Neue EU-Verordnung verschärft Marktbeobachtung von Medizinprodukten

Forscher der Universität Witten/Herdecke legen erstmals detaillierte Zahlen zur Medizinprodukte-Beobachtung vor. Verbesserungspotenziale sehen sie bei der Nutzung von produktspezifischen Daten aus der klinischen Versorgungspraxis.

So sind in Deutschland tätige Hersteller aufgestellt

Forscher der Universität Witten/Herdecke legen erstmals detaillierte Zahlen zur Medizinprodukte-Beobachtung vor. Verbesserungspotenziale sehen sie bei der Nutzung von produktspezifischen Daten aus der klinischen Versorgungspraxis.

Medizintechnik-Hersteller sind gesetzlich verpflichtet, die Sicherheit ihrer Produkte auch nach der Markteinführung weiter systematisch zu beobachten – wie die Branche dieser Verpflichtung tatsächlich nachkommt, war bisher jedoch weitgehend unbekannt. Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko und Dr. Claus Zippel von der Universität Witten/Herdecke haben nun erstmals Daten zur Nutzung von entsprechenden Beobachtungsinstrumenten durch in Deutschland tätige Medizinprodukte-Unternehmen veröffentlicht.

"Insgesamt sind die Hersteller in diesem Bereich relativ breit aufgestellt", fasst Dr. Claus Zippel die Ergebnisse der bundesweiten Expertenbefragung zusammen. Besonders häufig werden sicherheitsrelevante Produktinformationen durch unternehmensinterne Wissensquellen sowie Literaturscreening, Beobachtungs- und Meldesysteme, Kundenkontakt und Marktanalysen gewonnen. Luft nach oben gibt es in der Branche dagegen bei der Nutzung von Daten, die über den Einsatz der Produkte in der Patientenversorgung gewonnen werden, etwa mittels klinischer Medizinprodukte-Studien oder Register.

Medizinische Produkte und ihre Risikoklassen

Aufgrund der großen Unterschiede innerhalb der Branche haben die Forscher die Ergebnisse nach Unternehmensgrößen und Risikogruppen analysiert. Ein weiteres Ergebnis der Wissenschaftler: Je höher die Risikoklasse der hergestellten Produkte, desto intensiver setzen die Hersteller im Schnitt die Instrumente zur Marktbeobachtung ein. Dies erscheint sinnvoll – schließlich unterliegen riskantere Produkte wie künstliche Hüft- und Kniegelenke sowie Herzschrittmacher oder implantierbare Defibrillatoren strengeren gesetzlichen Vorschriften zur Sicherstellung der Produktsicherheit und -leistungsfähigkeit als solche aus der Gruppe mit dem geringsten Risiko wie beispielsweise OP-Textilien oder Verbandsmaterial. "Die Daten geben erstmals detaillierte Einblicke darüber, wie Wissen über den Einsatz der Produkte in der Praxis gewonnen wird. Die Unternehmen können unsere Ergebnisse dazu nutzen, ihre im Qualitäts- und Risikomanagement eingesetzten Methoden mit dem Branchenschnitt zu vergleichen", so Zippel. Ermittelt wurden die Ergebnisse durch eine bundesweite Befragung von Qualitätsmanagement-Experten aus der Medizintechnik.

Die Ergebnisse zur Ist-Situation in der deutschen Medizintechnik erscheinen kurz nach dem Inkrafttreten der neuen europäischen Medizinprodukte-Verordnung. Diese wurde infolge mehrerer großer Medizinprodukte-Rückrufe zu künstlichen Hüftgelenken und Brustimplantaten durch die EU-Mitgliedsstaaten und den Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments nach jahrelangen Verhandlungen verabschiedet. "Die Pflicht zur systematischen Überwachung von Medizinprodukten wird durch die neue europäische Gesetzgebung ausdrücklich gestärkt", kommentiert Prof. Dr. Sabine Bohnet-Joschko, die an der Universität Witten/Herdecke zu Management und Innovation im Gesundheitswesen forscht. "Die Studienergebnisse bieten eine Grundlage für weitere Untersuchungen zum Qualitäts- und Risikomanagement in der Medizintechnik." Von Forschungen zum sicheren Medizinprodukte-Einsatz profitieren neben den Herstellern besonders die Patienten in der klinischen Versorgung.