Diagnose Vorhofflimmern: Den Finger am Puls haben

Vorhofflimmern (VHF) wird bei vielen Patienten noch immer zufällig oder erst nach einem Schlaganfall entdeckt. Die Diagnose ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Risikoreduktion beim Schlaganfall.

Ein unerkanntes und unbehandeltes VHF ist eine chronische und progressive Erkrankung – die frühe Diagnose und Behandlung sind daher sehr wichtig.

Vorhofflimmern (VHF) wird bei vielen Patienten noch immer zufällig oder erst nach einem Schlaganfall entdeckt. Experten auf dem ESC 2018 plädierten daher nochmals eindringlich, Risikopatienten regelmäßiger auf VHF zu screenen. Denn die Diagnose ist ein wichtiger Ausgangspunkt für die Risikoreduktion beim Schlaganfall.

Ein Screening führt dazu, Patienten mit einer VHF zu diagnostizieren.

Daraufhin lässt sich deren Schlaganfallrisiko bestimmen und gegebenenfalls eine antikoagulative Therapie zur Risikoreduktion einleiten. Wie einfach ein solches Screening bereits umzusetzen ist und wie das Schlaganfallrisiko von VHF-Patienten sicher stratifiziert wird, diskutierten die Experten auf dem ESC 2018 in München.

Leitliniengerechte Diagnose des VHF und Risikostratifizierung

Die Diagnose des VHF richtet sich nach etablierten EKG-Kriterien. Eine VHF-Episode ist demnach mindestens 30 Sekunden lang. Sollte sie kürzer als 30 Sekunden sein, muss das VHF während der gesamten EKG-Aufnahme wiederkehrend auftreten. 
Je nach der Beständigkeit des VHF erfolgt die Einordnung nach der 4-P-Klassifikation:

Da die Klassifizierung nicht starr ist, sondern sich das VHF mit der Zeit auch progressiv verhält, ist eine frühe Behandlung indiziert, um das Schlaganfallrisiko zu vermindern. Aus Studien geht hervor, dass das Risiko für thombembolische Ereignisse mit der Krankheitslast des VHF, also der Häufigkeit der Episoden, zunimmt. So findet sich bei Patienten mit den höchsten VHF-Lasten ein etwa 3-fach höheres Risiko, wenn diese keine antikoagulative Therapie erhalten.

Das Schlaganfallrisiko für Männer und Frauen mit VHF wird z. B. mithilfe des CHA2-DS2-VASc ermittelt. Dabei ergeben sich für die folgenden Patientenparameter die zugehörigen Risiko-Werte:

Daraus leitet sich nach ESC-Leitlinie ein Bedarf zur Antikoagulation für Risiko-Werte ≥ 2 (für Männer) und ≥ 3 (für Frauen) ab (Empfehlungsgrad 1 A).

VHF-Screening: erst Puls, dann EKG

Ischämische Schlaganfälle sind hochgradig mit einem VHF assoziiert und dadurch, vorausgesetzt das VHF des Patienten ist diagnostiziert worden, auch zu einem Großteil vermeidbar. Noch immer wissen bis zu 9 % der Patienten mit einem Schlaganfall bis zu diesem Ereignis nichts über ihr VHF. Dabei kann ein VHF-Screening so einfach sein.

Es genügt, bei jedem Patientenkontakt erst einmal den Puls zu fühlen. Studien zeigten, dass dabei in etwa 1,4 % der über 65-Jährigen bereits ein VHF-Verdacht bestätigt werden konnte. Um ein VHF dann leitliniengerecht zu diagnostizieren, bedarf es einer EKG-Aufzeichnung, dies ist heute ebenso über Wearables oder Apps möglich, sollte jedoch immer ärztlich kontrolliert werden.

Fazit

Das Vorhofflimmern ist einer der Hauptrisikofaktoren für den Schlaganfall. Noch immer werden zu viele Patienten zufällig oder erst nach einem aufgetretenen Ereignis diagnostiziert. Da es sich beim VHF um eine progressive Erkrankung handelt, ist die frühe Diagnose und Behandlung sehr wichtig.

Insbesondere für Patienten im Alter ≥ 65 Jahre wird empfohlen, zumindest bei jedem Arzt-Patienten-Kontakt in der Praxis eingangs den Puls zu palpieren. Diejenigen Patienten, die bereits hier spürbare Unregelmäßigkeiten im Sinne eines VHF zeigen, sind in jedem Fall therapiebedürftig. Die Diagnose einer VHF sowie die Abklärung eines Verdachts auf kleinere VHF-Episoden muss nach ESC-Leitlinie stets über ein EKG gestellt werden. 

Quelle:

„Spectrum of non-valvular atrial fibrillation: burden of disease.“ (Veranstalter: Bristol-Myers Squibb und Pfizer Alliance), 27.08.2018, ESC München