CAR-T-Zell-Therapie: Die Kehrseite der Medaille

Die CAR-T-Zell-Therapie ist in der Forschung stark umstritten. Die beiden wichtigsten Nebenwirkungen, das Zytokin-Freisetzungssyndrom und Neurotoxizitäten, wurden in einem Symposium präsentiert und diskutiert.

Umstrittene Therapie in der Krebsbehandlung

Die CAR-T-Zell-Therapie ist hoch wirksam, sehr teuer und geht mit erheblichen Nebenwirkungen einher. Die beiden wichtigsten Nebenwirkungen, das Zytokin-Freisetzungssyndrom und Neurotoxizitäten, wurden in einem Symposium unter Vorsitz von Elizabeth J. Shpall, MD Anderson Cancer Center, Houston, Texas, USA, am 31. Mai bei der Jahrestagung 2019 der ASCO (American Society of Clinical Oncology) präsentiert und diskutiert. 

Bei der CAR-T-Zell-Therapie werden durch gentechnische Modifikation ex vivo aus den T-Zellen des Patienten CAR-T-Zellen hergestellt und vermehrt. Dem Patienten werden diese manipulierten Zellen nach einen Konditionierung, meist mit Cyclophosphamid und Fludarabin, infundiert. Mit Hilfe des chimären Antigenrezeptor (CAR) erkennen die CAR-T-Zellen ihre Zielzellen, binden an diese und töten sie ab. Meist bleiben die Patienten nach der Infusion noch etwa 7 Tage in der Klinik, zunehmend wird die Therapie nach Aussage von Shpall aber auch ambulant durchgeführt.

Effektiv, teuer und teilweise schlecht verträglich

Im August 2017 hat die FDA mit Tisagenlecleucel (Kymriah, Novartis) die erste CAR-T-Zell-Therapie zuglassen, zunächst für die Behandlung der rezidivierten, refraktären ALL bei Kindern und jungen Erwachsenen bis zu einem Alte von 25 Jahren, im Mai 2018 dann für Erwachsene mit r/r NHL. Die Kosten für die erste Indikation liegen in den USA bei etwa 475.000 US-Dollar, für die zweite bei 373.000 US-Dollar.

Im Oktober 2017 erfolgte die FDA-Zulassung von Axicabtagen ciloleucel (Yescarta, Kite Pharma) zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) und primär mediastinalem großzelligem B-Zell-Lymphom (PMBCL) nach zwei oder mehr systemischen Therapien. Die Kosten liegen in den USA bei 373.000 US-Dollar. In beiden Fällen verlangt die FDA eine Risikomanagementstrategie (REMS).

Die Ansprechraten auf die Therapie sind beindruckend, 40 bis 60% der Patienten mit refraktären B-Zell-Erkrankungen zeigen ein anhaltendes komplettes Ansprechen. Allerdings geht die Behandlung mit charakteristischen Nebenwirkungen einher wie dem Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS, Zytokinsturm) und dem Immunzell-assoziierten Neurotoxizitäts-Syndrom (ICANS). Bis zu 50% der Patienten benötigen eine Intensivbetreuung und ein erfahrenes Team ist Voraussetzung für eine erfolgreiche Behandlung.

Der Zytokinsturm

Ein CRS trat bei Erwachsenen mit NHL in Studien mit Tisagenlecleucel in 58%, mit Axicabtagen ciloleucel (Axi-cel) in 93% der Fälle auf, wobei 23% bzw. 12% dem Schweregrad 3 oder höher zugeordnet werden konnten. Im Median dauerte es 3 bzw. 2 Tage, bis das CRS begann und es hielt im Median 7 bzw. 8 Tage an.

In einem Vergleich von klinischen und Real-World-Daten von Axi-cel  ergab sich eine hohe Übereinstimmung in Häufigkeit und Schwere der unerwünschten Wirkungen, was nach Aussage von Shpall bedeutet, dass die Therapie auch unter Real-World-Bedingungen Therapiestandard sein kann, sofern das Behandlungsteam die entsprechende Expertise hat.

