Aus dem Alltag eines Klinikarztes

Viele Patientinnen und Patienten, lange Schichten, erschöpfte Ärztinnen und Ärzte: Aus Sicht des Marburger Bundes sind die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern alles andere als gut. Ein Klinikarzt berichtet von seinem Alltag.

Dienstpläne bauen bereits auf Überstunden auf

Viele PatientInnen, lange Schichten, erschöpfte ÄrztInnen: Aus Sicht des Marburger Bundes sind die Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern alles andere als gut. Ein Klinikarzt berichtet von seinem Alltag.

In manchen Wochen kommt Johannes Wetzel noch nicht einmal mit der gesetzlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden hin. Wenn man das Arbeitspensum in der Klinik erfüllen wolle, müsse man nach der Schicht oftmals länger bleiben, sagt der Mediziner, der seinen richtigen Namen und auch seinen Arbeitsplatz in Baden-Württemberg lieber nicht nennen möchte. Teilweise bauten die Dienstpläne sogar schon auf Überstunden auf. "Die Situation ist über alle Berufsgruppen prekär, muss man sagen. Wir haben viele freie Stellen, die nicht nachbesetzt werden können. Das führt zu einer sehr angespannten Situation."

Gleichzeitig sei der ökonomische Druck in den Krankenhäusern sehr groß. "Das ist ja nichts Neues", sagt Wetzel. Die PatientInnen blieben im Schnitt immer kürzer stationär in der Klinik, was insgesamt zu mehr PatientInnen führe. Und das wiederum verändere und verdichte die Arbeit der ÄrztInnen. "Das ist über die letzten zehn Jahre stark zu beobachten gewesen."

Flucht in die Teilzeit, um Belastungen zu entgehen

Geschichten wie die von Wetzel, der auf fast 30 Jahre Berufserfahrung zurückblickt, kennt auch Michael Beck vom Marburger Bund. Viele ÄrztInnen - gerade auch ältere - flüchteten sich in die Teilzeit, um Belastungen zu reduzieren, sagt der Sprecher des Berufsverbands in Baden-Württemberg. "Und wir haben auch den Trend, dass viele Ärzte in fachfremde Berufe wechseln - zum Beispiel in Unternehmensberatungen. Dementsprechend wird der Bestand an Ärzten verknappt."

Um die Arbeitsbedingungen der KrankenhausärztInnen zu erfassen, befragt die Fachgewerkschaft alle zwei Jahre mit dem Umfrageinstitut IQME bundesweit ihre Mitglieder, wie sie ihre Arbeitsbedingungen beurteilen. Die ÄrztInnen klagen unter anderem über einen zu hohen und zeitintensiven bürokratischen Aufwand.

Arztberuf sollte durch Verbesserung der Arbeitsbedingungen attraktiver gemacht werden

Ein Medizinstudienplatz koste eine Menge Geld, sagt Beck. "Die öffentliche Hand müsste sich überlegen: Wollen wir es, dass Ärzte aufgrund der Belastung krank werden oder aus dem Beruf ausscheiden? Man könnte viel kompensieren, wenn man den Arztberuf durch eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen attraktiver macht."

Der Marburger Bund hat eine Kampagne ins Leben gerufen, die eine konsequente Kontrolle der Arbeitszeit fordert. Denn Fehler, die auf Übermüdung oder Überlastung von ÄrztInnen zurückzuführen seien, könnten die PatientInnen direkt betreffen und im Zweifel fatale Folgen nach sich ziehen.

48 Arbeitsstunden pro Woche sind nicht zu umgehen

In Wetzels Krankenhaus wird die Arbeitszeit zwar erfasst, und Überstunden werden ausgeglichen oder ausbezahlt. Aber nicht jeder ist damit zufrieden: Viele KollegInnen wollen, wie der Facharzt berichtet, eine geregelte Arbeitszeit und nicht viele Wochen lang Überstunden zu ungünstigen Zeiten - nachts und an Wochenenden - ansammeln. "Sie wollen nicht mehr 48 Stunden arbeiten, aber sie müssen es, weil sonst die Dienste nicht adäquat besetzt werden können."

Erfassungssysteme könnten auch ausgetrickst werden, sagt Beck. "Was mir oft begegnet: Dass Druck ausgeübt wird, dass die Leute ausstempeln."