Einst gelähmte Schlaganfallpatienten können wieder laufen

Eine neue Studie zeigt eine Methode, mit der Schlaganfallpatienten wieder laufen konnten, nach Stammzelltransplantation. Die Ergebnisse einer kleinen klinischen Studie bieten für all die Menschen Hoffnung, die in der Folge eines Schlaganfalles motorisch beeinträchtigt sind.

Eine neue Studie zeigt eine Methode, mit der Schlaganfallpatienten wieder laufen konnten, nach Stammzelltransplantation.

Die Ergebnisse einer kleinen klinischen Studie bieten für all die Menschen Hoffnung, die in der Folge eines Schlaganfalles motorisch beeinträchtigt sind. Die Studie fand heraus, dass eine Injektion von adulten Stammzellen in das Gehirn, verlorene motorische Funktionen bei diesen Patienten wiederherstellen konnte. Diese Wiederherstellung ging teilweise so weit, dass einige Patienten nach der Behandlung wieder gehen konnten.

Der Erstautor der Studie ist Dr. Gary Steinberg, Professor und Vorsitzender der Neurologie an der Stanford University School of Medicine in Palo Alto, Kalifornien. Er und seine Kollegen veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Zeitschrift Stroke.

Obwohl die Studie nur eine geringe Anzahl von Schlaganfallpatienten umfasste, wurden die Ergebnisse von der wissenschaftlichen Gemeinschaft äußerst positiv aufgenommen. Einige Gesundheitsexperten sehen in der Methode schon jetzt eine potentiell “lebensverändernde Behandlung” für Schlaganfall-Patienten.

In den USA sind jährlich 795.000 Menschen von einem Schlaganfall betroffen

In den Vereinigten Staaten erleiden jedes Jahr mehr als 795.000 Menschen einen neuen oder wiederholten Schlaganfall.

Der ischämische Schlaganfall, welcher rund 87 Prozent aller Schlaganfälle ausmacht, ist die mit Abstand häufigste Form. Er tritt immer dann auf, wenn der Fluss von sauerstoffreichem Blut zum Gehirn blockiert wird – hauptsächlich aufgrund von Blutgerinnseln.

Auf den sogenannten hämorrhagischen Schlaganfall entfallen rund 13 Prozent aller Schlaganfälle. Sie entstehen durch undichte oder gerissene Blutgefäße im Gehirn.

Wie ein Schlaganfall eine Person letztendlich beeinflusst, ist einerseits davon abhängig, an welcher Stelle er im Gehirn auftritt. Andererseits ist die Größe des betroffenen Areals entscheidend für den von ihm verursachten Schaden. Einige Personen erleiden beispielsweise eine temporäre Arm- oder Beinschwäche, währenddessen andere die Fähigkeit, zu sprechen oder zu laufen, verlieren.

Laut der National Stroke Association erleiden rund zwei von drei Schlaganfallpatienten in der Folge irgendeine Form von langfristiger Behinderung. Der Schlaganfall ist die häufigste Ursache für Behinderungen bei erwachsenen Amerikanern.

Für tPA ist es meistens zu spät

Für einen Schlaganfall stehen verschiedene Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung – eine Methode ist die Verabreichung von Tissue Plasminogen Activator (tPA), die gegenwärtig als “Goldstandard” für die kausale Therapie des ischämischen Schlaganfalls gilt. tPA funktioniert, indem die Auflösung des Blutgerinnsels veranlasst wird, Blutgerinnsel blockieren die Blutzufuhr zum Gehirn.

Das Medikament muss jedoch innerhalb von wenigen Stunden nach dem Auftreten des Gefäßverschlusses verabreicht werden, um die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Revaskularisierung zu maximieren. Dr. Steinberg und seine Kollegen stellten im Rahmen ihrer Untersuchungen fest, dass dieser kritische Zeitraum oft schon überschritten ist, wenn die Patienten im Krankenhaus ankommen. Oft ist eine kausale Behandlung deshalb nicht mehr möglich, die Möglichkeiten der Ärzte sind in dem Fall sehr begrenzt.

Wenn die Behandlung nicht rechtzeitig eingeleitet wird, ist die Chance des Patienten auf eine vollständige Genesung vergleichsweise gering.

Stammzell-Transplantation gegen die Folgen eines Schlaganfalls

In der neuen Studie fanden Forscher nun jedoch heraus, dass eine Stammzelltransplantation die Erholung der Patienten verbessern konnte, sofern sie bis zu drei Jahre nach dem Schlaganfall durchgeführt wird.

Für ihre Studie rekrutierte das Forscherteam 18 Personen, die vor sechs Monaten bis drei Jahren einen ersten Schlaganfall erlitten haben. Das durchschnittliche Alter der Probanden lag bei 61 Jahren. Alle Teilnehmer hatten als Folge ihres Schlaganfalls eine motorische Behinderung; einige Patienten waren nicht in der Lage, ihren Arm zu bewegen, während andere nicht mehr gehen konnten.

Im weiteren Verlauf wurde jeder Patient einer Stammzell-Transplantation unterzogen. Dabei bohrten Ärzte ein Loch in den Schädel und injizierten SB623-Zellen in die jeweils vom Schlaganfall betroffenen Bereiche des Gehirns.

SB623-Zellen sind mesenchymalen Stammzellen (MSCs), die aus dem Knochenmark zweier Spender entnommen und entsprechend ihrer geplanten Bestimmung modifiziert wurden.

