Große Bestürzung über unterlassene Hilfeleistung in Essen

Der hilflose Mann liegt mitten im Raum. Doch erst der fünfte Kunde, der mit dieser Situation im Vorraum einer Bankfiliale konfrontiert wird, ruft die Rettungskräfte. Das Vorbeigehen an Hilflosen ist laut Patientenschützern aber leider längst kein Einzelfall in Deutschland. Anlass für einen Appell zu mehr Barmherzigkeit und Nächstenliebe.

Der hilflose Mann liegt mitten im Raum. Doch erst der fünfte Kunde, der mit dieser Situation im Vorraum einer Bankfiliale konfrontiert wird, ruft die Rettungskräfte. Das Vorbeigehen an Hilflosen ist laut Patientenschützern aber leider längst kein Einzelfall in Deutschland. Anlass für einen Appell zu mehr Barmherzigkeit und Nächstenliebe.

Der Fall eines zusammengebrochenen alten Mannes, der im Vorraum einer Essener Bankfiliale von vier Kunden ignoriert wird und später stirbt, hat große Bestürzung hervorgerufen. “Mir geht dieser tragische Fall von unterlassener Hilfeleistung sehr nahe”, teilte der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur mit. “Ich glaube ganz fest, dass ohne echte Barmherzigkeit keine Gesellschaft letztlich existieren kann”, betonte der katholische Bischof. Wenn eher eingegriffen worden wäre, hätte der Tod des Mannes möglicherweise verhindert werden können.

Nach Einschätzung der Deutschen Stiftung Patientenschutz ist das Vorbeigehen an Hilfebedürftigen leider längst kein Einzelfall. “Nächstenliebe scheint uns fremd geworden zu sein – genau 500 Jahre, nachdem Luther das Wort in die deutsche Sprache gebracht hat”, erklärte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, am Sonntag. Um die «Hilflosigkeit im Nächsten» zu erkennen, brauche es keine Profis. “Das darf nicht die Alleinzuständigkeit von Polizei, Feuerwehr, Rettungsdienst oder Hospizbewegung sein”, unterstrich er.

Es komme immer wieder vor, dass Menschen vorbeifahren, wenn sie einen Unfall sehen oder nicht reagieren, wenn bei einem Nachbar anders als gewohnt die Rollos längere Zeit unten bleiben. “So etwas ist leider an der Tagesordnung, das macht die Betroffenheit aus”, sagte Brysch der Deutschen Presse-Agentur. Die Bilder einer Überwachungskamera aus der Essener Bankfiliale führten das Leid und die Ignoranz drastisch vor Augen. “Das muss uns aufrütteln, nicht wegzugucken”, betonte er.

Essens Oberbürgermeister Thomas Kufen (CDU) äußerte sich “nachdenklich und betroffen zugleich” zu dem vielbeachteten Fall in seiner Stadt. “Statt einen Rettungswagen oder die Polizei zu alarmieren, wird notwendige Hilfe unterlassen”, kritisierte er.

Die Essener Polizei sucht weiterhin nach vier Bankkunden, die dem 82 Jahre alten Rentner am 3. Oktober nicht geholfen hatten und dabei von Überwachungskameras gefilmt worden waren. Den Sterbenden beachteten sie nicht, obwohl er mitten in dem kleinen Raum lag. Erst der fünfte Kunde wählte dann den Notruf. Der Mann starb später im Krankenhaus. Der erschütternde Fall war erst jetzt öffentlich gemacht worden.

Einen neuen Ermittlungsstand gab es am Sonntag nach Auskunft eines Beamten zwar nicht. Die Essener Polizei ist aber sehr zuversichtlich, dass sie jene vier Bankkunden, die nacheinander kamen, um Geld abzuheben oder Überweisungen zu tätigen, relativ schnell ausfindig machen wird. Es handele sich dabei sowohl um Männer als auch um Frauen. “Gegen sie läuft ein Strafverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung”, sagte ein Polizeisprecher bereits am Samstag. “Wir sind sicher, dass wir die Personen zeitnah finden.”