Klarer Vorteil für Radialis-Bypass in der Herzchirurgie

Da arterielle Bypässe im Vergleich zu venösen Bypässen eine höhere Offenheitsrate besitzen, bleibt die Frage, ob eine komplette arterielle Revaskularisation der kombiniert arteriell-venösen Form vorzuziehen ist.

Weniger Herzinfarkte und Revaskularisierungen im Vergleich zum Venenbypass

Die koronare Bypass-Operation ist der Goldstandard in der Behandlung komplexer koronarer Mehrgefäßerkrankungen oder Hauptstammstenosen, die durch normale Stents nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Im Normalfall werden zwei Bypässe gelegt, üblicherweise durch Entnahme der linken Arteria mammaria interna und der Vena saphena magna. Da arterielle Bypässe im Vergleich zu venösen Bypässen eine höhere Offenheitsrate besitzen, bleibt die Frage, ob eine komplette arterielle Revaskularisation der kombiniert arteriell-venösen Form vorzuziehen ist.

Bei einer komplett-arteriellen Revaskularisation hat man die Wahl zwischen der rechten Arteria mammaria interna und der Arteria radialis. Letztere wurde ausgiebig in Beobachtungsstudien untersucht, mit dem Ergebnis eines besseren Outcomes. In den relevanteren randomisierten Kontrollstudien (RCTs) zeigte sich jedoch nur ein positiver Trend ohne Signifikanz – das Problem war die zu geringe Power. Daher wurden nun die wichtigsten sechs RCTs zu dem Thema in einer Metaanalyse zusammengefasst. Mit insgesamt 1.036 Patienten und 5.266 Follow-Up-Jahren erhoffte man sich so eine definitive Aussage über die Überlegenheit des radialen Bypasses machen zu können.

Über 1.000 Patienten mit 5 Jahren Follow-Up

Nimmt man alle Studien zusammen, erhielten 534 Patienten einen Radialis-Bypass und 502 Patienten einen venösen Bypass. Beide Gruppen waren hinsichtlich Geschlecht (70 % Männer), Alter (67 Jahre) und kardiovaskulärer Vorgeschichte vergleichbar. Das Zielgefäß des Bypasses war in beiden Gruppen in drei von vier Fällen der Ramus circumflexus, in einem Viertel der Fälle die rechte Koronararterie. Das Follow-Up nach der Bypass-OP betrug im Mittel fünf Jahre.

56 % weniger Verschlüsse mit Radialis-Bypass

Der primäre Endpunkt der Studie – eine Kombination aus Tod, Myokardinfarkt und erneuter Revaskularisierung – trat in der Gruppe mit Radialis-Bypass rund ein Drittel seltener auf als in der Gruppe mit venösem Bypass (Hazard Ratio [HR] 0,67; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,49 – 0,90; p = 0,01). In absoluten Zahlen ausgedrückt, traten 25 Ereignisse pro 1.000 Patientenjahre in der Radialis-Gruppe auf, verglichen mit 39 Ereignissen in der Venenbypass-Gruppe. Eine Betrachtung der einzelnen Endpunkte zeigte, dass Patienten mit Radialis-Bypass nur halb so oft revaskularisiert werden mussten (HR 0,50; KI 0,40 – 0,63; p < 0,001) und ein 28 % geringeres Risiko für einen Herzinfarkt hatten (HR 0,72; KI 0,53 – 0,99; p = 0,04). In einer Follow-Up-Angiographie rund vier Jahre später wurde zudem festgestellt, dass ein Verschluss des Radialis-Bypasses deutlich seltener auftrat als ein Verschluss des Venenbypasses (HR 0,44; KI 0,28 – 0,70; p < 0,001). Bei der Gesamtmortalität fanden sich hingegen keine Unterschiede (HR 0,90; KI 0,59 – 1,41; p = 0,68).

Frauen und jüngere Patienten profitieren

Bei der Analyse der Subgruppen fiel auf, dass nur Patienten unter 75 Jahren von einem Radialis-Bypass profitieren (HR 0,61; KI 0,42 – 0,87; p = 0,008). Bei älteren Patienten verschwindet der Effekt, was wohl mit einer generell reduzierten post-operativen Lebenserwartung zu tun hat. Weiterhin zeigte sich, dass der Radialis-Bypass bei Frauen länger offen bleibt als bei Männern. Eine Niereninsuffizienz verschlechtert die Haltbarkeit des Radialis-Bypasses dagegen. Positiv ist, dass die Behandlung mit Kalziumkanalblockern das Risiko für einen Verschluss des Radialis-Bypasses reduziert.

Radialis-Bypass aktuell noch wenig genutzt

Durch die Zusammenfassung der randomisierten Studiendaten ist nun erstmals belegt, dass der Radialis-Bypass ein besseres 5-Jahres-Outcome besitzt als ein traditioneller Venenbypass. Insbesondere jüngere Patienten und Frauen können davon profitieren. Die aktuellen Leitlinien empfehlen bereits den Einsatz von mehreren arteriellen Bypässen im Zuge einer Herz-OP. In der täglichen herzchirurgischen Praxis wird jedoch selten mehr als ein arterieller Bypass implantiert. Beispiel USA: Hier erhalten weniger als 10 % der Patienten mehrere arterielle Bypässe. Der Grund für die Zurückhaltung: Im Vergleich zum venösen Bypass ist die Verpflanzung eines zusätzlichen arteriellen Bypasses für die Chirurgen mit mehr Aufwand verbunden. Möglicherweise sorgen die Ergebnisse der Metaanalyse hier für etwas mehr Aufwind.

Fehlender Unterschied in der Mortalität

Interessanterweise fand sich nach fünf Jahren kein Unterschied in der Mortalität. Die Autoren führen das auf den Implantationsort der Bypässe zurück. So wurden bei den Patienten nur Bypässe in den Ramus circumflexus und in die rechte Koronararterie implantiert. Ein Verschluss dieser Gefäße ist für das Herz nicht so gefährlich wie ein Verschluss des Ramus interventricularis, der mit einer höheren Sterberate assoziiert ist. Bleibt zudem abzuwarten, wie die Ergebnisse nach zehn Jahren aussehen, da sich der Vorteil der besseren Haltbarkeit arterieller Bypässe oft erst nach einer größeren Zeitspanne bemerkbar macht.

Quelle:
Gaudino M et al. Radial-Artery or Saphenous-Vein Grafts in Coronary-Artery Bypass Surgery. April 30, 2018. New England Journal of Medicine. April 30, 2018. DOI: 10.1056/NEJMoa1716026