Droht auch bei uns eine Opioidkrise?

Der Opioidverbrauch bei europäischen RheumatikerInnen steigt immer weiter an, so eine Auswertung aktueller Zahlen aus Katalonien/Spanien. Das Beispiel USA drängt sich hierbei auf – Laufen wir also sehenden Auges in eine Katastrophe?

Immer mehr SchmerzpatientInnen nehmen Opioide

Der Opioidverbrauch bei europäischen RheumatikerInnen steigt immer weiter an, so eine Auswertung aktueller Zahlen aus Katalonien/Spanien. Das Beispiel USA drängt sich hierbei auf – Laufen wir also sehenden Auges in eine Katastrophe?

Der spanischen Auswertung zufolge stieg der Verbrauch von Opioiden bei PatientInnen mit Osteoarthritis zwischen 2007 und 2016 von 15% auf 25%. Die Erhebung basierte auf den
Gesundheitsdaten von 80% der katalanischen Bevölkerung, was in etwa sechs Millionen PatientInnen entspricht.

Zeitlich begrenzte Verschreibung

Opioide sind sehr wirksame Schmerzmittel, die in Deutschland zu rund 70% für PatientInnen mit chronischen Nicht-Tumor-Schmerzen verschrieben werden. Gemäß Leitlinie kommen Opioide unter anderem bei chronischen Osteoarthritis-(Arthrose-)schmerzen für eine vier bis zwölf Wochen andauernde Behandlung in Betracht. "Für diese Indikation gibt es eine ausreichende wissenschaftliche Datengrundlage zur Wirksamkeit und Sicherheit“, sagte Professor Dr. med. Ulf Müller-Ladner, Ärztlicher Direktor der Abteilung Rheumatologie und Klinische Immunologie der Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim, in der gestrigen Online-Pressekonferenz anlässliche des EULAR 2020, der in der kommenden Woche seine in diesem Jahr nur virtuellen Türen öffnen wird.

Nach dieser Zeit von bis zu 12 Wochen sollte aber auch definitiv ein Absetzen erfolgen, denn Opioide haben
zum Teil starke Nebenwirkungen. Dazu gehören vor allem Übelkeit, Erbrechen sowie Obstipation, aber auch Schwindel und allgemeine Müdigkeit. Die größte Gefahr geht allerdings von den zentralnervösen Wirkungen dieser Mittel aus. "Opioide bringen ein äußerst starkes Suchtpotenzial mit. Der psychische Entzug von den Medikamenten ist deshalb häufig sehr schwer", so Müller-Ladner weiter.

Frauen, Ältere und sozial Schwache mit höchstem Suchtrisiko

Ein besonderes Risiko, von Opioiden abhängig zu werden, findet sich nach den Daten der Katalonien-Studie zu urteilen insbesondere bei Frauen (4% mehr Betroffene Frauen als Männer), ältere PatientInnen (10% mehr als PatientInnen jüngeren Alters) sowie sozial Benachteiligte (bis zu 6% mehr betroffenen als gutsituierte Bevölkerungsschichten). Anders als vielleicht vermutet, ist das Problem der Opioidlangzeiteinnahme auf dem Lande sogar noch größer als in der Statdt (+ 1%).

Opioide nach Schmerzstillung oft nicht mehr abgesetzt

Eine weitere Studie aus Island zeigte zudem, dass Opiode auch nachdem die Schmerzursache  erfolgreich bekämpft worden ist, das Opioid nicht abgesetzt, sondern vielfach sogar noch mehr davon angewendet wird:

PatientInnen mit entzündlichen Gelenkerkrankungen setzten beispielsweise ihre Opioide nicht ab, nachdem eine präzisere Behandlung mit wirksamen Entzündungshemmern eingeleitet worden war. Stattdessen erhöhten sie die Dosis sogar noch weiter.

Fazit für die Praxis

"Es gibt ganz aktuell einen dringenden Handlungsbedarf“, so EULAR-Präsident Professor Iain McInnes aus Glasgow, UK. Die Opioid-Sucht habe sich mittlerweile zu einem bedeutenden Problem entwickelt. Das Risiko der körperlichen und seelischen Suchtentwicklung sei bei bestimmungsgemäßem Gebrauch von Opioiden allerdings gering.

"Deshalb möchten wir das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Umgang sowohl auf der Seite der Verschreiber als auch der Einnehmenden schärfen“, sagte Professor John Isaacs von der Universität Newcastle (UK) abschließend. Er hat den wissenschaftlichen Vorsitz des EULAR inne. Um chronische Schmerzen zu lindern, sollten seiner Meinung nach Medikamente ohnehin nur Teil eines umfassenderen Therapieprogramms sein, in dem ÄrztInnen, PsychologInnen und PhysiotherapeutInnen zusammenarbeiten.“

Quelle: EULAR 2020, Online-Pressekonferenz vom 27.05.2020