Corona-Warn-App geht an den Start

Künftig soll die Bundesbevölkerung auch ihr Handy verwenden können, um die Corona-Epidemie einzudämmen. Die Regierung baut darauf, dass viele mitmachen - alles soll aber ausdrücklich freiwillig sein.

App laut Präsident der Bundesärztekammer "ein sehr sinnvolles Instrument"

Künftig soll die Bundesbevölkerung auch ihr Handy verwenden können, um die Corona-Epidemie einzudämmen. Die Regierung baut darauf, dass viele mitmachen - alles soll aber ausdrücklich freiwillig sein.

Nach wochenlangen Vorbereitungen geht die offizielle deutsche Warn-App für den Kampf gegen das Coronavirus an den Start. Die Bundesregierung stellt die neue Anwendung am 16.06. in Berlin vor. In den App-Stores von Google und Apple stand die Anwendung bereits in der Nacht zur Verfügung. Das Herunterladen soll freiwillig sein, um mit Hilfe von Smartphones das Nachverfolgen von Infektionen zu erleichtern. Die Regierung wirbt für eine breite Nutzung und verspricht hohen Datenschutz. Forderungen nach einem Gesetz lehnte sie ab. Die Ärzteschaft unterstützt die neue App.

Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, sagte: "Das ist ein sehr sinnvolles Instrument." Die App sorge auf einfache Weise dafür, Infektionsketten zu erkennen. "Sie ermöglicht aber auch, persönliche Vorsorge zu treffen - indem man sich bei einer entsprechenden Warn-Meldung testen lassen kann." Die App wirke natürlich nur dann, wenn man möglichst viele Menschen fürs Mitmachen gewinne. "Sie würde noch besser wirken, wenn man das System grenzüberschreitend in Europa gangbar machen könnte."

Verzögerungen bei der Verfügbarkeit der App

Die App soll am Vormittag von Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), mehreren MinisterInnen, dem Robert Koch-Institut und den beauftragten Unternehmen SAP und Telekom vorgestellt werden. Sie kann messen, ob sich Handynutzende über eine längere Zeit näher als etwa zwei Meter gekommen sind. Sind NutzerInnen positiv getestet worden und haben dies in der App geteilt, meldet sie anderen AnwenderInnen, dass sie in der Nähe von Infizierten waren. Kontaktdaten werden nicht - wie zunächst vorgesehen - zentral gespeichert, sondern nur auf den Smartphones. Die Entwicklungskosten betragen rund 20 Millionen Euro.

Interessierte konnten die App bereits in der Nacht zum 16.06. auf ihr Smartphone herunterladen. Im App-Store von Google war sie bereits um kurz nach 2 Uhr morgens verfügbar, bei Apple dauerte es etwas länger. NutzerInnen klagten in sozialen Medien über Verzögerungen bei der Verfügbarkeit der App sowie über Probleme beim Herunterladen. In weniger als einer Stunde schienen die Startschwierigkeiten dann überwunden.

TK-Chef: Nicht in Abhängigkeitsfalle der großen US-Konzerne geraten

Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, nannte die App einen sinnvollen Baustein im Kampf gegen die Ausbreitung des Virus. "Es ist absolut sinnvoll, die Chancen der Digitalisierung für den Kampf gegen Corona zu nutzen". Die App könne aber auch keine Wunder vollbringen, und sie ersetze natürlich weder Abstands- noch Hygieneregeln. Eine längere Entwicklungszeit sei auch allemal besser als schlecht funktionierende Schnellschüsse, wie Erfahrungen aus anderen Ländern zeigten. Baas äußerte sich zugleich kritisch zur Rolle von Apple und Google. "Das Gesundheitswesen darf nicht in eine Abhängigkeitsfalle der großen US-Konzerne geraten - gerade, wenn es um den Umgang mit und die Nutzung von Daten geht."

Kanzleramtsminister Helge Braun beschwor die Sicherheit des Programms. "Diese App ist so sicher, wie sie nur sein kann", sagte der CDU-Politiker. Der Quellcode sei offengelegt worden, ein höheres Maß an Transparenz könne man "kaum leisten". Braun bekräftigte das Versprechen der Bundesregierung, dass die Nutzung der App freiwillig bleibt: "Es gibt keinen Zwang, die App zu installieren. Ein Gesetz, das die Deutschen zum Download der Corona-App zwingt, schließe ich ausdrücklich aus. Wir werden beim freiwilligen Modell bleiben."

Lauterbach: Gesamter Vorgang ist anonym

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach versicherte, die Nutzung sei aus Sicht des Datenschutzes unbedenklich: "Niemand wird kontrolliert", sagte er. "Es werden nur Zahlencodes ausgetauscht. Von diesen Zahlen aus kann niemand auf die Person schließen. Der gesamte Vorgang ist anonym." Er verspreche sich "keine Wunder davon, aber eine Menge im Kampf gegen das Virus."

Die Regierung wies Forderungen aus der Opposition zurück, Regelungen zur Freiwilligkeit und zum Datenschutz in einem eigenen Gesetz festzuschreiben. In der Datenschutzgrundverordnung sei alles Notwendige geregelt, argumentierte etwa Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).

Nutzung der App darf niemals als Zutrittsvoraussetzung für Arbeitgeber, Restaurants oder Behörden definiert werden

Die Verbraucherzentralen pochen darauf, dass die App tatsächlich freiwillig bleibt. So dürfe es nicht sein, dass etwa Arbeitgeber, Restaurants oder Behörden eine Nutzung der App doch einmal als Zutrittsvoraussetzung definierten. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht sagte: "Ich bin davon überzeugt, dass es einen breiten gesellschaftlichen Konsens darüber gibt, dass niemand benachteiligt werden darf, der die App – aus welchen Gründen auch immer – nicht nutzt."

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz forderte, besonders Beschäftigte in Pflegeheimen, Krankenhäusern und Arztpraxen zum Mitmachen zu sensibilisieren. Justizministerin Lambrecht sagte den Funke-Zeitungen, aus ihrer Sicht sei die Warn-App für Kinder mit Smartphones genauso zu empfehlen wie für Erwachsene - das müsse aber jede Familie für sich selbst beurteilen.

Der Deutsche Städtetag appellierte an die App-Nutzenden, den Kontakt zum örtlichen Gesundheitsamt zu suchen, wenn die App ihnen eine Warnung anzeigt: "Damit können sie ein effizientes und zügiges Arbeiten der Gesundheitsämter unterstützen", sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy.