75 Jahre, männlich und HIV-positiv

Moderne antiretrovirale Therapien (ART) drängen das HI-Virus mittlerweile zuverlässig unter die Nachweisgrenze zurück. Menschen mit HIV haben somit eine nahezu unbeeinträchtigte Lebenserwartung, inklusive des Risikos für eine spätere Pflegebedürftigkeit.

Depression und kognitive Störungen sind häufige Begleiter

Moderne antiretrovirale Therapien (ART) drängen das HI-Virus mittlerweile zuverlässig unter die Nachweisgrenze zurück. Menschen mit HIV haben somit eine nahezu unbeeinträchtigte Lebenserwartung, inklusive des Risikos für eine spätere Pflegebedürftigkeit. Eine aktuelle Studie aus Frankreich hat sich im Vorfeld der CROI 2020 einmal den Gesundheitszustand von Menschen mit HIV im mittleren Alter von > 75 Jahren etwas genauer angesehen: Viele Betroffene leiden unter Komorbiditäten, die es in der Versorgung zu addressieren gilt. 

In ihre Multicenter-Beobachtungsstudie schlossen die Forschenden insgesamt 51 Personen mit HIV im medianen Alter von 78,7 Jahren ein. Knapp 75% der Teilnehmenden waren männlich, in 41,2% dieser Fälle erfolgte die ursprüngliche HIV-Infektion über homosexuelle Kontakte und lag im Mittel rund 19 Jahre zurück. Der  mediane CD4-Nadir betrug 181 Zellen/mm3. Alle Patienten erhielten eine ART, in deren Folge 98% der Männer eine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze (HIV-RNA < 50 c/ml) erreichten.

Hohe Rate an psychischen und kognitiven Begleiterkrankungen

Zwar leiden Männer oberhalb des 75. Lebensjahres auch ohne eine HIV-Infektion unter zunehmender Gebrechlichkeit und verschiedenen Komorbiditäten, jedoch scheint es für Menschen dieses Alters, wenn noch eine HIV-Infektion hinzukommt, eine Häufung vor allem kognitiver und psychologischer Erkrankungen zu geben.

So litten 82% der Männer mit HIV erwartungsgemäß unter mindestens einer Komorbidität. Jeder zweite Betroffene (58%) lebte sogar mit zwei Komorbiditäten. Jeder Fünfte (21,6%) zeigte ein erhöhtes Risiko für Altersgebrechlichkeit, der Zustand von rund 4% wurde bereits als "gebrechlich" eingeschätzt. 61% der Männer mir HIV litten zudem unter kognitiven Einschränkungen, 35% waren depressiv. Mangelernährung betraf sogar jeden vierten Teilnehmer, 46% mangelte es an ausreichend Vitamin D.

Fazit für die Praxis

Insgesamt zeigten die Ergebnisse, dass auch ältere Menschen mit HIV über die moderne ART gut versorgt sind und in der Mehzahl der Fälle eine Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze erreichen. Allerdings besteht ein hohes Maß an Begleiterkrankungen, insbesondere im kognitiven und psychischen Bereich, die in jedem Fall einer regelmäßigen Kontrolle und Behandlung bedürfen. Auf der CROI 2020 wird zudem gerade auch die mentale Gesundheit von Menschen mit HIV einen besonderen Schwerpunkt bilden.

Originalpublikation: ​​​​​​
Bernaud C et al., Médecine et Maladies Infectieuses 2020; 50(1): 43-48