Nach dem Eingriff wurde jeder Patient durch Bildgebung des Gehirns, Bluttests und anhand von klinischen Bewertungen engmaschig überwacht.

Nach der Transplantation konnten Patienten wieder laufen

Innerhalb des ersten Monats, nach der Prozedur, bemerkten die Forscher, dass die Patienten damit begannen, erste Anzeichen einer Erholung zu zeigen. Diese Verbesserungen setzten sich über die darauffolgenden Monate fort.

In dem motorischen Teil des Fugl-Meyer-Assessments, einem Schlaganfall-spezifischen Test für Beeinträchtigungen, verbesserten sich die Patienten im Durchschnitt um ganze 11,4 Punkte.

Man stellte darüber hinaus fest, dass diese Verbesserungen für mindestens ein Jahr und bei einigen Patienten sogar mehr als zwei Jahre angehalten haben.

Steinberg berichtet von Patienten, die vor der Behandlung ihre Daumen nicht bewegen konnten, oder im Rollstuhl saßen. Nach der Durchführung der Transplantation waren diese wieder in der Lage, bestimmte Gliedmaßen zu bewegen oder sogar wieder zu gehen.

Eine Teilnehmerin, die durch das Stammzellverfahren eine derart deutliche Verbesserung ihrer motorischen Funktionen erfuhr, ist die 36-jährige Sonia Olea Coontz aus Long Beach, Kalifornien.

Nachdem sie im Mai 2011 einen Schlaganfall erlitt, verlor sie die Fähigkeit, ihren rechten Arm zu bewegen. Obwohl sie ihr rechtes Bein teils noch benutzen konnte, war sie oft auf den Einsatz eines Rollstuhls angewiesen.

Nach der Operation jedoch, berichtet Coontz, dass ihre Glieder gewissermaßen “aufgewacht” sind. Dr. Steinberg und Kollegen hoffen, dass das Verfahren zukünftig ein ähnlich positives Ergebnis für Millionen von anderen Schlaganfallpatienten erzielen kann.

Es gibt gegenwärtig beinahe sieben Millionen chronische Schlaganfallpatienten in den Vereinigten Staaten. Sollte sich endgültig herausstellen, dass die Behandlungsmethode dieser riesigen Patientengruppe tatsächlich helfen kann, hätte das Verfahren ein riesiges Potenzial.

Das Potenzial zur Behandlung von Schlaganfällen und anderen neurodegenerativen Erkrankungen

Nachdem die SB623-Zellen in die Gehirne der Patienten injiziert wurden, lebten sie dort nur etwa einen Monat lang, bevor sie abstarben. Die Forscher reagierten dementsprechend überrascht, als sie feststellten, dass die Patienten noch viele Monate über diese Lebenszeit hinaus motorische Verbesserungen zeigten.

Dr. Steinberg spekuliert, dass die SB623-Zellen kurz nach ihrer Implantation, in unmittelbarer Nähe der geschädigten Bereiche, Stoffe sezernieren, die dem Nervengewebe den Impuls zur Reaktivierung und Regeneration geben. Dies würde sich letztendlich positiv auf die Motorik auswirken.

Die Forscher glauben, dass die Anwendung dieser Behandlungsform möglicherweise nicht nur auf Schlaganfall-Patienten beschränkt ist – vielmehr denken sie, dass sie das Potenzial hat, eine ganze Reihe von Erkrankungen zu behandeln, bei denen das Hirngewebe verletzt wurde.

Dies könnte unser Konzept von dem, was nach Schlaganfällen, traumatischen Hirnverletzungen und neurodegenerativen Erkrankungen geschieht, revolutionieren.

Gewebeschäden könnten wieder rückgängig gemacht werden

Die Vorstellung war bisher immer die, dass sich unser Gehirn nicht mehr von einem erlittenen Gewebeschaden erholen kann – Betroffene müssten unumkehrbar mit den Konsequenzen leben. Wenn man nun jedoch herausfinden könnte, wie man beschädigte Hirnareale wieder in Gang bringt, könnte man solche Konsequenzen vielleicht doch rückgängig machen. Die Studie von Dr. Gary Steinberg ist ein erster Beweis dafür, dass verlorene Hirnschaltungen in der Tat wiederbelebt und Folgen eines erlittenen Schadens möglicherweise bald behoben werden könnten.

Die Forscher geben an, dass 78 Prozent der Teilnehmer vorübergehende Kopfschmerzen verspürten. Das Team glaubt, dass diese in Zusammenhang mit dem Eingriff der Transplantation stehen.

Einige der Patienten berichteten darüber hinaus von vorübergehender Übelkeit und Erbrechen. Es konnten jedoch keine bedeutenden Auffälligkeiten im Blutbild festgestellt werden.

Ein wichtiger Vorteil von mesenchymalen Stammzellen ist nach Ansicht der Autoren, die Tatsache, dass sie nicht durch das Immunsystem abgestoßen werden. Ausgenommen davon sind Zellen, die dem Knochenmark von Spendern entstammen. In dieser Studie erhielt keiner der Teilnehmer Immunsuppressiva.

Das Forscherteam ist gegenwärtig damit beschäftigt, Probanden für eine randomisierte, doppelblinde und multizentrische Phase-IIb-Studie zu rekrutieren. Sie soll die Sicherheit und Wirksamkeit des Verfahrens bei 156 Schlaganfall-Patienten mit motorischer Behinderung weiter untersuchen.