Das CRS ist durch Fieber, Blutdruckabfall und respiratorische Insuffizienz gekennzeichnet, es geht mit einem Anstieg von Zytokinen im Serum einher. Bei höheren Schweregraden tritt das Fieber sehr rasch ein und erreicht höhere Werte als bei nicht so schweren Verlaufsformen, der Blutdruck sinkt stärker, die Herzfrequenz steigt höher. Zu beachten sind auch hämatopoetische Auswirkungen wie ein stärkerer Abfall von Hämoglobin, Thrombozyten und Fibrinogen. Hämatologische Toxizitäten können auch noch spät bis zu 60 Tage nach der Infusion auftreten. Je schwerer der Verlauf, umso stärker der Anstieg der Zytokine Interferon gamma, Interleukin-6 (IL), IL-8, IL-10 und IL-16.

Risikofaktoren für ein schwer verlaufendes CRS sind eine hohe Tumorlast, eine Konditionierung mit Cyclophosphamid und Fludarabin, eine hohe CAR-T-Zelldosis sowie weine Thrombozytopenie vor der Depletion.

Zur Therapie des CRS eignet sich der IL-6-Antagonist Tocilizumab, der zu einem raschen Abfall der IL-6-Spiegel und einer Abnahme der Symptome führt. Auch Steroide sind geeignet. Beide Therapien beeinflussen nach neueren Untersuchungen die Wirksamkeit der CAR-T-Zelltherapie nicht, daher besteht derzeit die Neigung, sie früher einzusetzen, wenngleich der optimale Zeitpunkt der Applikation bislang nicht bekannt ist.

In Tiermodellen erwies sich auch der IL-1-Rezeptorantagonist Anakinra als wirksam, er verringerte zusätzlich neurotoxische Effekte.

Shpall stellte das zur Diagnose und Management von CAR-T-Zell-Toxizitäten am MD Anderson Cancer Center in Houston entwickelte Programm CARTOX vor, in dem u.a. alle an der Behandlung beteiligten Berufsgruppen intensiv trainiert und alle Protokolle regelmäßig besprochen werden. Ab 7. Juni 2019 wird zudem eine App zur Bewertung und zum Management der Toxizitäten verfügbar sein.

Neurotoxische Nebenwirkungen

Neurotoxizitäten können auftreten, wenn ein CRS komplett verschwunden ist, so Bianca D. Santomasso, Neurologische Abteilung, Memorial Sloan Kettering Cancer Center, New York. Das ICANS zeigt sich z. B. mit globaler Enzephalopathie, Aphasie, Krämpfen, Tremor und Halluzinationen. Selten sind diffuse zerebrale Ödeme. Obwohl es selbstlimitierend ist, kann es potenziell lebensbedrohlich verlaufen und zum Tod führen. Symptome und Prävalenz waren in den verschiedenen Studien unterschiedlich. ICANS vom Schweregrad 3 und höher traten bei 12 bis 30% der Patienten mit Lymphomen und bei 13 bis 42% mit Leukämie auf.

Bei schweren ICANS haben die CAR-T-Zellen  in der Regel stark expandiert, die Patienten fieberten früh und wiesen erhöhte Serumzytokinspiegel auf. Zudem sind die Zytokinspiegel in der Zerebrospinalflüssigkeit erhöht.

Neue Konsensus-Papiere zur Schweregradeinteilung der neurotoxischen Nebenwirkungen erleichtern die sichere Gabe der Therapie, weil sie die Rahmenbedingungen für die besten Therapiestrategien schaffen, einschließlich prophylaktischer und früher Interventionen.

Tocilizumab wird für die Behandlung isolierter schwerer ICANS nicht empfohlen, in den meisten Zentren werden hierfür Glucocorticoide eingesetzt. Bei  mit Glucocorticoiden behandelten Patienten ist die Wirksamkeit der CAR-T-Zell-Therapie nicht eingeschränkt, unklar ist, ob sie sich auf die Dauer des Ansprechens auswirken.

Quelle:
The other site of CAR T-cell therapy: cytokine release syndrome, neurologic toxicity and financial burden. Educational Symposium, 2019 ASCO Annual Meeting, Chicago, 31. Mai bis 4. Juni  2019.