Effizientere Risikobewertung von Nanomaterialien

Die Nanotechnologie boomt. Doch die Risikobewertung dieser winzigen Partikel ist aufwendig und stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor große Herausforderungen. Forscherinnen und Forscher haben nun nach Ansatzpunkten für effizientere Testverfahren gefahndet.

ForscherInnen finden neue Biomarker

Die Nanotechnologie boomt. Doch die Risikobewertung dieser winzigen Partikel ist aufwendig und stellt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) vor große Herausforderungen. ForscherInnen des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) haben nun in Kooperation mit Wissenschaftlern des BfR nach Ansatzpunkten für effizientere Testverfahren gefahndet und dafür die biologischen Effekte genauer unter die Lupe genommen. 

Ob in Farb- oder Baustoffen, Kosmetikprodukten, in der Elektronik oder der Medizin – Nanomaterialien werden heute vielseitig eingesetzt. Doch was für Stoffe sind das eigentlich? "Nanomaterialien definieren sich allein über ihre Größe“, erklärte Dr. Kristin Schubert vom Department für Molekulare Systembiologie am UFZ: "Sind sie zwischen einem und hundert Nanometern groß, werden sie als Nanomaterialien bezeichnet."

Liste der zu testenden Substanzen wird täglich länger

Um sich ihre Winzigkeit vorstellen zu können: Ein Nanometer entspricht nur einem Millionstel Millimeter. Und weil Nanomaterialien so klein sind, können sie etwa über die Lunge, die Haut oder den Magen-Darm-Trakt leicht in den Körper gelangen und dort womöglich zu unerwünschten Wirkungen führen. Nanomaterialien müssen daher im Hinblick auf mögliche Gesundheitsrisiken überprüft werden, bevor sie industriell produziert, angewendet und vermarktet werden dürfen – genauso wie herkömmliche Chemikalien auch.

Die Testverfahren werden dabei aktuell für jedes einzelne Nanomaterial durchgeführt. Und weil sich schon kleinste Veränderungen – wie etwa Größe oder Oberflächenbeschaffenheit – auf die Toxizität auswirken können, wird auch für jede Variante eines Nanomaterials eine separate Prüfung vorgenommen. "Die Risikobewertung von Nanomaterialien ist mitunter schwierig und sehr aufwendig", sagte Dr. Andrea Haase vom BfR. "Und die Liste der zu testenden Substanzen wird täglich länger, da die Nanotechnologie zu einer Schlüsseltechnologie mit breiten Anwendungsfeldern heranwächst. Wir müssen daher dringend Lösungen für eine effizientere Risikobewertung finden."

Epithelzellen aus der Lunge von Ratten wurden verschiedenen Nanomaterialien ausgesetzt

Wie können Nanomaterialien sinnvoll in Gruppen zusammengefasst werden? Wo finden sich Ähnlichkeiten in ihrer Wirkung? Und welche Stoffeigenschaften stehen mit der Wirkung in Zusammenhang? Diesen Fragen sind die WissenschaftlerInnen des UFZ und des BfR gemeinsam mit Vertretern der Industrie in ihrer aktuellen Studie nachgegangen. "Unseren Fokus haben wir dabei auf die biologischen Effekte gelegt und geschaut, welche Moleküle und Signalwege in der Zelle durch welche Arten von Nanomaterialen beeinflusst werden“, sagte Schubert.

In in vitro-Versuchen haben die ForscherInnen Epithelzellen aus der Lunge von Ratten verschiedenen Nanomaterialien ausgesetzt und nach zellinternen Veränderungen gefahndet. Dafür haben sie sogenannte Multiomics-Methoden angewandt: Sie bestimmten mehrere tausend Zellproteine, verschiedene Lipide und Aminosäuren und untersuchten wichtige Signalwege in der Zelle. Mit Hilfe eines neuartigen bioinformatischen Analyseverfahrens werteten sie riesige Datenmengen aus und kamen zu interessanten Ergebnissen.

Nanomaterialien bereits im Herstellungsprozess optimieren

"Wir konnten zeigen, dass toxisch wirkende Nanomaterialien zunächst oxidativen Stress auslösen und dabei bestimmte Proteine in der Zelle hoch- oder herunterreguliert werden“, erklärte Schubert: "Diese Schlüsselmoleküle können künftig als Biomarker dienen, um schnell und zielgerichtet mögliche toxische Effekte von Nanomaterialien aufspüren und nachweisen zu können.“ Ist die Toxizität des Nanomaterials hoch, nimmt der oxidative Stress zu, es entstehen Entzündungsprozesse und irgendwann stirbt die Zelle ab. "Wir haben nun besseres Verständnis darüber erlangt, wie Nanomaterialien in der Zelle wirken“, sagte Haase: "Und mit Hilfe von Biomarkern können wir nun auch sehr viel geringere toxische Wirkungen ausmachen, als dies bislang möglich war.“

Weiterhin ließen sich zwischen bestimmten Eigenschaften von Nanomaterialien und Veränderungen im Zellstoffwechsel eindeutige Zusammenhänge nachweisen. "So konnten wir beispielsweise zeigen, dass Nanomaterialien mit einer großen Oberfläche in der Zelle ganz anders wirken als solche mit einer kleinen Oberfläche“, sagte Schubert. Zu wissen, welche Parameter maßgeblich für toxische Wirkungen verantwortlich sind, ist durchaus sinnvoll. Denn so können Nanomaterialien beispielsweise durch kleine Veränderungen bereits im Herstellungsprozess optimiert und toxische Effekte reduziert werden.