Nach 100 Jahren entschlüsselt: So funktioniert der Insulinrezeptor

Knapp 100 Jahre nach der Entdeckung des Insulins konnte ein deutsch-amerikanisches Forscherteam zeigen, wie genau das Hormon seinen Rezeptor aktiviert. Die Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun im "Journal of Cell Biology".

Neue Erkenntnisse dank Nanodisc-Technologie und Elektronenmikroskop

Knapp 100 Jahre nach der Entdeckung des Insulins konnte ein deutsch-amerikanisches Forscherteam zeigen, wie genau das Hormon seinen Rezeptor aktiviert. Die Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler nun im "Journal of Cell Biology". Für das Projekt hatten Autoren des Paul-Langerhans-Instituts Dresden des Helmholtz Zentrum München am Universitätsklinikum Carl Gustav Carus der TU Dresden mit Kollegen der New Yorker Rockefeller University kooperiert.

Das Hormon Insulin steuert sowohl den Stoffwechsel als auch das Wachstum. Ist diese Funktion gestört, kann das zu schweren Krankheiten wie Diabetes mellitus oder Krebs führen. Die biologischen Wirkungen des Hormons werden durch ein passendes Protein auf der Zelloberfläche vermittelt – den sogenannten Insulinrezeptor. In der aktuellen Studie konnten die Forschenden nun aufklären, wie der Rezeptor reagiert, sobald das Insulin an ihn an der Zelloberfläche bindet. Bisher war bekannt, dass Insulin außen an der Zelle bindet und die Form des Rezeptors auf der Innenseite sich daraufhin verändert, um das Signal weiterzugeben. Die Art der Strukturänderung blieb jedoch jahrzehntelang ein Rätsel, was dazu führte, dass widersprüchliche Modelle für die Aktivierung des Insulinrezeptors aufgestellt wurden.

"Um Einblicke in die Rezeptoraktivierung zu erhalten, haben wir vollständige, humane Insulinrezeptoren aufgereinigt und diese in sogenannte Nanodiscs eingebettet. Das sind wenige Nanometer große scheibenförmige Miniaturmembranen, welche dann direkt unter dem Elektronenmikroskop sichtbar gemacht werden konnten", erklärt Doktorandin Theresia Gutmann, Co-Erstautorin der Studie.

"Durch die Nanodisc-Technologie konnten wir also den Insulinrezeptor in einer künstlichen Membran direkt beobachten", erklärt Dr. Ünal Coskun, Gruppenleiter am IPI/PLID und Co-Seniorautor der Studie. "In Abwesenheit von Insulin weist der Rezeptor die Gestalt eines umgekehrten 'U' auf und hält so die beiden Enden voneinander getrennt. Allerdings müssen genau diesen beiden Enden – sogenannte Kinasedomänen – für die Signalweitergabe zusammengeführt werden." "Bindet nun aber das Insulin, erfolgt eine dramatische Reorganisation und der Rezeptor nimmt eine T-förmige Struktur an, wodurch sich die Kinasedomänen berühren und sehr wahrscheinlich die Signalübertragung auslösen", führt Dr. Thomas Walz, Professor an der Rockefeller University, weiter aus.

Dr. Coskun ordnet die Studie ein: "Die in Nanodiscs eingebetteten Rezeptoren bieten eine vollkommen neue Möglichkeit, um weitere Fragen bezüglich der Insulinrezeptoraktivierung zu beantworten und potenziell therapeutische Wirkstoffe in definierten Umgebungen zu untersuchen." Den Forschern zufolge zeigten die Ergebnisse direkt die strukturellen Änderungen im vollständigen Rezeptor bei Insulinbindung und bieten somit eine Antwort auf die seit langem bestehende Frage nach dem Mechanismus, mit dem Insulin seinen Rezeptor aktiviert.