Ärzte stehen bei der Therapie von Hepatitis C weiterhin vor Kosten-Nutzen-Abwägung

“Direct Acting Antivirals” (DAAs) weisen bei mehreren Genotypen von Hepatitis-C-Viren (HCV) SVR-Raten von deutlich über 90 Prozent auf. Die Diskussion über die Behandlungskosten konnte

“Direct Acting Antivirals” (DAAs) weisen bei mehreren Genotypen von Hepatitis-C-Viren (HCV) SVR-Raten von deutlich über 90 Prozent auf. Die Diskussion über die Behandlungskosten konnte der hohe therapeutische Nutzen bisher nicht beenden.

Der Einsatz von DAAs hat die Behandlung der chronischen Hepatitis C revolutioniert. Die direkt am Virus angreifenden Substanzen haben dazu geführt, dass bei der jahrzehntelang nur mit erheblichen Nebenwirkungen zu behandelnden Erkrankung inzwischen genotypübergreifend SVR-Raten (SVR: Sustained virological response) von weit über 90 Prozent erreicht werden. Auf den 16. Münchner Aids- und Hepatitis-Tagen diskutierten die Mediziner im Symposium “Hepatitis C – think different!” deshalb auch längst nicht mehr den grundsätzlichen medizinischen Nutzen der DAAs, sondern vielmehr die Details: Wie lange darf eine Therapie erfolgen? Wie ist mit älteren Patienten umzugehen? Dürfen DAAs auch bei einem sehr schlechten Leberzustand – Leberfibrose und Leberzirrhose – noch verabreicht werden?

Der Nachteil von DAAs ist weiterhin, dass eine Therapie sehr teuer ist. Einzelne Tabletten kosten zwischen 450 und 700 Euro, was sich im Verlauf einer Behandlung über 12 Wochen oder mehr auf bis zu 60.000 Euro pro Patient summieren kann und sich auch nach Rabattverhandlungen mit den Krankenkassen nicht entscheidend geändert hat. Präparate gegen Hepatitis C gehören schon jetzt zu den höchsten Ausgabeposten im System der gesetzlichen Krankenversicherung. Die Leitlinien sehen die Wirkstoffe als Therapieansatz ausdrücklich vor.

Privat-Dozent Markus Cornberg von der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie an der Medizinischen Hochschule in Hannover, begrüßte deshalb auch das Vorhaben der Pharmaunternehmen weitere DAAs auf den Markt zu bringen. “Das dürfte die Kosten senken mit dem Ergebnis, dass wir eine höhere Zahl von Patienten behandeln können”, so Cornberg in seinem Vortrag. Der Leitsatz “Treatment as Prevention” müsse insbesondere für die Hepatitis-C-Therapie gelten. Risikogruppen für eine Hepatitis-C-Infektion sind vor allem Drogenkonsumenten und Menschen mit häufig wechselnden Sexualpartnern. “Können wir mehr Patienten dieser Risikogruppen behandeln, sinkt die Zahl der Überträger deutlich”, betonte Cronberg.

Bis zu 170 Millionen Hepatitis-C-Fälle weltweit

Jährlich infizieren sich nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) drei bis vier Millionen Menschen mit Hepatitis C. Zwischen 130 und 170 Millionen gelten als chronisch mit HCV infiziert. Besonders hoch sind die Infektionsraten in Ägypten mit geschätzten 15 bis 22 Prozent, Pakistan mit rund 4,8 Prozent und China mit 3,2 Prozent. Deutschland weist im internationalen Vergleich eine relativ geringe Prävalenz von 0,6 Prozent auf. Bisher wurden DAAs aus verschiedenen Klassen wie NS5A-Inhibitoren (Ledipasvir, Daclatasvir, Ombitasvir), NS5B-Inhibitoren (Sofosbuvir, Dasabuvir) und NS3A/NS4A-Inhibitoren (Simeprevir, Paritravir) sowie mehrere Kombinationspräparate zugelassen. Medikamente wie ein Kombinationspräparat mit Grazoprevir und Elbasvir von MSD Sharp & Dohme könnten dieses Jahr folgen.

Studien zufolge erzielen DAAs in Kombination mit Ribavirin, das ebenfalls die Vermehrung der Hepatitis C-Viren im Körper blockiert, bei den Genotypen 1 und 4 die besten Ergebnisse, während die SVR-Raten bei den Typen 2 und 3 – der in Deutschland zweihäufigste Genotyp mit einem generell aggressiveren Krankheitsverlauf – geringer ausfallen. Neben der Reduktion der Virenpopulation berichteten die Experten auf den Aids- und Hepatitis-Tagen zusätzlich von einer deutlichen Verbesserung der Patient-Reported Outcomes – bereits nach zwei bis vier Wochen Therapiedauer. “Die Lebensqualität hat sich durch die Therapie wesentlich erhöht“, war das Fazit von Professor Michael Kraus von den Kreiskliniken Altötting-Burghausen.

Riskofaktor Leberzirrhose

Als wichtigster Risikofaktor für ein virologisches Therapieversagen gilt eine Leberzirrhose. Für den Referenten Dr. Peter Buggisch, Ärztlicher Leiter des Leberzentrums am ifi-Institut für interdisziplinäre Medizin an der Asklepios Klinik in Hamburg, spricht aber gerade der häufig schwerwiegende Verlauf einer HCV-Infektion dafür, mit einer DAA-Therapie im frühen Stadium der Hepatitis-C-Infektion zu beginnen: “So lässt sich verhindern, dass Patienten überhaupt erst in den Bereich einer Zirrhose oder Fibrose kommen.” Beispielsweise könnte die Zahl der Lebertransplantationen sinken.

Zur Behandlung der Hepatitis C setzten die Ärzte bis 2014 vor allem Interferon als Injektion und Medikamente ein, die die Vermehrung des Virus hemmen. Die Interferon-Therapie war für Patienten häufig mit erheblichen Nebenwirkungen wie Müdigkeit, Fieber, Haarausfall und Depressionen verbunden. Sie fiel mit einer Behandlungsdauer von 6 bis 18 Monaten deutlich länger aus als eine DAA-Therapie mit rund drei Monaten und erzielte nicht annähernd so positive Resultate.

Angesichts von geschätzten 200.000 bis 400.000 Hepatitis-C-Patienten in Deutschland bleibt abzuwarten, wie das Gesundheitssystem mit patentgeschützten Medikamenten, die einen erheblichen Zusatznutzen bieten, künftig umgehen wird. Würden alle HCV-Patienten in Deutschland mit DAAs behandelt, stehen Kosten für die Krankenkassen im zweistelligen Milliardenbereich im Raum. Für Ärzte entsteht bei jedem Krankheitsfall ein Abwägungsprozess, ob und wie lange sie eine Therapie mit DAAs unter Kostengesichtspunkten verantworten können, was mit ihrem Berufsethos kollidiert, den Patienten die optimale Behandlung zu ermöglichen. Bisher fehlen verlässliche Zahlen, welche Einsparungen DAAs langfristig mit sich bringen, da Erkrankungen wie Leberzirrhosen oder Leberkarzinome abnehmen dürften.

Länder wie Frankreich und die Schweiz haben vor dem Kosten-Hintergrund beschlossen, eine DAA-Therapie auf schwerstkranke Patienten zu begrenzen. Angesichts des langfristig schweren Krankheitsverlaufs einer Hepatitis-C-Infektion mit schweren Leberschäden für Patienten teilweise erst 20 oder mehr Jahre nach einer Infektion stellt das eine unbefriedigende Situation dar.

Text: V. Thoms

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