"Blended learning"-Konzept soll Medizinstudium komplexer machen

Blended learning ist eine Mischung aus Präsenz- und Online-Lehrformaten und wird vom Zentrum Allgemeinmedizin in Homburg nun in einem Pilotversuch getestet mit dem Ziel, Studentinnen und Studenten noch mehr hausärztliche Kompetenzen zu vermitteln als mit dem klassischen Studium.

Neue Wege für angehende AllgemeinmedizinerInnen

Blended learning ist eine Mischung aus Präsenz- und Online-Lehrformaten und wird vom Zentrum Allgemeinmedizin in Homburg nun in einem Pilotversuch getestet mit dem Ziel, Studierenden noch mehr hausärztliche Kompetenzen zu vermitteln als mit dem klassischen Studium.

Wolle man am Ende ÄrztInnen haben, die sich nicht nur komplexe Inhalte stundenlang konzentriert anhören können, sondern ihre PatientInnen betreuen, fundierte Diagnosen stellen und sie kompetent begleiten, müsse man sie bereits im Studium auf ihre spätere Tätigkeit heranführen, erklärt Johannes Jäger, Professor für Allgemeinmedizin und niedergelassener Hausarzt. Beim "Blended learning" werden verschiedene Lehr- und Medienformen miteinander vermischt, um eine sinnvolle und zielgerichtete Kompetenzvermittlung zu ermöglichen.

Statt den Studierenden nur eine traditionelle Lehre anzubieten und medizinisches Wissen durch Vorlesungen oder Seminare weiterzugeben, gehen nun auch die AllgemeinmedizinerInnen diesen Weg. "Wir schauen uns einen Arbeitsprozess im Ganzen an: Was muss ein Student können, wenn er später als Hausarzt tätig sein will?", erläutert Projektleiter Fabian Dupont. Über das reine Wissen, etwa beim Deuten von Symptomen, brauchen ÄrztInnen kommunikative Fähigkeiten, Einfühlungsvermögen und methodisches Wissen, um bei PatientInnen etwa den Auslöser von Bauchschmerzen zu erkennen und ob dahinter etwas Ernstes stecke. Solche Fähigkeiten entwickeln angehende MedizinerInnen nur dann am besten, wenn sie sie tatsächlich verinnerlichen. Daher sollten sie die Inhalte in der Allgemeinmedizin künftig auch am lebenden Objekt kennen lernen können.

Professionelle SchauspielerInen mimen PatientInnen

Das "HOM-KIT"-Programm der Medizinischen Fakultät enthält als Übungseinheit zum Beispiel eine Patientensimulation. Professionelle SchauspielerInnen stellen eine typische Krankheitsgeschichte nach, mit welcher HausärztInnen oft konfrontiert werden und die Studierenden proben, wie sie dem Leiden auf die Schliche kommen. Auch Podcasts über medizinische Themen werden vom Dozententeam professionell aufbereitet. Ein drittes und sehr wichtiges Standbein ist die Kooperation mit dem medizinischen Fachverlag Amboss und dem Institut für Medizinische und Pharmazeutische Prüfungsfragen (IMPP), das bundesweit einheitlich die Prüfungen in den Fächern Medizin, Zahnmedizin, Pharmazie und Psychotherapie entwickelt.

"Das IMPP fragt sich natürlich auch, wie sich die Prüfungen verändern, wenn 99 Prozent der Studierenden Amboss benutzen, so wie aktuell in der Corona-Pandemie", sagt Dupont. Mithilfe von iPads können neuartige Prüfungen bearbeitet werden. "So können die Studentinnen und Studenten Fragen nicht nur im bisher gängigen Multiple-Choice-Verfahren bearbeiten, das ihnen später keine Korrekturmöglichkeit mehr gibt. Fehlerhafte Entscheidungen können an späterer Stelle auch behoben werden, so dass die Studierenden auch während der Prüfungssituation etwas dazulernen können", sagt Lehrkoordinatorin Sara Willems.

Neue Programme bieten beim Lernen auch Korrekturmöglichkeiten

Dafür nennt Professor Jäger ein konkretes Beispiel: "In einer Frage kann es heißen: ‚Sie werden gerufen, weil jemand umgefallen ist und nun krampfend und mit Schaum vor dem Mund am Boden liegt. Was tun Sie?‘. Dann geben die Studierenden zuerst an, dass sie den Patienten in die stabile Seitenlage bringen.“ Anschließend folgten weitere Maßnahmen. "Nach drei weiteren Fragen merkt der aber: ‚Hoppla, ich war ja auf dem ganz falschen Weg!´" Bei klassischem Multiple Choice gibt es an dieser Stelle kaum einen Ausweg, wenn zu Beginn ein Denkfehler gemacht wurde. Bei dem neuen Ansatz der Homburger Allgemeinmediziner hingegen sehr wohl. "So verringern wir die Möglichkeit, dass der Zufall gewinnt", erläutert Fabian Dupont. "Denn wenn ein Student nicht mehr weiter weiß, rät er und hat dabei 20, 25 Prozent Trefferquote. Gelernt hat er dabei aber nichts, selbst wenn er richtig tippt. Mit unserer Methode kann er seine Meinung überdenken. So hat er tatsächlich Wissen erlernt und kann sich merken, woran er zum Beispiel einen epileptischen Anfall erkennt und was er dann tun muss", sagt der Projektleiter.

Ob der Lehransatz letzten Endes erfolgreich sein wird, untersuchen die Doktorandinnen Aline Salzmann und Catherine Bopp mit Tools, die Motivation, Lernverhalten oder auch Kompetenzerwerb der Studierenden genau in dem neuen Lernplan untersuchen. Auf diese Weise wollen sie erkennen, wo die Stärken und Schwächen liegen, was ankommt und was nicht. Wenn das klar sei, könnten die Methoden auf andere medizinische Teildisziplinen ausgerollt werden. Wenn es gelinge, Studierende nachhaltig zu motivieren, könne das Konzept ein Erfolg werden. Ganz so sieht es auch Johannes Jäger, nur umgekehrt: "Ich hoffe, dass dann über den studentischen Druck unsere Motivation weiter steigt, die Lehre stetig zu verbessern. Denn die Lehre und der permanente Austausch mit den jungen Studentinnen und Studenten, die uns Contra geben und uns hinterfragen, hält uns auch selbst jung und motiviert", sagt er.