Besserer Schutz vor sexuellem Kindesmisbrauch in Kliniken

Tatort Krankenhaus? Auch in deutschen Kliniken gibt es Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch. Umfassende Schutzkonzepte für Kinder sind bisher oft noch eine Ausnahme. Das soll sich ändern.

Verpflichtende Schutzkonzepte für Krankenhäuser geplant

Tatort Krankenhaus? Auch in deutschen Kliniken gibt es Verdachtsfälle auf sexuellen Missbrauch. Umfassende Schutzkonzepte für Kinder sind bisher oft noch eine Ausnahme. Das soll sich ändern.

Mehr Schutz vor sexuellem Kindesmissbrauch in Kliniken soll nach Plänen der Deutschen Krankenhausgesellschaft in Zukunft Pflicht werden. Kliniken müssten dann berichten, ob sie Schutzkonzepte eingeführt hätten, sagte Hauptgeschäftsführer Georg Baum vor einer Tagung zum Kinderschutz in Berlin. Wie viele sexuelle Übergriffe auf Kinder und Jugendliche es in deutschen Kliniken gibt, wird bisher nicht statistisch erfasst. Er hoffe, dass es Einzelfälle seien, sagte Baum. "Ich schließe nicht aus, dass wir intern Meldeverfahren entwickeln."

Bei rund 165 deutschen Kliniken hat das Deutsche Jugendinstitut (DJI) für ein Monitoring nachgefragt. "Nur ein Fünftel der Krankenhäuser sagte von sich selbst, dass sie umfassende Schutzkonzepte hätten", berichtete Heinz Kindler für das DJI, das seine Studie auf der Berliner Tagung vorstellte.

80 Prozent der Ärzte wissen nicht, wie sie ans Hilfesystem herankommen

Insgesamt gibt es nach Angaben der Krankenhausgesellschaft in Deutschland rund 600 Kliniken, in denen Abteilungen speziell auf Kinder- und Jugendliche ausgerichtet sind, darunter auch Psychiatrien. Insgesamt hat Deutschland rund 2.000 Kliniken mit Akutversorgung. Die Unsicherheit im Umgang mit einem Verdacht auf sexuellen Missbrauch trifft Kliniken wie viele andere Institutionen auch. Für Mediziner gibt es seit 2017 deshalb eine eigene Kinderschutz-Hotline. Sie soll Ärzten dabei helfen, Kontakt zur Jugendhilfe zu bekommen.

"Rund 80 Prozent der Ärzte wissen oft nicht, wie sie ans Hilfesystem herankommen", berichtet Ulrich Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Ulm, der Schutzkonzepte mitentwickelt. Inzwischen helfe dabei auch ein laminierter kleiner Flyer, der in Kittelschürzen passe. Kliniken hätten davon schon 30.000 Stück bestellt, berichtet Fegert. Ihm geht es generell um eine Haltung in Krankenhäusern, um interne und externe Beschwerdesysteme. "Der Umgang mit sexuellem Missbrauch ist dabei sicher einer der schwierigsten Bausteine."

Wichtige Rolle von Kliniken in der Bekämpfung sexueller Gewalt

Krankenhäuser spielten bei der Bekämpfung von sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche eine sehr wichtige Rolle, betonte Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. "Die enge Beziehung zwischen medizinischem Personal und den minderjährigen Patienten kann aber auch eine Gefahr darstellen", ergänzte Rörig. Er erwarte deshalb von jeder Klinik und jedem Träger, dass es umfassende Schutzkonzepte gebe.

Nach der Studie des Jugendinstituts gibt es bisher wenig Verankerung von Schutzkonzepten in Leitlinien. "Es hängt vom Einzelengagement der Kliniken ab", sagte Kindler. Es fehle auch an Orientierung, was ein gutes Schutzkonzept sei. Eine Hilfe sollen nun kostenlose Online-Kurse bieten, die von Ärzten speziell für Kliniken entwickelt wurden. Die "Bauanleitung" soll zu passgenauen Lösungen anregen. Bisher ist die Nutzung solcher Programme aber freiwillig.

Um Kliniken endgültig auf Kinderschutz-Konzepte zu verpflichten, sind Qualitätsmanagement-Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses nötig. Er rechne da mit einer Vorlaufzeit von rund drei Jahren, sagte Baum für die Deutsche Krankenhausgesellschaft.