Checkpoint-Inhibition bei Kopf-Hals-Tumoren

Kopf-Hals-Tumoren können erfolgreich mit Medikamenten behandelt werden, die die körpereigene Immunabwehr gegen die Tumoren verstärken. Nachdem in einer Vergleichsstudie gleich gute Ergebnisse wie mit einer aggressiven Chemotherapie erzielt wurden, wird der Einsatz in der ADRISK-Studie weiter geprüft.

Große Studie prüft Einsatz bis 2022 

Krebserkrankungen im Kopf-Hals-Bereich können erfolgreich mit Medikamenten behandelt werden, die die körpereigene Immunabwehr gegen die Tumoren verstärken. Nachdem im letzten Jahr in einer Vergleichsstudie gleich gute Ergebnisse wie mit einer aggressiven Chemotherapie erzielt wurden, wird der Einsatz derzeit in der sogenannten ADRISK-Studie an 13 HNO-Kliniken in Deutschland geprüft.

In Deutschland erkranken jährlich circa 17.000 Menschen an Krebserkrankungen in Mundhöhle, Rachen, Nase oder Kehlkopf. Die Tumoren sind oftmals Folge eines langjährigen Alkohol- oder Zigarettenkonsums. Immer häufiger werden sie jedoch auch durch chronische Infektionen mit humanen Papillomviren (HPV) ausgelöst.

Viele der Tumoren werden zu spät entdeckt, um sie durch eine Operation allein zu heilen. "Aufgrund ihrer Ausdehnung beziehungsweise ihrer Nähe zu lebenswichtigen Strukturen können sie oft nur durch umfangreiche Operationen in Kombination mit einer Strahlentherapie entfernt werden,“ erläuterte Professor Dr. med. Andreas Dietz, Direktor der Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Leipzig.

Viele Patienten erhalten deshalb nach der OP eine Strahlen- und/oder eine Chemotherapie mit Zytostatika, oder, wenn nicht mehr sinnvoll operiert werden kann, eine sogenannte primäre Radiochemotherapie. Dabei handelt es sich um eine Kombinationstherapie aus Strahlentherapie und Chemotherapie mit Zytostatika. Kommt der Tumor im weiteren Verlauf wieder, werden die ÄrztInnen immer versuchen, ihn operativ zu entfernen. Oft muss man aber aufgrund von Fernmetastasen einsehen, dass nur noch lebensverlängernde, palliative Maßnahmen eingesetzt werden können. Bislang kam in diesem Fall eine Chemotherapie zur Anwendung.

Checkpoint-Inhibitoren durchbrechen Tumorschutzmechanismen

Inzwischen werden aber zunehmend Checkpoint-Inhibitoren als Immuntherapie eingesetzt. Im Gegensatz zu den Zytostatika greifen diese monoklonalen Antikörper die Krebszellen nicht direkt an. Sie zielen vielmehr auf eine Schaltstelle (Checkpoint) des Immunsystems: das PD1-Protein. Es befindet sich auf der Oberfläche von T-Zellen, die die wichtigsten Angreifer des Immunsystems gegen Krebszellen sind. Das PD1-Protein wirkt wie eine Bremse. Es soll übereifrige T-Zellen davon abhalten, körpereigene Zellen anzugreifen.

Viele Krebszellen nutzen diese Möglichkeit. Sie binden mit einem Liganden (PD-L1) das PD1-Protein und schützen sich dadurch vor einem Angriff durch die T-Zellen. "Die Krebszellen weichen der Immunabwehr aus, indem sie den Immunzellen eine Art molekulares Stoppschild entgegenhalten“, erläuterte der Experte weiter. "Treten diese Stopp-Signale in Kontakt mit passenden Rezeptoren auf der Oberfläche der Immunzellen, werden diese deaktiviert – die Immunabwehr kommt zum Erliegen. Spezifische Antikörper gegen die tumoreigenen Stopp-Signale – Checkpoint-Inhibitoren – können diese Blockade jedoch durchbrechen und die T-Zellen von dieser Fessel befreien, indem sie entweder PD-1 oder PD-L1 blockieren. Die Tumoren werden dann zum Abschuss durch die T-Zellen freigegeben."

Studienlage ist vielversprechend

Checkpoint-Inhibitoren wurden zunächst zur Behandlung des schwarzen Hautkrebses und bei Nierenkrebs eingesetzt. "Demnächst werden sie zu einem festen Bestandteil der Therapie von Kopf-Hals-Tumoren werden", ist Professor Dietz überzeugt. Der Durchbruch wurde laut dem Experten 2016 mit der Studie CHECKMATE 141 (Nivolumab) in der Zweitlinien- und 2018 mit der Studie KEYNOTE-048 (Pembrolizumab) in der Erstlinientherapie erzielt, deren Ergebnisse im Oktober vergangenen Jahres auf dem Europäischen Krebskongress (ESMO 2018) in München vorgestellt wurden.

An der Studie hatten Patienten mit Kopf-Hals-Tumoren teilgenommen, bei denen es bereits zu Metastasen gekommen war oder die nach einer Behandlung einen Rückfall erlitten hatten. Ein Teil der PatientInnen erhielt die derzeitige Standardbehandlung. Sie besteht aus einer aggressiven Chemotherapie mit drei Zytostatika („EXTREME-Schema“) plus einem Antikörper gegen das Krebswachstum. Eine zweite Gruppe wurde nur mit dem PD-1-Inhibitor Pembrolizumab behandelt.

"Im Vorfeld bestanden starke Zweifel, ob eine Monotherapie mit einem PD-1-Inhibitor tatsächlich die sehr potente, aber auch toxische Dreierkombination des EXTREME-Schemas schlagen könnte", berichtete Professor Dietz. Die Ergebnisse hätten dann die Erwartungen jedoch übertroffen. Zwar sprachen mehr PatientInnen auf die Chemotherapie als auf Pembrolizumab (36,1% versus 23,3%) an. Die Wirkung von Pembrolizumab hielt mit 20,0 Monaten gegenüber 4,5 Monaten aber mehr als fünf Mal so lang an. Hinzu kam, dass den Patienten die schweren Nebenwirkungen der Chemotherapie erspart blieben.

Die Studie wird nach Einschätzung von Professor Dietz dazu führen, dass in Zukunft vermehrt PatientInnen vor beziehungsweise in Kombination mit einer Chemotherapie eine Behandlung mit einem Checkpoint-Inhibitor angeboten werde. Derzeit würden in zahlreichen klinischen Studien die unterschiedlichen Einsatzmöglichkeiten der Checkpoint-Inhibitoren insbesondere in Kombination mit einer operativen Therapie geprüft. Dazu gehört auch die von Professor Dietz geleitete ADRISK-Studie, die derzeit an 13 HNO-Kliniken in Deutschland prüft, ob der Checkpoint-Inhibitor Pembrolizumab die Behandlungsergebnisse verbessert, wenn er nach der Krebsoperation zusammen mit einer Strahlen- und Chemotherapie eingesetzt wird. An der Studie nehmen 240 PatientInnen teil. Ergebnisse werden für August 2022 erwartet.