"Die Menschen sind bereit für die Telemedizin"

David Meinertz, CEO des Telemedizinanbieters Zava, über die Pläne der Online-Praxis für den deutschen Markt und das Potenzial von Fernbehandlungen.

David Meinertz, CEO des Telemedizinanbieters Zava, über die Pläne der Online-Praxis für den deutschen Markt und das Potenzial von Fernbehandlungen.

Die Lockerung des Fernbehandlungsverbots gibt neuen Anbietern telemedizinischer Leistungen Zugang zum deutschen Markt. Zava (www.zavamed.com) – besser bekannt unter seinem früheren Namen DrEd – ist nach eigenen Angaben die größte ärztliche Online-Praxis Europas.

Das Unternehmen plant, in Kürze in Deutschland einen Standort zu eröffnen. Patienten mit deutschem Wohnsitz können sowieso bereits Behandlungs- und Beratungsangebote von Zava in Anspruch nehmen, müssen sie aber selbst bezahlen. Gründer und CEO David Meinertz erläutert Zavas Pläne für den deutschen Markt und spricht über das Potenzial von Telemedizin in Deutschland.

esanumZava hat vor kurzem bekannt gegeben, auch in Deutschland einen Standort zu eröffnen. Wie ist der aktuelle Stand? Was genau ist geplant?

Meinertz: Wir sind aktuell noch in der Planung. Unser Vorteil ist, dass unsere Ärzte von jedem Ort beraten und behandeln können. Das macht uns auch in der Wahl des Standorts flexibel. Hamburg, Schleswig-Holstein oder Baden-Württemberg sind genauso denkbar wie beispielsweise Berlin.

esanum: Bereits jetzt können Patienten aus Deutschland mit Zava in Kontakt treten. Welche Möglichkeiten haben Patienten, einen Ihrer Ärzte zu konsultieren? Wie läuft ein Patientengespräch ab?

Meinertz: Der Patient legt unter www.zavamed.com sein persönliches Patientenkonto an und wählt die gewünschte Beratung aus. Er beantwortet online einen medizinischen Fragebogen. Das alles dauert nur wenige Minuten. Der behandelnde Arzt analysiert die Informationen und stellt, falls medizinisch erforderlich, ein Rezept aus. Das Rezept wird auf Wunsch des Patienten direkt an eine Versandapotheke geschickt. Das Arzneimittel erhält der Patient in der Regel innerhalb von zwei Werktagen bis an die Haustür – diskret in neutraler Verpackung. Bei Unklarheiten fragen die Ärzte direkt beim Patienten nach oder verweisen bei Verläufen, die gegen eine telemedizinische Behandlung sprechen, an einen Arzt vor Ort.

esanum: Was sind die Gründe dafür, dass Gespräche per Videoübertragung bislang eher wenig Akzeptanz finden? Ein solches Gespräch käme der Praxissituation ja am nächsten.

Meinertz: Die Videosprechstunde allein funktioniert nicht. Weder liefert sie die Effizienz für das Gesundheitswesen, noch wird sie von Patienten viel nachgefragt. Aktuelle Zahlen des Bewertungsausschusses zeigen, dass im vierten Quartal 2017 bundesweit nur 68 Versicherte eine solche telemedizinische Beratung in Anspruch genommen haben. Der digitale Arztbesuch bedeutet, weit mehr als Ton und Bild via Internet zu übertragen. Beim Online-Banking möchte man auch nicht per Video mit einem Bankangestellten sprechen. Genauso ist es bei der Gesundheitsversorgung.

