Pflegekräfte stehen Schlafmitteln äußerst unkritisch gegenüber

Eine Umfrage zeigt, dass Pflegekräfte eher bereit sind, Schlafmittel einzusetzen als Ärzte. Langzeitabhängigkeiten können im Krankenhaus entstehen.

Eine Umfrage zeigt, dass Pflegekräfte eher bereit sind, Schlafmittel einzusetzen als Ärzte. Langzeitabhängigkeiten können im Krankenhaus entstehen.

Patienten mit Schlafstörungen erhalten im Krankenhaus häufig Medikamente aus den umstrittenen Wirkstoffgruppen der Benzodiazepine und der sogenannten Z-Substanzen. Einer Umfrage zufolge wäre das Pflegepersonal häufiger bereit, die Mittel einzusetzen als Ärzte. Lediglich 30 Prozent unter ihnen sah den Einsatz der Medikamente kritisch, berichten Experten in der Fachzeitschrift “DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift” aus dem Georg Thieme Verlag.

Benzodiazepine wie Diazepam, besser bekannt unter dem Markennamen Valium, können Stürze und Unfälle verursachen und das Denken beeinträchtigen. Bei längerer Einnahme kann es zur Abhängigkeit kommen. Für ältere Menschen mit Begleiterkrankungen wie Demenz, Atemstörungen oder einer Neigung zur Substanzabhängigkeit sind sie nicht geeignet. Benzodiazepine stehen deshalb auch auf der PRISCUS-Liste, die solche Medikamente aufführt, deren Anwendung bei älteren Menschen mit Bedacht erfolgen sollte. Die Liste erwähnt auch die sogenannten Z-Substanzen Zolpidem und Zopiclon. Sie wurden anfangs als sicherer eingestuft, werden zwischenzeitlich aber von vielen Experten ebenfalls kritisch betrachtet.

Bedenken hinsichtlich der genannten negativen Nebenwirkungen teilt das Klinikpersonal häufig nicht. So bergen Krankenhausaufenthalte das potentielle Risiko für den erstmaligen Einsatz von Benzodiazepinen und Z-Substanzen, befürchtet Vivien Weiß vom Institut für Allgemeinmedizin an der Universität Göttingen. Die Versorgung im Krankenhaus könnte zu Folgeverordnungen führen und der Beginn einer gefährlichen Langzeiteinnahme sein. Die Forscherin hat deshalb Ärzte und Pflegepersonal einer Fachklinik für Alterskrankheiten dazu befragt, wie sie die Schlafmittel und deren Einsatz einschätzen.

Benzodiazepine bergen Abhängigkeitsrisiko

Mit 57 Prozent glaubten mehr als die Hälfte der Pflegekräfte, dass bei Schlafstörungen häufig oder immer Benzodiazepine eingesetzt werden. Bei den Z-Substanzen lag der Anteil sogar bei 66 Prozent. Dagegen schätzten nur 29 Prozent der Ärzte, dass Benzodiazepine und Z-Substanzen häufig verwendet werden. Knapp die Hälfte war der Ansicht, dass Benzodiazepine eher schaden als nützen. Diese Meinung teilten unter den Pflegenden nur knapp 30 Prozent. Insgesamt beurteilten beide Berufsgruppen die Z-Substanzen besser. Etwa 29 Prozent der Ärzte und rund 18 Prozent der Pflegekräfte erklärten, dass der Schaden auch bei ihrem Einsatz überwiege. Insbesondere auf nicht-chirurgischen Stationen sowie bei Ärzten und Pflegekräften mit einer Berufserfahrung unter fünf Jahren sei die Einstellung zu den Schlafmitteln unkritisch, stellte Vivien Weiß fest.

Die Forscherin konnte nicht prüfen, wie häufig die Schlafmittel tatsächlich verordnet wurden. Da es sich um verschreibungspflichtige Medikamente handelt, darf das Pflegepersonal sie nicht eigenmächtig verordnen. Die Abgabe der Mittel erfolgt jedoch in aller Regel durch das Pflegepersonal. Da Krankenschwestern und -pfleger deutlich mehr Zeit mit den Patienten verbringen und oft der erste Ansprechpartner sind, dürften sie einen Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Ärzte haben, nimmt Vivien Weiß an. Sie sieht deshalb insbesondere beim Pflegepersonal, aber auch bei Ärzten mit geringer Berufserfahrung einen Fortbildungsbedarf. In einem nächsten Schritt will die Forscherin durch eine Sichtung von Patientenakten das tatsächliche Verordnungsgeschehen überprüfen. Dabei soll auch untersucht werden, ob die Klinikärzte das Mittel in den Entlassungsbriefen empfehlen. Schließlich könnte dies der Beginn einer langfristigen Einnahme und damit einer Abhängigkeit sein, befürchtet die Forscherin.

Originalquelle:

V. Weiß, S. Heinemann, W. Himmel, R. Nau, E. Hummers-Pradier: Benzodiazepine und Z-Substanzen als Schlaf- und Beruhigungsmittel in einem Krankenhaus Anwendung aus der Sicht des ärztlichen und pflegerischen Personals. DMW Deutsche Medizinische Wochenschrift 2016; 141 (13); e121–e126
Foto: Piotr Marcinski / Shutterstock