Immer höherer Schmerzmittel-Missbrauch im Sport

Immer häufiger greifen Sportlerinnen und Sportler zu schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten. Ob Muskeln oder Gelenke - NSAR (z.B. Ibuprofen) sind dabei die am häufigsten eingesetzte Wirkstoffgruppe.

GOTS warnt vor Risiken bei Selbstmedikation 

Immer häufiger greifen SportlerInnen zu schmerz- und entzündungshemmenden Medikamenten. Ob Muskeln oder Gelenke - NSAR (z.B. Ibuprofen) sind dabei die am häufigsten eingesetzte Wirkstoffgruppe. Profi- und FreizeitsportlerInnen erhoffen sich davon, Beschwerden oder Schmerzen zu lindern oder gar nicht erst aufkommen zu lassen. Doch gerade der "prophylaktische" Gebrauch ist gefährlich, seine Verbreitung unter NachwuchsathletInnen inzwischen besorgniserregend, warnt die Gesellschaft für Orthopädisch-Traumatologische Sportmedizin.

Während Erwachsene und SeniorInnen oft wegen Beschwerden des muskuloskelettalen Apparates NSAR einnehmen, ist die Motivation im Nachwuchssport die verbreitete Annahme, mit Schmerzmitteln einen unspezifischen "Belastungsschmerz" in Wettkampfsituationen lindern bzw. vorbeugen zu können.

In einer aktuellen, sportartenübergreifenden Studie unter Einbezug von 313 NachwuchsathletInnen (NCAA College; Alter ca. 18-20 Jahre) gab jede vierte weibliche Athletin und jeder fünfte männliche Athlet an, zum Stichtag der Umfrage NSAR einzunehmen. Bei Umfragen auf Marathon-Veranstaltungen gab sogar die Hälfte der FreizeitsportlerInnen an, Schmerzmittel einzunehmen.

Problematisch ist, dass viele Präparate zum Teil rezeptfrei im Handel erhältlich sind und durch die Einnahme mehrerer Tabletten eine rezeptpflichtige und damit wesentlich höhere Dosis erreicht werden kann. Durch falsche Vorbildfunktion, fehlende Aufklärung und Gewohnheit kann eine gefährliche Selbstmedikation entstehen – und das in Unkenntnis über das erhebliche Nebenwirkungspotential.

NSAR-Auswirkungen können unter sportlicher Belastung noch erhöht werden

Die erwünschten Wirkungen der NSAR beruhen auf der verminderten Synthese von Prostaglandinen. Je nach Stoffgruppe und Dosis werden den NSAR somit analgetische (schmerzhemmende), antipyretische (fiebersenkende) und antiphlogistische (entzündungshemmende) Eigenschaften zugesprochen. NSAR greifen aufgrund der vielfältigen Funktionen der Prostaglandine in relevante Stoffwechsel-Prozesse des gesamten Organismus ein.

Unter sportlicher Belastung (erhöhte Herz-Kreislaufbelastung, Umverteilung des Blutvolumens zugunsten der Skelettmuskulatur) können die Auswirkungen sogar noch verstärkt werden. Bei intensiver körperlicher Belastung (z.B. Flüssigkeitsverlust mit Dehydrierung, Elektrolytverschiebungen) drohen bei NSAR-Gebrauch erhebliche gesundheitliche Risiken verschiedenster Arten

Aufklärung unzureichend

Eine wichtige Rolle für die Aufklärungsarbeit spielt das direkte Betreuungsumfeld der SportlerInnen. Die begleitende Aufklärung des Trainerteams zu Schmerzmitteln/NSAR ist absolut wichtig. In der Praxis des Leistungssports hat es sich bewährt, vor der Einnahme jeglicher pharmakologischer Substanzen, Rücksprache mit den betreuenden SportärztInnen zu halten. Im Breitensport fehlen solche AnsprechpartnerInnen häufig ganz.

Fest steht: "Beschwerden und Schmerzen während des Sports müssen professionell von medizinischer Seite abgeklärt und keinesfalls mit Medikamenten in Eigenregie therapiert werden. NSAR-Präparate weisen ein erhebliches Nebenwirkungs- und Gefahrenpotential auf", warnt PD Dr. Thilo Hotfiel, Orthopäde, Unfallchirurg und Vorstand der GOTS. 

Grundsätzlich bekämpft der Einsatz von Schmerzmitteln nicht die Ursachen der akuten oder überlastungsbedingten Beschwerden im Sport. Insbesondere die, je nach Sportart und Anforderungsprofil, überlastungsbedingten Verletzungen entstehen oftmals durch ein Missverhältnis zwischen Belastung und der individuellen Belastungsfähigkeit. Die Anpassung und Steuerung der Trainingsbelastung und die individuelle Erfassung von Risikofaktoren sind die wichtigsten Eckpfeiler in der Prävention und Therapie. Sind Medikamente während des Sports medizinisch notwendig, so sollten sie unter strenger Indikationsstellung, Abklärung des individuellen Risikoprofils und möglichst nur kurzfristig eingesetzt werden.