Impflücken könnten laut Barmer-Analyse größer sein als vermutet

Wie vielen Kinder sind in Deutschland nicht geimpft? Die Barmer Krankenkasse geht davon aus, dass die Lücken größer sind als in den offiziellen Statistiken. Ist da was dran?

Durchimpfungsrate bei 78,9 Prozent

Wie vielen Kinder sind in Deutschland nicht geimpft? Die Barmer Krankenkasse geht davon aus, dass die Lücken größer sind als in den offiziellen Statistiken. Ist da was dran?

Nach einer Analyse der Barmer Krankenkasse gibt es in Deutschland größere Impflücken. Die Kasse hat unter anderem für rund 45.700 SchulanfängerInnen, die 2017 bei ihr versichert waren, Abrechnungsdaten geprüft. Danach waren bei keiner wichtigen Infektionskrankheit wie Masern, Mumps oder Röteln ausreichend Kinder immunisiert, teilte die Barmer am Donnerstag bei der Vorstellung ihres Arzneimittelreports mit. Die Impfquoten lagen laut Kasse durchweg unter 90 Prozent. Das sei alarmierend, sagte Barmer-Vorstandschef Christoph Straub. Denn für eine Schutzwirkung in der Gesellschaft seien Immunisierungsraten von mindestens 95 Prozent nötig.

"Die Impflücken bei Kleinkindern in Deutschland sind größer als bisher bekannt", resümierte Daniel Grandt, Mitautor des Arzneimittelreports und Chefarzt am Klinikum Saarbrücken. So war unter den Barmer-Versicherten mehr als jedes fünfte Kind, das 2015 geboren wurde, in den ersten beiden Lebensjahren nicht oder nur unvollständig gegen Masern geimpft. Die Durchimpfungsrate lag lediglich bei 78,9 Prozent. Bei sechsjährigen Kindern, die 2011 zur Welt kamen, betrug die Masern-Impfquote bei Barmer-Versicherten 88,8 Prozent.

Nach den offiziellen Daten der Schuleingangsuntersuchungen beim Robert Koch-Institut (RKI) lag die Impfquote bei der ersten Masernimpfung 2017 bei rund 97 Prozent. Bei der zweiten Masernimpfung waren es fast 93 Prozent. Allerdings hatten rund neun Prozent der Schulanfänger keinen Impfausweis.

Von Robert Koch-Institut angegebene Impfquoten möglicherweise zu hoch

Das RKI habe in seiner Methodik deshalb bereits beschrieben, dass die von ihm angegebenen Impfquoten möglicherweise etwas zu hoch seien, hieß es von der Bundesbehörde. Würde man alle Kinder ohne Impfpass als ungeimpft ansehen, ergäbe sich mit Blick auf den Masernschutz am Schulanfang nur eine Impfquote von nur 81,4 Prozent. Die Barmer-Daten mit 88,8 Prozent lägen zwischen dieser ungünstigsten Annahme und der günstigsten von fast 93 Prozent.

Auch das RKI habe bereits auf Defizite beim Impfschutz hingewiesen, hieß es weiter. Die Auswertung der Barmer sei gründlich. "Mit den Daten werden jedoch nur rund elf Prozent der gesetzlich Versicherten in Deutschland abgebildet und es bleibt offen, wie repräsentativ dieses Versichertenklientel für Deutschland ist", teilte das RKI weiter mit.

Die Barmer-Analyse zeige das Bild der tatsächlichen Impfquoten, betonen die AutorInnen der Studie. Neben Masern gebe es weitere Impflücken. So waren unter den Barmer-Versicherten 2017 nur 88,7 Prozent der Sechsjährigen gegen Mumps und Röteln geimpft. Dies sei äußerst bedenklich, weil Kinder und Jugendliche ihre Impflücken auch im Erwachsenenalter behalten würden, sagte Straub.

Die Krankenkassen AOK oder TK haben solche aufwenigen Erhebungen für ihre Versicherten nach eigenen Angaben noch nicht durchgeführt. Es gibt aber die Impfsurveillance der Kassenärztlichen Vereinigung, die auch mit Abrechnungsdaten von gesetzlich Versicherten arbeitet. Die jüngsten Daten für 2014 geben bei Zweijährigen für Masern bundesweit eine Impfquote von 73,9 Prozent an - allerdings mit großen regionalen Unterschieden von 68,9 Prozent in Baden-Württemberg bis 80,5 Prozent in Hamburg.

Höhere Impfquoten bei Masern

Die Barmer hat bei ihren Versicherten auch geschaut, wie viele Kinder in den ersten beiden Lebensjahren überhaupt keine der 13 empfohlenen Impfungen erhalten hatten: Das waren 1.855 Kinder, die 2015 zur Welt kamen - rund drei Prozent.

Die Barmer-Statistik zeigt aber auch einen erfreulichen Trend: Bei Masern wuchsen die Impfquoten an - von 73,8 beim Jahrgang 2010 auf 78,9 Prozent beim Jahrgang 2015. Einen Zuwachs beobachtete auch die Impfsurveillance der Kassenärztlichen Vereinigung. Die jüngsten Daten für 2014 ermitteln bundesweit eine Quote von 73,9 Prozent, rund drei Prozentpunkte mehr als 2010.