Mangelhafte ärztliche Kommunikation als Auslöser für Klagen

Eine Analyse von 280 Schlichtungsfällen aus dem Fachbereich Plastische Chirurgie legt nahe, dass nicht nur "echte Behandlungsfehler" und Schäden, sondern vor allem Kommunikationsprobleme zwischen Ärzten und Patienten juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen.

Zeitdruck in Kliniken Ursache für "kommunikativen Diskrepanz"?

Eine Analyse von 280 Schlichtungsfällen aus dem Fachbereich Plastische Chirurgie legt nahe, dass nicht nur "echte Behandlungsfehler" und Schäden, sondern vor allem Kommunikationsprobleme zwischen Ärzten und Patienten juristische Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Ergebnisse hierzu liefert ein aktueller Beitrag in der Fachzeitschrift "Handchirurgie, Mikrochirurgie und Plastische Chirurgie".

Der Norddeutschen Schlichtungsstelle in Hannover lagen im Jahr 2016 rund 4.000 Schlichtungsanträge vor. Von diesen wurden rund 800 bis zum Ende des Kalenderjahres abschließend bearbeitet. Die Gutachter bewerteten hiervon etwa 71 Prozent als unbegründet, nur in rund 29 Prozent der Fälle hielten sie die Haftungsansprüche für gerechtfertigt. "In Anbetracht dieser Ergebnisse liegt die Vermutung nahe, dass die eingehenden Schlichtungsanträge nicht ausschließlich Reaktionen auf tatsächliche ärztliche Behandlungsfehler sind", erklärt die Humanmedizinerin Isabell Binter von der Medizinischen Hochschule Hannover.

Für ihre Promotion untersuchte sie deshalb, inwieweit Elemente der ärztlichen Kommunikation Einfluss auf die Zufriedenheit von Patienten und somit auf die Eröffnung von Schlichtungsverfahren haben. In die Untersuchung flossen 280 Fälle aus dem Fachbereich der Plastischen Chirurgie aus den Jahren 2005 bis 2015 ein. Die vorgenommenen Eingriffe beinhalteten sowohl ästhetische als auch medizinisch induzierte Operationen.

Ein häufiger Anlass für Beschwerden waren Kommunikationsstörungen in der Klinik. Als solche wertete sie alle Ereignisse, die auf einer "kommunikativen Diskrepanz" zwischen dem behandelnden Personal und dem Patienten beruhten. Die vorliegenden Akten lieferten ihr dafür die Belege: So beklagte sich eine Patientin, die nach einer Brustkrebsoperation ein Implantat erhalten hatte, über den Zeitmangel der Ärzte. Die Visiten seien zu kurz ausgefallen, sie habe niemals eine Chance auf ein offenes Gespräch gehabt und den behandelnden Arzt habe sie nach der Operation nicht mehr gesehen. Bei der Frau wurde wegen eines zu großen Implantates und einer Pflasterallergie eine zweite Operation notwendig. Die Schlichtungsstelle hielt einen Haftungsanspruch daher für gerechtfertigt. "Bei einer besseren Kommunikation hätte der Arzt dies vielleicht verhindern können", erklärt Isabell Binter.

In einem anderen Fall war eine Frau nach einer Narbenkorrektur am Bauch mit dem Ergebnis unzufrieden. Außerdem war es zu Wundheilungsstörungen gekommen. Ein Haftungsanspruch bestand nach Ansicht der Schlichtungsstelle nicht. Die Akteneinsicht zeigt nach Einschätzung von Binter, dass die Frau sich weniger über eine verunglückte Narbe als über das Verhalten der Mediziner geärgert hatte. In ihrer Beschwerde beklagte sie sich darüber, dass einzelne Ärzte die Patienten wie Luft behandelten und nicht auf ihre Sorgen eingingen. Damit würden sie jedoch keine Probleme lösen, sondern neue schaffen.

Fehler sowohl in der Erstversorgung als auch Nachbehandlung

Binter entdeckte in 53,6 Prozent aller Beschwerdefälle Kommunikationsfehler im Rahmen der Erstbehandlung. Fast immer war der Arzt der Hauptverursacher: Häufig fühlten sich die Patienten nicht ernst genommen (30,9 Prozent) oder sie beklagten, dass kein Arzt für Gespräche verfügbar war (12,2 Prozent). Auch Beleidigungen oder ein respektloser Umgang (8,5 Prozent), eine unzureichende Information (8,5 Prozent) oder eine fehlende Aufklärung zur Sicherheit der Operation (8,1 Prozent) haben nach Einschätzung von Binter dazu beigetragen, dass Patienten sich an die Schlichtungsstelle wandten.

Die Studie fördert jedoch auch Kommunikationsdefizite in der Nachbehandlung zutage: In fast 44 Prozent der untersuchten Fälle suggerierte der nachbehandelnde Arzt eine Fehlbehandlung in der Erstversorgung. "Selbst wenn nachbehandelnde Ärzte ihren Kollegen keine Fehlbehandlung unterstellen wollten, könnten Patienten ihre Aussagen dahingehend interpretieren", erklärt Isabell Binter. Demnach sollten auch sie auf eine klare Kommunikation mit den Patienten achten.

Lediglich in 26,4 Prozent der untersuchten Fälle, lagen keine anderen Auslöser als die von den Patienten vermuteten beziehungsweise vorliegenden Schäden vor. Viele der Beschwerden hätten nach Einschätzung von Binter daher durch eine bessere Kommunikation verhindert werden können. Ein einfühlsamer Umgang mindere die Unzufriedenheit und senke das Risiko für mögliche juristische Auseinandersetzungen, erklärt die Medizinerin.

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