Staatliche Anreize könnten zu gesundem Lebensstil motivieren

Ein Lebensstil mit ausgewogener Ernährung und ausreichend Bewegung wirkt sich positiv auf das Risiko aus, am metabolischem Syndrom zu erkranken - selbst wenn eine genetische Disposition für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegt.

Ein Lebensstil mit gesunder Ernährung und ausreichend Bewegung wirkt sich positiv auf das Risiko aus, am metabolischem Syndrom zu erkranken - auch wenn bereits eine genetische Disposition für Herz-Kreislauf-Erkrankungen vorliegt.

In Deutschland haben von 6,7 Millionen Menschen, die an Diabetes mellitus erkrankt sind, 95 Prozent einen Typ-2-Diabetes. Während Diabetes Typ 1 mit Insulin behandelt werden muss, sind die Therapiemöglichkeiten beim Typ-2-Diabetes breiter gefächert. Die Ernährung, die Art der Medikamenteneinnahme, Bewegung und auch die Kontrolle des Blutzuckerwertes erfordern ein hohes Maß an Disziplin, die Voraussetzung ist, um eine entsprechend hohe Adhärenz zu erreichen.

Wer sich gesund ernährt, nicht raucht, körperlich aktiv ist und Übergewicht vermeidet, hat ein um etwa fünfzig Prozent geringeres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dieses reduzierte Risiko besteht unabhängig davon, ob eine hohe oder niedrige genetische Disposition vorliegt. Dies ist das Ergebnis einer Untersuchung mit mehr als 55.000 Teilnehmern, die im New England Journal of Medicine* veröffentlich wurde.

"Diabetespatienten leiden zwei- bis dreimal so häufig an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie andere Menschen, und Herzinfarkt und Schlaganfall sind bei ihnen die häufigste Todesursache", erklärt der Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG), Professor Dr. med. Baptist Gallwitz vom Universitätsklinikum Tübingen. Der Grund ist eine beschleunigte Verkalkung der Blutgefäße, für die nicht allein der erhöhte Blutzuckerspiegel verantwortlich ist. "Die meisten Menschen mit Typ-2-Diabetes haben auch veränderte Blutfett-Werte, Bluthochdruck und massives Übergewicht", sagt Gallwitz, "eine Konstellation, die wir zusammen mit dem erhöhten Blutzucker als metabolisches Syndrom bezeichnen."

Auch viele Teilnehmer von drei Kohorten-Studien aus den USA und Schweden, deren Daten Forscher der Harvard Universität jetzt ausgewertet haben, hatten ein metabolisches Syndrom. Es kennzeichnete dort einen ungesunden Lebensstil, der mit einem erhöhten Risiko verbunden war, innerhalb von zehn Jahren einen Herzinfarkt zu erleiden. Bei vielen Teilnehmern der ARIC-Studie (Atherosclerosis Risk in Communities), MDCS-Studie (Malmö Diet and Cancer Study) und WGHS-Studie (Women’s Genome Health Study) kam noch eine genetische Vorbelastung hinzu. Sie wurde mit einem Test ermittelt, der 50 verschiedene genetische Risiken erkennen konnte.

Jeder kann sein Diabetes-Risiko selbst beeinflussen

Wie erwartet, erkranken Menschen, die nicht rauchen, sich gesund ernähren, körperlich aktiv und nicht fettleibig sind, deutlich seltener an einem Herzinfarkt. "Der günstige Einfluss eines gesunden Lebensstils war in der Studie aber auch bei Menschen nachweisbar, die ein erhöhtes genetisches Risiko hatten", berichtet Gallwitz. Und dieser Einfluss war erheblich, wie die Daten belegen: In der ARIC-Studie erlitten 5,1 statt 10,7 Prozent der Teilnehmer mit einem erhöhten genetischen Risiko einen Herzinfarkt oder andere koronare Erkrankungen. In der WGHS-Studie sank die Rate von 4,6 auf 2,0 Prozent und in der MDCS-Studie von 8,2 auf 5,3 Prozent. Die Studie wurde kürzlich auf der Jahrestagung der amerikanischen Herzgesellschaft in den USA vorgestellt und im Fachjournal New England Journal of Medicine publiziert. "Das sind Ergebnisse, die auch vom Diabetes oder seinen Vorstufen betroffenen Menschen in Deutschland Mut machen sollten", findet Professor Dr. med. Dirk Müller-Wieland, Vizepräsident der DDG. "Die Studie zeigt, dass jeder etwas gegen den Ausbruch einer Krankheit tun kann."

Dabei sollten Staat und Gesellschaft die Menschen aktiv unterstützen. "Wir leben in einer Zeit, in der ungesunde kalorienreiche Nahrungsmittel oft kostengünstiger sind als gesunde Produkte", stellt DDG Geschäftsführer Dr. Dietrich Garlichs fest. "Der Staat sollte deshalb die Mehrwertsteuer auf gesunde Lebensmittel senken und für stark zucker- und fetthaltige Produkte erhöhen." Die Organisation Foodwatch fordert ein Zusammenspiel aus mehreren Maßnahmen, um den Zuckerkonsum zu reduzieren. "Aufklären allein reicht nicht. Wir brauchen eine Ampel-Kennzeichnung auf der Vorderseite aller Produkte. Dazu die Beschränkung der an Kinder gerichteten Werbung. Spielzeugbeigaben dürfen nur für die gesündesten Produkte zugelassen sein. Und nicht zuletzt sollten Sonderabgaben für besonders zuckerhaltige Getränke Anreize bieten, den Zuckergehalt drastisch zu reduzieren", erklärt Oliver Huizinga, Kampagnenmanager bei Foodwatch.

*Amit V. Khera et al. Genetic Risk, Adherence to a Healthy Lifestyle, and Coronary Disease. New England Journal of Medicine 2016; doi: 10.1056/NEJMoa1605086: www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa1605086

Mehr zum Thema erfahren Sie im Diabetes Blog.