Was die Patienten suchen, sind digitale Behandlungsangebote, die ihren Ansprüchen und Alltagsgewohnheiten gerecht werden. Sie wollen medizinischen Rat zu jeder Zeit, von jedem Ort. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Patienten gerade den überwiegend schriftlichen Austausch schätzen. Im Zeitalter von Textnachrichten ist das ein vertrauter Kommunikationsweg. Video-Kommunikation eignet sich gut für Familie und Freunde, Textnachrichten sind etwas für alle. Dieser Trend zeigt sich auch bei der privaten Kommunikation: Es werden täglich etwa 65 Milliarden WhatsApp-Nachrichten verschickt, aber nur zwei Milliarden Videoanrufe geführt.

esanum: Für welche Zielgruppen ist Telemedizin interessant? Wie würden Sie Ihre typischen Patienten beschreiben?

Meinertz: Die medizinische Beratung und Behandlung über das Internet ist in vielen Fällen eine sinnvolle Alternative oder Ergänzung zum Arzt vor Ort. So zum Beispiel für die Versorgung chronisch kranker Menschen, die medikamentös bereits gut eingestellt sind, oder für Patienten, die regelmäßig Medikamente einnehmen – wie zum Beispiel die Antibabypille. Diese Patientengruppen profitieren von der medizinischen Versorgung über digitale Kanäle, ebenso wie immobile Menschen oder Bewohner von unterversorgten Regionen.

Aber auch Menschen mit anderen Beschwerden, wie beispielsweise Geschlechtskrankheiten, wenden sich an Zava. Sie schämen sich häufig dafür, mit ihren vermeintlich "peinlichen" Problemen zum Arzt zu gehen. Ihnen fällt der virtuelle Arztbesuch leichter als der Gang zum Mediziner vor Ort. Besonders häufig nehmen Männer zwischen 35 und 50 Jahren und Frauen zwischen 20 und 40 Jahren unsere medizinische Beratung und Behandlung in Anspruch.

esanum: Aus welchen Fachbereichen kommen die Ärzte bei Zava? Arbeiten sie aus ihrer Praxis oder von zuhause aus?

Meinertz: Bei Zava arbeiten Gynäkologen, Allgemeinmediziner, Internisten und Neurologen. Sie sind alle beim General Medical Council (GMC), der britischen Ärztekammer, registriert. Die Ärzte beraten und behandeln in der Regel von unserem Standort in London aus.

esanum: Wie wird die Leistung der Ärzte vergütet? Was kostet ein Termin die Patienten?

Meinertz: Wir beschäftigen derzeit etwa 20 approbierte Ärzte. Eine Behandlung kostet zwischen 9 bis 29 Euro, bei aufwendigen Diagnosen und Tests 29 bis 49 Euro. Sollte eine Behandlung aus der Ferne nicht möglich sein, stellen wir die Beratung nicht in Rechnung.

esanum: Welche Voraussetzungen müssen aus Ihrer Sicht erfüllt sein, damit Telemedizin und Fernbehandlungen Akzeptanz bei großen Teilen der Bevölkerung in Deutschland findet?

Meinertz: Auf der Grundlage des Rechts der freien Arztwahl beraten und behandeln wir bereits seit 2011 Patienten aus Deutschland. Die stark wachsende Nachfrage der letzten Jahre zeigt uns deutlich, dass die Menschen für die Telemedizin bereit sind. Auch die Zahl der Patienten, die wiederholt ärztlichen Rat bei Zava suchen, bestätigt uns, dass wir gute Arbeit leisten und dass die Menschen zunehmend Vertrauen zur Telemedizin fassen. Für viele von ihnen sind Online-Beratungen und -Behandlungen bereits gelebter Alltag. Die Entscheidung der Bundesärztekammer im Mai 2018 das Fernbehandlungsverbot zu lockern, ermöglicht es nun auch Ärzten in Deutschland Patienten aus der Ferne zu behandeln. Das hat die Telemedizin noch populärer gemacht.  

Um jedoch das Potenzial der Telemedizin ausschöpfen zu können und sie als alternativen Routineweg zu etablieren, ist die adäquate Erstattung telemedizinischer Leistungen der nächste logische Schritt. Dafür sollte mit der Fernbehandlung perspektivisch auch die Fernverschreibung zu einem festen Bestandteil der ärztlichen Versorgung werden.