Nebenwirkungen von Effizienzsteigerungen in Krankenhäusern

Effizienzsteigernde Maßnahmen in Krankenhäusern können mitunter unvorhergesehene Nebenwirkungen hervorrufen.

Effizienzsteigernde Maßnahmen in Krankenhäusern können mitunter unvorhergesehene Nebenwirkungen hervorrufen

Da Krankenhäuser ständig versuchen, effektive und effiziente Arbeitsweisen zu entwickeln, könnten sogenannte Call-Systems bei der Aufrechterhaltung der Qualität der medizinischen Versorgung und finanziellen Stabilität ein wichtiges Mittel darstellen. In einem neuen Bericht, der unlängst im American Journal of Medicine veröffentlicht wurde, wird eine 10 Jahre lange Studie beschrieben, die von und in einem großen Lehrkrankenhaus in Toronto, Kanada, durchgeführt wurde. In ihr konnte gezeigt werden, dass eine gut gemeinte Änderung in der Personaleinsatzplanung in einer um 26% höheren Wiederaufnahmerate endete – ein unbeabsichtigtes und negatives Ergebnis für sowohl Patient als auch Krankenhaus. Geleitet wurde die Studie von Donald A. Redelmeier, MD, von der Abteilung für Medizin an der Universität von Toronto.

Die medizinische Praxis ist ein Paradox der Nachhaltigkeit und Kontinuität. Nachhaltigkeit bedeutet in diesem Fall, dass ein Arzt aufgrund seiner persönlichen Bedürfnisse und endlichen Ausdauer nicht zu allen Zeiten seiner Arbeit zur Verfügung stehen kann. Die Kontinuität bedeutet hier, dass ein Patient es vorzieht jedes Mal durch den selben Arzt behandelt zu werden, um das Verständnis ihm gegenüber zu verbessern und Übergabefehler zu vermeiden. Dieses Paradoxon ist in der Akutmedizin allgegenwärtig und nach den jüngsten Änderungen der Arbeitspläne in den Vereinigten Staaten und Kanada besonders wichtig. Eine Situation für die es gegenwärtig keine einfache Lösung gibt.

Studie an großem Lehrkrankenhaus durchgeführt

Das Sunnybrook Health Sciences Center ist ein großes Lehrkrankenhaus mit über 10.000 Patientenentlassungen pro Jahr. Die Patientenaufnahmen wird genau wird wie die Patientenversorgung von Teams bestehend aus behandelnden Ärzten, Senior-Residents, Junior-Residents, und Medizinstudenten durchgeführt; Jedes Team ist für 15 bis 25 stationäre Patienten verantwortlich. Im Jahr 2009 änderte die Abteilung für allgemeine und Innere Medizin des Krankenhauses die Organisation und Zusammensetzung der einzelnen Ärzteteams. Zuvor wurden die Teams nach einem sogenannten konzentrierten- oder Bolus-System eingesetzt. Dies bedeutete, dass Teams während einer Schicht immer zusammen blieben –  insgesamt vier Teams deckten somit einen 24-Stunden-Zeitraum ab. Nach der neuen Anordnung werden die Senior- und Junior-Residents aus jedem Team nun in eine der vier Schichten getrennt voneinander eingeteilt und arbeiten so mit Kollegen aus anderen Teams zusammen.

Dieses verteilte System wurde ursprünglich eingeführt, damit den Patienten jeden Tag ein Mitglied aus jedem Ärzteteam zur Verfügung steht. Theoretisch sollte dies die Kontinuität der Versorgung verbessern und zu einer Verringerung der Wiederaufnahmezahlen beitragen.

Forscher untersuchten Wiederaufnahmerisiko

Die Studie untersuchte den Zeitraum von Januar 2004 bis Dezember 2013 und bestimmte währenddessen die Wiederaufnahmeraten für 89.697 aufeinanderfolgenden Patientenentlassungen. 37.982 Patienten waren dabei vor dem Systemwechsel eingeschlossen worden, währenddessen die restlichen 51.715 im Rahmen des neuen Systems behandelt wurden. Im Folgenden errechneten die Studienleiter, mit Hilfe des sogenannten LANCE-Scores, für jeden Patienten die Wahrscheinlichkeit, mit der es bei ihm zu einer Wiederaufnahme kommen würde. Dabei kamen sie zu dem Ergebnis, dass das neue Call-System die Anzahl der Wiederaufnahmen um ganze 30% erhöhte. Ein deutlicher Anstieg, der über viele verschiedene Patientengruppen (Alter, Wiederaufnahmerisiko, medizinische Diagnosen) hinweg konstant blieb. Der Nettoeffekt des neuen Systems entsprach am Ende der Studie in etwa 7240 zusätzlichen Aufenthaltstagen im Krankenhaus. Bezüglich der Sterblichkeit der Probanden gab es keinerlei signifikante Veränderungen.

Zur Kontrolle der Ergebnisse, untersuchten die Forscher auch die Wiederaufnahmerisiken in einem nahe gelegenen Kontroll-Krankenhaus ohne Call-System. Dort ließ sich im Studienzeitraum keine ähnliche Zunahme beobachten.

Dr. Redelmeier, der die Daten am Institut für Clinical Evaluative Sciences analysiert hat, ist der Meinung, dass die Gesamtheit der Ergebnisse zeigt, dass die gut gemeinten und gut aufgenommenen Änderungen unbeabsichtigte, unerwünschte sowie unerkannte Folgen nach sich gezogen haben.

Die Forscher warnen jedoch eindrücklich vor einer vorschnellen Abschaffung des neuen Systems. Der beobachtete Anstieg der Wiederaufnahmen weist nicht eindeutig nach, dass das verteilte System tatsächlich gescheitert ist und wieder in das konzentrierte Modell umgekehrt werden muss. Der Anstieg der Wiederaufnahmen führte weder zu einer verschlechterten Patientensterblichkeit noch zu einer erhöhten Arbeitsbelastung für die umliegenden Krankenhäuser. Auch kam es zu keiner Abnahme der Arbeitnehmerzufriedenheit im Gesundheitswesen. Dr. Redelmeier betont, dass ihre Daten darauf hindeuten, dass das verteilte Call-System in erster Linie ein anderes Gleichgewicht zwischen Nachhaltigkeit und Kontinuität geschaffen hat. Weitere Untersuchungen werden von Nöten sein, um es zukünftig effektiv zu verbessern.