Image-Kampagne der Neurologie: "Wir wollen die besten Köpfe"

Fragen an Prof. Dr. med. Gereon R. Fink, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie Uniklinik Köln zur Image-Kampagne "Wir sind Neurologie".

Fragen an Prof. Dr. med. Gereon R. Fink, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Direktor der Klinik und Poliklinik für Neurologie Uniklinik Köln zur Image-Kampagne "Wir sind Neurologie".

Prof. Dr. med. Gereon R. Fink - Präsident der DGN

Sie soll das Wir-Gefühl in der sich zunehmend spezialisierenden Neurologie stärken, und zugleich darauf aufmerksam machen, dass die Bedeutung des Faches in der Versorgung wächst. So ist die Neurologie als notfallmedizinisches Fach zunehmend auch in den meisten Notaufnahmen vertreten. Dadurch und auch weil viele Kollegen in den nächsten Jahren die Altersgrenze erreichen und die Patientenzahlen stetig steigen, entsteht ein zusätzlicher Bedarf an gut ausgebildeten Neurologen.

esanum: Warum eine Image-Kampagne für Ihr Fachgebiet? Was wollen Sie erreichen?

Fink: Wir wollen zwei Dinge erreichen. Das eine ist: Tue Gutes und rede darüber. Die Ressourcen im Gesundheitssystem und auch im Wissenschaftsbereich sind knapp und werden immer wieder kritisch hinterfragt. Daher ist es uns wichtig, die Erfolge der Neurologie der Öffentlichkeit und der Politik bewusst zu machen. Der für mich viel wichtigere Aspekt bei dieser Kampagne ist aber, auch nach innen auszustrahlen - also in unser Fach hinein. Wir Neurologen dürfen uns auch über die Erfolge unseres Fachgebietes freuen. Es geht mir auch darum, das Wir-Gefühl unter den Kolleginnen und Kollegen zu stärken. Die DGN macht mit der Kampagne außerdem den medizinischen Nachwuchs auf das Fach aufmerksam und bindet ihn mit attraktiven Angeboten. Hier ist die Neurologie zwar in einer vergleichsweise komfortablen Situation – es gibt ja viele Fächer, die froh sind, wenn sie überhaupt einen Deutsch sprechenden Arzt einstellen können. So ist es bei uns noch nicht. Und ich möchte gern für unser Fach in dieser komfortablen Situation bleiben. Dennoch stehen wir in einem Wettbewerb um die Talente. Für die Aufgaben, die uns das Organ Gehirn und seine Krankheiten stellt, benötigen wir die besten Köpfe.

esanum: Was sind die Herausforderungen?

Fink: Natürlich die immer älter werdende Gesellschaft und damit das Thema Demenz. Auch das ungelöste Problem der Hirntumoren, da gibt es enormen Forschungsbedarf. Dafür brauchen wir junge Leute, die die Wissenschaft voranbringen. Hier stehen wir im Wettbewerb mit anderen Fachbereichen. Insofern soll unsere Kampagne auch Studierende und Assistenzärzte in Weiterbildung für die Neurologie begeistern. Unsere Botschaft: Die Neurologie ist ein spannendes Fach, in dem sich gerade viel tut. Und es ist die beste Zeit, dabei zu sein.

esanum: Wie hat sich die Neurologie verändert? Auf welche Leistungen sind Sie besonders stolz?

Fink: Ich bin jetzt 25 Jahre dabei. Wenn ich mir überlege, was sich in der Zeit dramatisch verändert hat, allein in den letzten fünf bis zehn Jahren - das ist wirklich toll. Die Neurologie war ja lange ein Fach, das ganz wunderbar diagnostizieren, aber nicht so gut behandeln konnte. Das ist heute völlig anders. Auch das transportiert die Kampagne "Wir sind Neurologie". Wie alleine die Schlaganfallbehandlung revolutioniert wurde durch die medikamentöse Lysetherapie und durch die neuroradiologische Thrombektomie mit deutlich gesunkenen Morbiditäts- und Mortalistätsraten. Oder denken Sie an die Therapiefortschritte, die wir bei der Multiplen Sklerose erreicht haben. Dem größten Teil der Patienten kann man heute hervorragend helfen. Wir haben phantastische Möglichkeiten im Bereich der Bewegungsstörungen, u. a. bei Morbus Parkinson, sowohl medikamentös wie auch mittels der tiefen Hirnstimulation. Die Neurologie ist heute eine Disziplin, die interdisziplinär gemeinsam mit anderen Fachgebieten sehr viel für Patienten mit neurologischen Erkrankungen tun kann.

esanum: Sie haben naturgemäß und durch den demografischen Wandel häufig ältere Patienten mit Schlaganfällen und Demenzen im Blick. Welche Jüngeren profitieren von den neusten Entwicklungen?

