"Genscheren-TÜV" soll Gentherapien sicherer machen

Forschende des Universitätsklinikums Freiburg haben ein Verfahren entwickelt, mit dem erstmals umfassend bewertet werden kann, wie präzise Genscheren sind. Diese Art der Überprüfung hat eine hohe Bedeutung für die Entwicklung und den Einsatz sicherer Gentherapien.

Prüfverfahren für fehlerhafte Schnitte entwickelt

Forschende des Universitätsklinikums Freiburg haben ein Verfahren entwickelt, mit dem erstmals umfassend bewertet werden kann, wie präzise Genscheren sind. Diese Art der Überprüfung hat eine hohe Bedeutung für die Entwicklung und den Einsatz sicherer Gentherapien

Gentherapien werden bei der Behandlung angeborener Erkrankungen und in der Krebstherapie eingesetzt, weitere Therapien werden derzeit entwickelt. Ob und wie präzise die dabei eingesetzten Genscheren ausschließlich am gewünschten Ort im Erbgut schneiden, konnte bislang nur unzureichend untersucht werden. Nun wurde am Universitätsklinikum Freiburg ein neues Auswertungsverfahren entwickelt, mit dem sich erstmals Ort und Umfang fehlerhafter Schnitte und potentiell gefährlicher Umstrukturierungen im Erbgut erkennen lassen. Bei allen getesteten Genscheren wurden zahlreiche unerwünschte Erbgut-Umlagerungen gefunden.

"Das von uns entwickelte Verfahren ist so etwas wie ein TÜV für Genscheren. Die CAST-Seq-Methode ermöglicht eine Risikobewertung von Genscheren vor der klinischen Anwendung bei PatientInnen“, sagt Prof. Dr. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Transfusions- und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg.

Gentherapien vor dem Einsatz sicherer machen

Genscheren wie CRISPR/Cas schneiden oft auch an anderen Stellen als am gewünschten Ort im Erbgut an. Man spricht dabei von Off-Target-Effekten. Nun wurde die CAST-Seq-Methode zur Identifizierung und Quantifizierung entsprechender unerwünschter Veränderungen an Chromosomen etabliert und damit Genscheren der Klassen CRISPR/Cas und TALEN unter anderem in Blutstammzellen untersucht. "Wir haben bei allen untersuchten Genscheren Off-Target-Effekte nachgewiesen. Zusätzlich konnten wir erstmals nachweisen, dass es auch zu Umlagerungen ganzer Erbgut-Abschnitte kommt." Solche chromosomalen Umlagerungen innerhalb des Erbguts können die Funktionsfähigkeit der Zellen einschränken oder Fehlfunktionen auslösen. Im schlimmsten Fall kann dies sogar zu tumorartigen Zellen führen.

Die untersuchten Genscheren befanden sich in der präklinischen Testphase. Mithilfe von CAST-Seq konnte nun entschieden werden, welche CRISPR/Cas-Genscheren sich für den therapeutischen Einsatz an PatientInnen eignen. Die Forschenden gehen davon aus, dass insbesondere die Entwickler von Genscheren – aber auch die Zulassungsbehörden – großes Interesse an diesem neuartigen Testverfahren haben werden. CAST-Seq erlaubt einerseits sichere Genscheren in einer frühen Entwicklungsphase zu identifizieren und andererseits die Durchführung einer genetischen Risikoanalyse, bevor eine klinische Studie initiiert wird.

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass wir uns weiterhin anstrengen müssen, Gentherapien noch sicherer zu machen. Gleichzeitig widersprechen sie nicht den großen Fortschritten und therapeutischen Entwicklungen, die wir und viele andere Forscher in den letzten Jahren gemacht haben", so Cathomen.

Quelle: Quantitative evaluation of chromosomal rearrangements in gene-edited human stem cells by CAST-Seq