auch für die Verankerung von speziellen Oberflächenproteinen verantwortlich, die an der Kolonisierung und Virulenz des Erregers beteiligt sind.

Basierend auf der Strukturanalyse der Pneumokokken-Teichonsäuren mittels Kernspinresonanzspektroskopie (NMR) und Massenspektrometrie (MS) konnten die Wissenschaftler neue Details ihrer Biosynthese sowie ihrer Verankerung auf der Zellwandoberfläche aufklären. Die Forscher identifizierten das finale Enzym der Lipoteichonsäure-Biosynthese der Pneumokokken, die Lipoteichonsäure-Ligase (TacL). Sie zeigen, dass das Fehlen des Enzyms TacL zu einem vollständigen Verlust der Lipoteichonsäuren in der Zellwand des Bakteriums führt.

Die so generierten Pneumokokken-Stämme weisen nach Wachstum in Nährmedien unter Laborbedingungen eine unveränderte Zellmorphologie und Physiologie auf. "Überraschenderweise zeigten Pneumokokken, die keine Lipoteichonsäuren mehr herstellen konnten, eine deutlich reduzierte Anheftung an humane Epithelzellen in zellkulturbasierten Infektionsexperimenten", so Professor Hammerschmidt von der Universität Greifswald. Darüber hinaus konnten die Forscher zeigen, dass Pneumokokken ohne Lipoteichonsäure eine deutlich verminderte Virulenz in verschiedenen in vivo Infektionsmodellen aufweisen. 

"Die identifizierte Lipoteichonsäure-Ligase ist in allen Pneumokokken-Stämmen enthalten und in artverwandten Streptokokken sind ebenfalls verwandte Enzyme zu finden", erklärt Dr. Nicolas Gisch vom Forschungszentrum Borstel. "Daher ist das Enzym TacL ein interessantes Ziel für die Suche nach geeigneten pharmakologischen Substanzen, die neue Therapiemöglichkeiten bei durch Pneumokokken verursachten Lungenentzündungen eröffnen."

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