Hochumstritten: die Substitution von Biosimilars durch Apotheker

Der Gemeinsame Bundesausschuss muss in einer Richtlinie die Substitution von Biosimiliars durch Apotheker regeln. Ärzte, Arzneimittelkommission und Hersteller haben Bedenken.

Gesetzgeber will sich am Vorbild von Generika orientieren

Der gesetzliche Auftrag ist klar: Bis zum August muss der Gemeinsame Bundesausschuss regeln, unter welchen Voraussetzungen Aut-simile-Substitutionen durch Apotheker auch bei Biosimilars möglich sein sollen. Der Gesetzgeber hat sich dabei am Vorbild der Generika orientiert, bei denen es inzwischen gängige Praxis ist, dass Ärzte nur noch den Wirkstoff verordnen und Apotheker das je nach kassenspezifischem Rabattvertrag preisgünstigste Fertigarzneimittel auswählen. Von der Übertragung dieses Modells, das den Generika-Wettbewerb massiv verschärft hat, verspricht sich die Politik die Erschließung weiterer Sparpotenziale.

Fehlende ärztliche Expertise könnte Unsicherheiten fördern

Auf ärztlicher Seite hat sich die Arzneimittelkommission unter der Leitung von Professor Wolf-Dieter Ludwig eindeutig dagegen positioniert. Biosimilars, so Ludwig bei einem Symposion der AG Pro Biosimilars in Berlin, seien ein “wertvolles Instrument für eine rationale und kostengünstige Arzneimittelversorgung“. Voraussetzung für eine Umstellung der Therapie von Original zu Biosimilar oder unter verschiedenen Biosimilars gleichen Wirkstoffs sei stets die gründliche individuelle Information und Beratung des Patienten durch den Arzt. Ob Apotheker diesen Auftrag erfüllen könnten, sei ungewiss. Aus Studien sei bekannt, dass es als Folge von Skepsis und Unsicherheit bei Patienten zu Nocebo-Effekten kommen kann. Die Erfahrungen in anderen Ländern mit der Substitution von Biosimilars durch Apotheker seien negativ gewesen und überwiegend revidiert worden. Derzeit sei Norwegen das einzige Land, in dem dies praktiziert werde. 

UAWs von Biosimilars schwerer zu erfassen

Darüberhinaus führt Ludwig Argumente aus der Pharmakovigilanz an: Bei Biosimilars sei es notwendig, produkt- und chargenbezogen unerwünschte Arzneimittelwirkungen zu erfassen, weil es je nach Charge auch aufgrund von Modifikationen im Produktionsprozess Unterschiede geben kann. Eine chargenbezogene Dokumentation ist aber gegenwärtig bei einer Substitution durch den Apotheker nicht möglich, was von der Präsidentin der Apothekerkammer Berlin, Dr. Kerstin Kemmritz, bestätigt wird.

Kemmritz sieht aber auch einige andere Probleme bei der Substitution: das sei zum einen der hohe Beratungsaufwand angesichts einer erheblichen Verunsicherung der Patienten; das müsste auch in der Vergütung von Apothekern abgebildet werden. Ferner bräuchten Apotheker Rechtssicherheit beim Schutz vor Retaxation bei nicht möglicher Substitution. Ein weiteres Hindernis seien herstellerspezifische unterschiedliche  Devices zur Verabreichung der Arzneimittel. Diese müssten unter Umständen bei einer Substitution extra als Hilfsmittel verordnet werden – der Patient muss erneut zum Arzt, ein entsprechendes Rezept einholen und erneut die Apotheke aufsuchen.

Dagegen sehen die Krankenkassen, so Christina Sabic von der AOK Bayern, keine grundlegenden medizinischen Probleme bei einer Substitution von Biosimilars durch Apotheker. Notwendig sei aber ein Dialog mit allen Beteiligten, wie dies gestaltet werden sollte.

Verlagerung der Produktion von Biosimilars nach Asien befürchtet

Die Hersteller und ihr Verband Pro Biosimilars warnen eindringlich davor, die Kombination von Substitution und Rabattverträgen bei Generika auf Biosimilars zu übertragen. Bei den Generika habe dies zu einem Preis- und Verdrängungswettbewerb mit der Entwicklung einer gefährlichen Konzentration der Wirk- und Hilfsstoffe primär auf China und Indien geführt – mit einem wachsenden Risiko für die Lieferfähigkeit.

Nach einer Analyse von Dr. Morris Hosseini von der Unternehmensberatung Roland Berger stammen derzeit 56 Prozent aller weltweit produzierten Biosimilars aus Europa, 29 Prozent aus den USA und nur 15 Prozent aus Asien. Europa habe damit eine Pionierstellung, und derzeit wachse die Zahl der auf den europäischen Markt drängenden Hersteller, auch aus dem asiatischen Raum. Damit nehme aber auch der Wettbewerbs-und Kostendruck zu – letztlich mit dem Risiko von Produktionsverlagerungen nach Asien und der Entstehung neuer Oligopole.

“China und Indien sind auch bei Biosimilars in der Aufholjagd und bilden derzeit neue technologische Cluster“, stellt Dr. Christopher Kirsch von Sandoz/Hexal fest. Am Ende könnten selbst kleine Preis- und Kostenvorteile ausschlaggebend für den Zuschlag bei einem Rabattvertrag nach dem Muster der Generika-Versorgung sein. Er warnt vor einem am Ende unumkehrbaren Prozess, wenn Biotech-Kapazitäten und -Fähigkeiten in großem Stil nach Asien verlagert werden.

GBA verspricht äußerste Sorgfalt bei Gesetzentwurf

“Wir werden alle Bedenken sehr ernst nehmen”, versichert dagegen der Vorsitzende des GBA, Josef Hecken. In zwei Monaten werde der Bundesausschuss das vorgesehene Anhörungsverfahren einleiten und dann einen sehr vorsichtigen Weg beschreiten. Dabei werde man auch differenziert nach Therapiegebieten vorgehen; Hecken sieht eine Herausforderung auch darin, für Biologicals mit breiter Anwendung geeignete Substitutionsregeln zu finden.

Eine Verweigerung des Gesetzesauftrags durch den GBA hält Dr. Martin Danner von der Patientenvertretung nicht für möglich; dies könnte zu einer Ersatzvornahme führen. Denkbar sei ein konditionierter Beschluss, in dem einerseits die Sorgfaltspflichten des Apothekers einschließlich der Möglichkeit einer vertraulichen Beratung von Patienten definiert werden, andererseits aber auch Voraussetzungen wie die Dokumentation der Chargennummer geregelt werden.

Das ist die aktuelle Lage bei der Produktion von Biosimilars