Fink: Nehmen wir die Epilepsie. Es gibt eine ganze Reihe von neuen Medikamenten, die das Behandlungsspektrum erweitert haben. Und es gibt die neurochirurgischen Verfahren für diejenigen, denen man medikamentös nicht helfen kann. Aber auch die Multiple Sklerose ist ein gutes Beispiel, sie manifestiert sich häufig bereits im jungen Erwachsenenalter. Bei der Migräne können wir heute eine ganze Menge machen. Es gibt eine Reihe von sehr guten Medikamenten, zurzeit wird auch in diesem Bereich an der Entwicklung von Antikörpern gearbeitet. Das sind hochspannende Entwicklungen. Zum einen gibt es für die Akutbehandlung hochwirksame Präparate. Aber es wird auch daran gearbeitet, dass die Migräne gar nicht mehr auftritt. Da haben wir ganz neue Ansätze. Die immunologischen Therapien sind ein Bereich, der die Neurologie entscheidend verändert.

esanum: Welche innovativen Therapieansätze sind zu erwarten? Wo geht es demnächst lang in der Neurologie?

Fink: Ganz wichtig: Die Alzheimer-Demenz. Da wird intensiv geforscht, um die Genese zu verstehen. Bis jetzt stehen noch keine Medikamente zur Verfügung, um die Krankheit auch ursächlich zu behandeln. Unser Ziel ist es, kausal und möglichst frühzeitig zu therapieren.

esanum: Wo sieht sich die Neurologie in 20 Jahren?

Fink: Es ist die beste Zeit, Neurologe zu sein. In 20 Jahren werden wir ganz sicher signifikante Therapiedurchbrüche erzielt haben im Bereich der Gehirntumoren und bei den Demenzerkrankungen.

esanum: Wie gestaltet sich die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Bereichen, wo gibt es neue Schnittstellen?

Fink: Die wichtigen Partner sind die Innere Medizin, hier insbesondere die Kardiologie und die Onkologie, sowie die Psychiatrie, die Neuroradiologie und die Neurochirurgie. Betrachten wir die Schlaganfall-Behandlung. Hier hat sich die von den Neuroradiologen durchgeführte Thrombektomie in Ergänzung zur medikamentösen Lyse-Therapie etabliert. Die Thrombektomie ist wirksam für 5 bis 10 Prozent aller Schlaganfall-Patienten. Da arbeitet der Neurologe, der sich um den Schlaganfall kümmert, Hand in Hand mit den Neuroradiologen, damit die Patienten, die von so einer Therapie profitieren, schnell der Behandlung zugeführt werden können.  Das muss von den Abläufen her alles perfekt zusammen passen.

esanum: Wird überhaupt jeder Schlaganfallpatient von Neurologen gesehen?

Fink: Wir haben ein flächendeckendes System der Stroke Units, das ist vorbildlich organisiert. Diese werden zu 95 Prozent von Neurologen betrieben. Da rutscht kaum ein Patient durch.

esanum: Finanzierungsprobleme hat das Gesundheitssystem an allen Ecken und Enden - Budgetkürzungen, Korsett durch KK-Vorschriften: Wie steht in dieser Hinsicht die Neurologie da? Können Sie den nachfolgenden jungen Kollegen ein gutes Zukunftsbild vermitteln?

Fink: Wir weisen ja nicht umsonst auf die Bedeutung unseres Faches hin. Tatsächlich ist es ein Problem unseres Gesundheitswesens, dass die Neurologie heute viel mehr kann als früher und somit auch neurologische Therapien teurer werden. Die Neurologie steht insofern vor einer besonderen Herausforderung, dass in unserer alternden Gesellschaft neurologische Erkrankungen immer häufiger auftreten werden. Also muss die Neurologie zusehen, dass sie die Finanzierung für ihre Patienten bekommt. Uns geht es darum, dass Patienten mit neurologischen Erkrankungen gut behandelt werden.