Gerichtsstreit über Masernviren: Preisgeld an Arzt muss gezahlt werden

Ein Impfgegner vom Bodensee muss in einem kuriosen Streit um die Existenz von Masernviren 100 000 Euro an einen Arzt zahlen. Ist die Existenz von Masernviren eigentlich erwiesen? Und wenn ja: Könne

Ein Impfgegner vom Bodensee muss in einem kuriosen Streit um die Existenz von Masernviren 100 000 Euro an einen Arzt zahlen.

Ist die Existenz von Masernviren eigentlich erwiesen? Und wenn ja: Können sie Menschen krank machen? Was aus wissenschaftlicher Sicht völlig unstrittig ist, beschäftigte am Donnerstag das Landgericht Ravensburg. Die Kammer sollte klären, ob ein Mediziner aus dem Saarland zu Recht 100 000 Euro von einem Impfgegner vom Bodensee forderte. Dieser hatte eine entsprechende Prämie ausgelobt, wenn jemand die Existenz und Größe der Viren belegen könne. Der Arzt hatte genau das getan und das Geld vor Gericht eingefordert. Zu Recht, wie die Richter urteilten.

Der Mediziner war über das Internet auf das 100 000-Euro-Angebot des Biologen aufmerksam geworden. Er ließ sich die Wette erst schriftlich bestätigen und suchte dann sechs wissenschaftliche Publikationen zu dem Thema heraus. Mitsamt seiner Kontodaten schickte er sie dem Impfgegner aus Langenargen. Dieser wollte jedoch nicht zahlen, weil die Fachartikel aus seiner Sicht die Existenz und Größe der Viren – und auch ihre krankmachende Eigenschaft – nicht belegen können.

Genau diese krankmachende Eigenschaft zweifelt der Biologe nämlich an: Masern beispielsweise würden durch eine Vergiftung oder aber durch psychosomatische Faktoren ausgelöst und nicht durch Viren, sagt er. “Man sagt ja auch ‘jemand hat eine dünne Haut’, etwa nach einem Trauma.” Das Impfen gegen Masern und Viren generell habe daher keine wissenschaftliche Rechtfertigung.

Der Prozess in Ravensburg kam zu einer Zeit, in der in Deutschland erneut über eine mögliche Impfpflicht diskutiert wird. Denn allein in diesem Jahr haben sich mehr als 900 Menschen in der Bundesrepublik mit Masern angesteckt. Bis Ende Februar wurden an das Robert Koch-Institut Masernausbrüche aus 13 Bundesländern gemeldet. Nach Berlin gab es in Bayern, Brandenburg und Sachsen die meisten Patienten.

Unter Wissenschaftlern ist die Existenz von Masernviren unumstritten. Das sei völlig eindeutig, sagt der Leiter der Sektion für Infektiologie und Rheumatologie an der Uniklinik Freiburg, Philipp Henneke. Das sei so eindeutig wie wenige Dinge in der Medizin. “Schon vor 100 Jahren konnte die infektiöse Genese nachgewiesen werden. Eine Diskussion darüber ist aus meiner Sicht völlig abwegig.”

Ein Gutachter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie, Virologie und Hygiene an der Uni Rostock äußerte sich im Prozess ähnlich: “Die Existenz des Masernvirus ist in der Fachliteratur weltweit anerkannt”, sagte der Biologe und Mediziner. Er habe keinen Experten gefunden, der zu diese Frage Zweifel äußern würde. Das Gericht folgte seiner Einschätzung und urteilte, die Kriterien des Preisausschreibens seien formal und inhaltlich erfüllt worden.

Der Prozess hatte ursprünglich im April 2014 unter großem öffentlichen Interesse begonnen. Damals wurde er aber nach wenigen Minuten vertagt, weil das Gericht noch ein Gutachten einholen wollte. Auch bei der Fortsetzung am Donnerstag war der Gerichtssaal vollbesetzt – im Publikum saßen sowohl Impfgegner als auch -befürworter, die den Prozess mitunter lautstark kommentierten.

Wie emotional und heftig der Streit ums Impfen geführt werden kann, hatte der Kläger nach eigenen Angaben selbst erlebt: Er sei im Internet mehrfach verleumdet und bedroht worden und habe deshalb einen eigenen Bodyguard mitgebracht, ließ er über seine Anwältin mitteilen. Der Arzt selbst – der die Aufmerksamkeit der Medien beim Prozessbeginn 2014 noch ausgiebig genutzt hatte, um seine Ansichten zu verfechten – wollte sich am Donnerstag nicht mehr äußern. Der Grund: Er hat mit einem privaten Fernsehsender einen Exklusivvertrag abgeschlossen.

Nur soviel durfte seine Anwältin ausrichten: Das Preisgeld von 100 000 Euro wolle er spenden. “Konkret hat er es sich noch nicht überlegt”, sagte sie. “Aber auf jeden Fall will er mit dem Geld medizinische Projekte fördern.”

Text und Foto: dpa /fw

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