Hausärztin und Hausarzt werden zu Experten beim Thema Organspende

Eine umfangreiche Kooperation zwischen dem Deutschen Hausärzteverband und der BZgA soll die aktive Spendebereitschaft der Deutschen erhöhen. Die Hausarztpraxis wird dabei zum zentralen Ort für Fragen, Beratung und Entscheidungsfindung.

Groß angelegte Informationskampagne soll Diskrepanz zwischen passiver und aktiver Spendebereitschaft verringern

Eine umfangreiche Kooperation zwischen dem Deutschen Hausärzteverband und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung soll dazu beitragen, die aktive Spendebereitschaft der Deutschen zu erhöhen. Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Freitag in Berlin wurde die Hausarztpraxis als zentraler Ort für Fragen, Beratung und Entscheidungsfindung hervorgehoben und die im November startende, mehrjährig angelegte, Informationskampagne vorgestellt.

In Deutschland sterbe noch immer alle acht Stunden ein Mensch, der vergebens auf eine Organspende gewartet habe, so Dr. Ralf Brauksiepe, Patientenbeauftragter der Bundesregierung.

Obwohl die geäußerte Spendebereitschaft der Deutschen hoch ist, schlägt sich diese bisher nicht in Zahlen nieder. Laut einer Umfrage der BZgA liegt die passive Akzeptanz, das heißt die grundsätzliche Bereitschaft einer Organ- oder Gewebespende, bei 84 Prozent der Befragten. Hingegen besitzen nur 36 Prozent tatsächlich einen Organspendeausweis.

Peter Lang von der BZgA sieht im Hausarzt einen "besonderen Gesprächspartner", dessen Stellung durch die Versorgung mit qualitätsgesicherten Informationen gestärkt werden soll, damit er in seiner Funktion als Vertrauensperson und Ansprechpartner die notwendigen Hilfen zur Entscheidungsfindung "authentisch" vermitteln kann.

Jeder vierte Befragte zwischen 14 und 75 Jahren gibt in der Repräsentativbefragung des BZgA an, mit seiner Ärztin oder seinem Arzt über das Thema sprechen zu wollen. 15 Prozent der Organspendeausweise werden in den Arztpraxen ausgegeben. Hier soll angesetzt werden, um noch mehr Menschen zu informieren. Die Hausärztinnen und Hausärzte, die ihre Patienten in vielen Fällen schon seit mehreren Jahren kennen, sind auf Grund ihrer Vertrauensstellung am besten geeignet, sowohl aufzuklären als auch Entscheidungsprozesse zu begleiten.

Gespräche müssen ergebnisoffen geführt werden

Ulrich Weigeldt, Bundesvorsitzender des Deutschen Hausärzteverbandes betont, dass es sich bei der in der Hausarztpraxis durchgeführten Beratung um "ergebnisoffene Gespräche“ handeln müsse, die die subjektive Entscheidungsfindung des Einzelnen erleichtern – niemand dürfe überredet werden.

Um das in der Praxis spürbare Informationsbedürfnis der Patienten zu decken, hat der Deutsche Hausärzteverband in Zusammenarbeit mit der BZgA ein Infopaket geschnürt, dessen erster Teil im November an rund 30.000 Hausärztinnen und Hausärzte versendet wird. Neben Informationen für den Arzt enthält es auch Materialien, die den Patienten ausgehändigt oder in der Praxis ausgelegt werden können und Poster, die bereits im Wartezimmer auf die Möglichkeit zur Beratung hinweisen. So soll ein größeres Bewusstsein für das Thema geschaffen und die Anregung gegeben werden, Fragen zu äußern.

Denn Fragen, und damit Gründe für die Diskrepanz zwischen passiver und aktiver Spendebereitschaft, gibt es viele – von Unsicherheiten in Bezug auf die unterschiedlichen Kriterien zur Todesfeststellung bis hin zu persönlichen Ängsten und der Scheu vor der Auseinandersetzung mit dem eigenen Tod.

Auch das Verhältnis von Organspendeausweis und Patientenverfügung ist unklar und kann widersprüchlich sein, da keines der beiden Dokumente dem anderen gegenüber vorrangige Gültigkeit besitzt.

Viele Menschen erklären in ihrer Patientenverfügung, auf lebenserhaltende intensivmedizinische Maßnahmen verzichten zu wollen. Sind sie gleichzeitig im Besitz eines Organspendeausweises, kann eine Organentnahme jedoch zwingend nur nach Feststellung des Hirntods unter künstlicher Beatmung und Aufrechterhaltung der Herz-Kreislauf-Funktionen erfolgen. 

Auf so komplexe Zusammenhänge hinzuweisen und diese sensibel zu diskutieren, erfordert nicht nur fachliche Kompetenz und Empathie, sondern auch Zeit.

Diese müsse den Hausärzten für die Erfüllung dieser wichtigen Aufgabe gegeben werden, so Weigeldt, und sie müsse sich auch in der Vergütung der Hausärzte abbilden lassen.