Antagonisierung von Vitamin-K-Antagonisten

Die Rolle der Antagonisierung von Vitamin-K-Antagonisten bei ausgedehnten Hämatomen.

Die Rolle der Antagonisierung von Vitamin-K-Antagonisten bei ausgedehnten Hämatomen

Erst kürzlich konnte man sich über die Normalisierung der INR-Werte (international normalised ratio) bei Patienten mit intrakraniellen Hämorrhagien unter Kumarintherapie anhand der Studienergebnisse, von denen Thorsten Steiner und seine Kollegen berichteten, informieren. Ihre Studie war der erste multizentrisch angelegte, randomisiert kontrollierte Vergleich zwischen Fresh Frozen Plasma (FFP) und dem sogenannten Four Factor Prothrombin Complex Koncentrat (PCC) bei Patienten mit intrakraniellen Hämorrhagien (INCH), die in Zusammenhang mit der Gabe von Vitamin-K-Antagonisten (VKA-ICH) stehen. In der INCH-Studie führte der Einsatz von PCC innerhalb von drei Stunden nach Erstgabe zu einer effektiveren Normalisierung des INRs (Ziel-INR ≤1,2) sowie zu einer geringeren Hämatomausdehnung nach drei und nach 24 Stunden.

Den Ergebnissen ist durchaus Beachtung zu schenken, wenn auch verschiedene Limitationen bei der Interpretation der INCH-Studie berücksichtigt werden müssen. Obwohl ein Ziel-INR von 1,2 oder weniger ein klinisch signifikanter Endpunkt sein mag, ist es unwahrscheinlich, dass FFPs zu einer INR-Umkehr dieses Ausmaßes führen können. Die Wahl dieses primären Endpunktes unterliegt möglicherweise per se einem Bias und könnte zur Bevorzugung der PCC-Therapie geführt haben.

Darüber hinaus muss die Darstellung zum Outcome der Hämatomvolumina durch Steiner und seine Kollegen hinterfragt werden. Die mittlere absolute Differenz bezüglich des Hämatomvolumens lag in der FFP-Gruppe bei 23,7 ml (Standardabweichung 28,4) und in der PCC-Gruppe bei 9,7 ml (20,9; p=0,023). Und obwohl die Tatsache, dass nach drei Stunden bei der PCC-Gruppe ein geringeres Hämatomvolumen als in der FFP-Gruppe zu verzeichnen ist, nicht von der Hand zu weisen ist, so suggeriert die hohe Standardabweichung doch eine Verteilung, die nicht der Norm entspricht. Eine adäquatere Variante, diese Daten zu präsentieren, wäre die Darstellung via Mediane mit dem entsprechenden statistischen Test gewesen.

Darüber hinaus ist ein systolischer Zielblutdruck von weniger als 160 mmHg bei Patienten unter VKA-ICH-Therapie sicherlich vernünftig. Und obwohl dieser Zielwert bis zum Ende der Intervention für beide Gruppen erreicht werden konnte, lag der systolische Blutdruck bei FFP-Patienten zum Ausgangszeitpunkt um 13 mmHg und nach drei Stunden um 10 mmHg höher als in der Vergleichsgruppe. Obwohl die Blutdrücke in der INCH-Studie kein festgelegter Outcomeparameter waren, so waren sie doch mit der Hämatomausdehnung assoziiert und sollten bei der Bewertung des Outcomes berücksichtigt werden. In zurückliegenden Studien konnte gezeigt werden, dass mit einem systolischen Blutdruckanstieg um jeweils 10 mmHg die Werte für neurologische Verschlechterungen (Odds Ratio 4,45, 95% Konfidenzintervall 2,03–9,74), Hämatomausdehnung (1,86, 1,09–3,16) und ungünstiges Outcome (2,03, 1,24–3,33) alle signifikant erhöht waren.

Außerdem legen Steiner und seine Kollegen nahe, dass aufgrund der hohen Zahl von Patienten, die in der FFP-Gruppe notfallmäßig PCC bekommen mussten, die frühzeitige Antagonisierung mit hohen Konzentrationen an Gerinnungsfaktoren entscheidend ist. Der Argumentation, dass eine frühe Gabe von PCC zur Umkehr des INRs auf Werte von 1,2 oder weniger zur Prävention einer Hämatomausdehnung wichtig ist, kann man zustimmen. Trotzdem sind die Gründe einer Hämatomausdehnung immer multifaktoriell. Dies wird auch anhand von Steiners Studienergebnissen deutlich, die zeigen, dass 44% der Patienten nach drei Stunden trotz einer 67%igen Rate mit Erreichen des Ziel-INRs unter PCC-Therapie ausgedehntere Hämatome entwickelten. Außerdem wurde ein dosisabhängiger Zusammenhang mit Thromboembolien nicht vollständig untersucht.

Die INCH-Studie hat erste prospektive Daten zum Benefit von PCC bei Patienten unter  VKA-ICH-Therapie erbracht. Breiter angelegte randomisierte Studien mit alternativen Dosierungen von PCC und Evaluierung klinischer Outcomeparameter wären wünschenswert, um die optimale Balance zwischen einer Antagonisierung der Antikoagulation und unerwünschten Ereignissen zu definieren.