Amputationen unter SGLT2-Hemmern im FDA-Register für unerwünschte Nebenwirkungen

Am 18. Juli 2017 erschien online in "The Lancet – Diabetes & Endocrinology" eine Auswertung des US Food & Drug Administration (FDA) Adverse Event Reporting Systems (FAERS), welches seltene unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten registriert.

Canagliflozin bei Patienten mit floriden oder anamnestischen Fußläsionen nicht verordnen

Am 18. Juli 2017 erschien online in "The Lancet – Diabetes & Endocrinology"1 eine Auswertung des US Food & Drug Administration (FDA) Adverse Event Reporting Systems (FAERS), welches seltene unerwünschte Nebenwirkungen von Medikamenten registriert.

Während im CANVAS Trial – Programm2 der SGLT2-Hemmer Canagliflozin (Invokana®) bei Typ-2-Diabetespatienten kardiovaskuläre Ereignisse signifikant um 14 % reduzierte, fand man unter ihm eine Verdoppelung des Amputationsrisikos.

Diese unerwartete Nebenwirkung wurde im FAERS weder mit Dapagliflozin (Forxiga®) noch mit Empagliflozin (Jardiance®) gesehen1. Der Pharmakovigilanz-Ausschuss der Europäischen Arzneibehörde EMA (PRAC) hatte am 10. 2. 2017 empfohlen, einen Warnhinweis über vermehrte Amputationen an der unteren Extremität in die Produktinformation aller SGLT2-Hemmer aufzunehmen (siehe Kommentar bei Lit.3).

Die EMA kündigte daraufhin am 15. April 2017 eine Untersuchung dieser Komplikation in den Studien mit allen drei SGLT2-Hemmern an3.

Fadini und Avogaro fanden jetzt in der Datenbank des FAERS bis 31. 3. 2017 unter allen 9.217.555 Berichten über unerwünschte Nebenwirkungen 66 SGLT2-Inhibitor – assoziierte Amputationen, davon 55 (=89%) mit Canagliflozin als vermutetem Medikament (1). Die Patienten waren im Mittel 60 Jahre alt, meist Männer und etwa 1 ½ Jahre mit dem SGLT2-Hemmer behandelt.

Etwa ein Drittel hatte vorher Läsionen passend zu einem (beginnenden) diabetischen Fuss-Syndrom. Die meisten Amputationen fanden an den Zehen statt, bei 13 musste oberhalb des Knöchels amputiert werden, es gab 2 Doppel-Amputationen und 1 Handamputation; 3 Patienten verstarben. Die Amputationsfrequenz unter Canagliflozin lag bei 3.4 pro 1000 (95% CI 2.6-4.6) und war deutlich höher als unter Nicht-SGLT2-Hemmern.

Insgesamt bestätigte diese Pharmakovigilanz-Analyse, dass Canagliflozin im Unterschied zu Dapagliflozin oder Empagliflozin mit einem erhöhten Amputationsrisiko verbunden sein dürfte. Als Limitationen der Analysenergebnisse führen die Autoren an, dass mit einer Assoziation naturgemäss kein kausaler Zusammenhang bewiesen ist und dass möglicherweise FDA-Warnungen zu einer erhöhten Melderate geführt haben. Sie sehen auf Grund ihrer Daten keine Notwendigkeit einer Änderung der schon existierenden Warnhinweise in den Produktinformationen.

Kommentar von Prof. Dr. Helmut Schatz

Auf Grund der Datenlage sollte bei Patienten mit floriden oder anamnestischen Fussläsionen Canagliflozin nicht verordnet bzw. abgesetzt werden. Bei Patienten ohne Läsionen soll man unter Canagliflozin in verstärktem Masse die Füsse kontrollieren. Will man SGLT2-Hemmer geben, stehen als Alternative Dapagliflozin oder Empagliflozin zur Verfügung, da es sich nach vorliegenden Befunden wohl nicht um einen Klasseneffekt der SGLT2-Hemmer gehandelt hat.

Literatur:
(1) G. P. Fadini, A. Avogaro: SGLT2-inhibitors and amputations in the US FDA Adverse Event Reporing System.
The Lancet Diabetes & Endocrinology published 18 July 2017.
DOI: http://dx.doi.org/10.1016/S2213-8587(17)30257-7
(2) B.Neal, V. Perkovic, K.W. Mahaffey et al. for the Canvas Program Collaborative Group: Canagliflozin and cardiovascular and renal events in type 2 diabetes.
New Engl. J. Med. Published online 12 June 2017. DOI:10.1056/NEJMoa1611925
(3) H. Schatz: Vermehrt Zehenamputationen unter dem SGLT2-Hemmer Canagliflozin?
DGE-Blogbeitrag vom 18. April 2016