Antibiotikaresistenzen – Zeit für globales politisches Handeln

Antibiotikaresistenzen können fatale Folgen nach sich ziehen: in einem O’Neill-Review werden nun potentielle Interventionen vorgeschlagen. Das Problem, das durch pathogene Resistenzen gegenüber Antibiotika initiiert wird, ist nicht neu.

Antibiotikaresistenzen können fatale Folgen nach sich ziehen: in einem O’Neill-Review werden nun potentielle Interventionen vorgeschlagen.

Das Problem, das durch pathogene Resistenzen gegenüber Antibiotika initiiert wird, ist nicht neu. Bereits 1945 warnte Alexander Fleming, der Entdecker des Penicillins, in seiner Nobelpreisrede davor, pathogene Keime möglicherweise gegen Penicillin resistent zu machen. Vor 15 Jahren wurden antimikrobielle Wirkstoffe im Magazin The Lancet Infectious Diseases als Geschenk beschrieben, das zurückhaltend eingesetzt werden sollte. Wie Marc  Sprenger, Leiter der WHO-Abteilung für antimikrobielle Resistenzen, festgestellt hat, diskutiert die WHO bereits seit den 1960er Jahren über dieses Thema, und so wurde 2001 der erste Handlungsplan veröffentlicht. Es folgten zahlreiche Dokumente zur Strategie seitens verschiedener Regierungen und internationaler Organisationen, aber erst seit kurzem hat die Bedrohung für die menschliche und tierische Gesundheit politische Bodenhaftung gewonnen. Aktuell gilt es zu diskutieren, welche koordinierten Handlungen Regierungen realisieren können, um zu gewährleisten, dass künftige Generationen von den Vorzügen antimikrobieller Wirkstoffe profitieren können.

Medikamentenresistenzen könnten höhere Mortalität als Krebs nach sich ziehen

Die Gründe und Konsequenzen antimikrobieller Resistenzen sind komplex und wurden 2013 von einer Kommission im Magazin The Lancet Infectious Diseases zusammengestellt. Derzeit versterben weltweit aufgrund antibiotikaresistenter Infektionen rund 700.000 Menschen im Jahr, und zwar vor allen Dingen in Niedriglohnländern und Ländern mit mittlerem Einkommen. In Ländern mit hohem Einkommen werden die jährlichen Todesfälle infolge antibiotikaresistenter Infektionen auf 23.000 in den USA und 25.000 in Europa geschätzt. In den USA entstehen jährlich zusätzliche Kosten von 20 Milliarden US-Dollar aufgrund von antibiotikaresistenten Infektionen. Und in Zukunft könnte es noch viel schlimmer werden, wenn nicht entschieden gehandelt wird: Im O’Neill Review zu antimikrobiellen Substanzen – von der britischen Regierung in Auftrag gegeben und im Mai dieses Jahres veröffentlicht – wurde geschätzt, dass bis 2050 aufgrund von Medikamentenresistenzen jährlich zehn Millionen Menschen versterben könnten (mehr als die derzeitige Krebstodesrate) und zudem Kosten in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar entstehen. Dennoch versterben momentan mehr Menschen an der mangelnden Verfügbarkeit von Antibiotika als an Resistenzen.

Der Kern des Problems ist also, die Verfügbarkeit von Antibiotika auszudehnen, während unsachgemäßer Einsatz eingedämmt wird.

Vom Antibiotikaeinsatz in der Tierzucht absehen

Mögliche Auswege aus dieser schwierigen Situation sind so komplex wie ihre Ursachen. Der O’Neill Review schlägt neun Interventionen vor, darunter ein globales öffentliches Bewusstsein, die Verbesserung sanitärer Anlagen und der Hygiene, einen reduzierten Einsatz von Antibiotika in der Viehzucht, eine verbesserte Überwachung von Antibiotikaeinsätzen und –resistenzen, neue Möglichkeiten der Diagnostik, die Förderung von Impfungen und alternativen antimikrobiellen Wirkstoffen, Anreize für Ärzte und Wissenschaftler zu schaffen, eine Karriere im Bereich der Infektiologie in Betracht zu ziehen sowie Förderung und Anreize für die Forschung und die Investition in neue Wirkstoffe. Diese Interventionen werden durch die Zielsetzungen der WHO Global Action Plan on Antimicrobial Resistance unterstützt, die im Mai 2015 von der World Health Assembly angenommen wurden. Unter den Motiven und Zielsetzungen ist dem reduzierten Einsatz von Antibiotika zur Wachstumsförderung in der Tierzucht besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Timothy Walsh und Yongning Wu berichten im The Lancet Infectious Diseases, dass die chinesische Regierung den Einsatz von Colistin in der Tierfütterung unterbinden wird, nachdem im vergangenen Jahr die MCR-1 Plasmid-vermittelte Colistin-Resistenz bei Tieren und Menschen nachgewiesen wurde. Ramanan Laxmaninarayan und seine Kollegen schlagen einen schrittweisen Rückzug aus der antibiotika-vermittelten Wachstumsförderung innerhalb von fünf Jahren vor und suggerieren, dass dieses Vorgehen einen Großteil der geplanten Einsatzintensivierung um 67 Prozent bis 2030 abwenden könnte. Solchen Vorschlägen stehen persönliche Interessen aus der Landwirtschaft, Lebensmittel- und Pharmaindustrie im Weg; aber die gegenwärtige Situation, in der beispielsweise in den USA 70 Prozent der verkauften Antibiotika an Tieren eingesetzt werden, ist für den Menschen gesundheitsschädlich und damit untragbar.

Als Bedrohung für die menschliche Gesundheit ist die Antibiotikaresistenz bereits mit dem Klimawandel verglichen worden. Und weil es – anders als beim Klimawandel – keine politisch motivierte Leugnung der Antibiotikaresistenz gibt, ist die Hoffnung durchaus berechtigt, dass Regierungen möglicherweise zusammenarbeiten können, um eine akzeptable Zukunft für den Antibiotikaeinsatz zu gestalten.