Forschung und Politik suchen Wege aus der Antibiotika-Falle

Am 19. und 20. Mai 2017 findet das G20-Gesundheitsministertreffen mit Schwerpunkt Antibiotika-Resistenzen statt. Ein Fortbildungs- und ein Forschungsprojekt des Universitätsklinikums Freiburg soll dazu zeigen, wie das Problem Antibiotika-Resistenz gelöst werden könnte.

Rückfall in "Vor-Antibiotika-Zeiten" droht

Am 19. und 20. Mai 2017 findet das G20-Gesundheitsministertreffen mit Schwerpunkt Antibiotika-Resistenzen statt. Ein Fortbildungs- und ein Forschungsprojekt des Universitätsklinikums Freiburg soll dazu zeigen, wie das Problem Antibiotika-Resistenz gelöst werden könnte.

Dieses Jahr treffen sich in Berlin zum ersten Mal die Gesundheitsminister der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Ein Schwerpunkt dieser G20-Konferenz soll der Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen sein. Denn viele Erreger haben gegen einen Großteil der verfügbaren Medikamente Resistenzen entwickelt. Zunehmend sind selbst einfachste bakterielle Infektionen nicht mehr behandelbar und können zum Tod des Patienten führen. Um Ärztinnen und Ärzte sowie Apothekerinnen und Apotheker im Umgang mit Antibiotika besser zu schulen, wurde 2010 am Universitätsklinikum Freiburg ein einmaliges Fortbildungsprogramm gestartet, das mittlerweile bundesweit erfolgreich ist. Außerdem wird derzeit in einer europäischen Studie unter Leitung des Universitätsklinikums Freiburg untersucht, wie sich resistente Erreger regional und über Ländergrenzen hinweg ausbreiten.  

Ärzte erfolgreich im Umgang mit Antibiotika schulen

“Wenn Antibiotika weiterhin so ungezielt verordnet werden wie in der Vergangenheit, droht uns ein Rückfall in Vor-Antibiotika-Zeiten. Das müssen und können wir vermeiden“, sagt Prof. Dr. Winfried Kern, Leiter der Abteilung für Infektiologie des Universitätsklinikums Freiburg. “Leider fehlt den Ärzten bislang oft das nötige Wissen, wann und wie Antibiotika gezielter eingesetzt werden können, und wie ohne Gefährdung des Patienten ihr Einsatz reduziert werden kann.“ Darum startete der Infektiologe bereits 2009 die erste Fortbildungsinitiative zur sinnvollen Verwendung von Antibiotika, das Programm “Antibiotic Stewardship“. Die Teilnehmer lernen in mehreren Schritten alles von den Grundlagen der Resistenzentstehung über die Behandlung schwerer Infektionen bis zur umfassenden Planung und Durchführung eigener Maßnahmen, um den Antibiotika-Einsatz im Krankenhaus zu verringern.

Bis Mitte 2017 wurden in dem deutschlandweit einzigartigen Programm über 500 Klinik-Ärzte und -Apotheker zu “Antibiotika-Experten“ fortgebildet. Rund 800 Teilnehmer befinden sich derzeit in der Fortbildung, die mittlerweile an neun Standorten in Deutschland angeboten wird. “Das Ziel ist, an kleineren und mittelgroßen Akut-Krankenhäusern ein Team von geschulten Ärzten und Apothekern zu haben, die die dortigen Ärzte beraten und  den Antibiotikaeinsatz überwachen. Mindestens weitere 500 solcher Experten werden gebraucht“, sagt Prof. Kern. Das Programm wurde 2010-2013 vom Bundesgesundheitsministerium unterstützt und beim G7-Gipfel im Jahr 2015 den Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten Industrienationen als “Best practice“-Beispiel vorgestellt.

Wetterkarte für resistente Erreger

Nur wer weiß, wie sich resistente Bakterien ausbreiten, kann eine Übertragung gezielt stoppen oder ihr sogar vorbeugen. Wie genau diese Verbreitungswege sind, erforscht Prof. Dr. Hajo Grundmann, Leiter der Sektion Infektionsprävention und Krankenhaushygiene des Universitätsklinikums Freiburg. “Wir wissen aus früheren Studien, dass sich resistente Erreger zunächst vor allem innerhalb regionaler Versorgungsnetze ausbreiten, also etwa zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten“, sagt Prof. Grundmann. Doch bislang gibt es keine umfassenden Zahlen, wie sich Patienten innerhalb und über solche Netzwerke hinweg bewegen und damit resistente Erreger weitertragen.

Unter Leitung von Prof. Grundmann analysieren darum Forscher aus 36 Ländern in Europa das gesamte Erbgut resistenter Erreger mithilfe einer DNA-Sequenzierung. So werden verwandte Keime identifiziert und diese dann auf einer Landkarte eingetragen. “Ärzte oder Behörden können damit zukünftig erkennen, wie sich schwer behandelbare Erreger über Ländergrenzen hinweg ausbreiten, vergleichbar mit einer Gewitterfront auf der Wetterkarte. So könnte im besten Fall rechtzeitig gegengesteuert werden“, sagt Prof. Grundmann. Die Projektdaten sind bereits heute auf einer Website offen einsehbar.

Die beiden Projekte zeigen vielversprechende Wege, um Antibiotika-Resistenzen zurückzudrängen. “Um die Erfolge in die Breite zu tragen, müssen aber auch Netzwerke zwischen Kliniken, niedergelassenen Ärzten und Apothekern aufgebaut werden. Hier fehlt bislang oft das Geld. Das muss sich ändern“, sagt Prof. Grundmann.